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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Katze

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Katze.

werfen 1-6 Junge, für welche die Mutter zärtlich sorgt, während der Vater sich nur gelegentlich um sie kümmert, die noch blinden Jungen sogar häufig frißt. Bei allen Katzen wiederholt sich die Grundform des Leibes sehr streng, und wohl in keiner andern Tiergruppe unterscheiden sich die einzelnen Gattungen und Arten so wenig voneinander. Daher sind für die Einteilung ziemlich nebensächliche Merkmale maßgebend, oft schon Haarwucherungen, Färbung etc. Man kann die Gattung in drei Untergattungen teilen: Katzen im engern Sinn (Felis), Krallen völlig zurückziehbar, Schwanz in der Regel fast so lang wie der Rumpf, Beine niedrig, keine Ohrpinsel. Geparde (Cynailurus), Krallen nicht ganz zurückziehbar, in der Fährte sichtbar, höhere Beine. Luchse (Lynx), hochbeinige Tiere mit Ohrpinsel und kurzem Schwanz. Von den Katzen im engern Sinn unterscheidet man: A. Altkontinentale Formen: Löwen (Leonina Wagn.), ungefleckt, groß, gemähnt, mit Endquaste am Schwanz; Tiger (Tigrina Wagn.), gestreift, groß, mähnenlos; Pardelkatzen (Pardina Gieb.), groß, mit vollen oder geringelten Flecken und runder Pupille; Servale (Servalina Wagn.), kleiner, mit vollen Flecken; echte Katzen (Cati Wagn.), klein, ungefleckt, bisweilen gestreift, mit senkrecht elliptischer Pupille. B. Neukontinentale Formen: Löwenartige (Puma), ungefleckt, ohne Mähne, und Pardelkatzen (Jaguar), sämtlich kleiner als die altkontinentalen Formen.

Die Wildkatze (Waldkatze, Kuder, Baumreiter, F. Catus L., s. Tafel) wird 80 cm lang, mit 30 cm langem Schwanz, und 35-42 cm hoch; sie ist sehr gedrungen gebaut, mit dickem Kopf, sehr dichtem, langem Pelz, welcher beim Männchen fahl- oder schwarzgrau, beim Weibchen gelblichgrau ist; das Gesicht ist rotgelb mit vier schwarzen Streifen, der Leib mit schwarzem Rückenstreif und vielen verwaschenen Querstreifen gezeichnet; der Bauch ist gelblich, schwarz gefleckt, die Beine sind schwarz gestreift; charakteristisch ist ein gelblichweißer Kehlfleck und der starke, bis zur Spitze gleichmäßig dicke, schwarz geringelte Schwanz. Die Spur der Wildkatze ist der der Hauskatze, der Trittform nach, sehr ähnlich, nur sind die Tritte größer, runder und markieren sich tiefer und schärfer im Boden. Die Trittstellung ist beim Schleichen etwas geschränkt. In der Flucht setzt die Wildkatze ähnlich wie der Fuchs (s. d., S. 767) und schnürt auch ziemlich so wie dieser. Die Wildkatze findet sich in ganz Europa mit Ausnahme des Nordens, einzeln in allen deutschen Mittelgebirgen, von wo sie weit in die Waldungen der Ebene hinausschweift, viel häufiger in Süd- und namentlich in Südosteuropa. Sie bewohnt besonders dichte, ausgedehnte Gebirgswaldungen, namentlich Nadelwälder, und haust in Felslöchern, hohlen Bäumen, Dachs- und Fuchsbauten, im Gebüsch etc., im Winter auch in Scheunen. Sie lebt einzeln, beschleicht in der Dämmerung Vögel, Hasen, Kaninchen, auch Reh- und Hirschkälber und Fische. Ihre Hauptnahrung bilden aber Mäuse und Ratten; in Gehegen, besonders Fasanerien, wird sie schädlich, auch plündert sie Hühner- und Taubenställe. Sie paart sich im Februar und wirft im April in den angedeuteten Verstecken 5-6 blinde Junge, welche sie in der Gefahr nicht verteidigt. Sie scheint sich auch mit der Hauskatze zu paaren. Ihre Jagd kann unter Umständen gefährlich werden, da sie angeschossen nicht selten den Menschen angreift und sich hartnäckig verteidigt, während sie sonst in der Regel vor dem Menschen große Furcht zeigt. Große Hunde bekämpft sie erfolgreich. In der Gefangenschaft wird sie bisweilen zahm. Die Zwergkatze (Kueruck, F. undata Ruepp., s. Tafel), 65-70 cm lang, wovon 20-23 cm auf den Schwanz kommen, ist bräunlich fahlgrau, unten weiß, oben dunkel rostbraun, unten braunschwarz gefleckt; vier Längsstreifen ziehen sich über Stirn, Scheitel, Nacken, andre Streifen verlaufen im Gesicht und an der Brust. Diese K. findet sich in Indien, auf den Sundainseln und in Ostasien, lebt meist auf Bäumen, ist äußerst blutgierig und nährt sich hauptsächlich von Vögeln. Die Falbkatze (nubische K., F. maniculata Ruepp., s. Tafel) ist 50 cm lang, mit 25 cm langem Schwanz, oben fahlgelb oder fahlgrau, an den Seiten heller, am Bauch weißlich, am Rumpf und an den Beinen mit dunkeln, schmalen, verwaschenen Querbinden, am Oberkopf und im Nacken mit acht schwarzen Längsbinden. Der Schwanz ist oben fahlgelb, unten weiß, schwarz geringelt und hat eine schwarze Spitze. Sie bewohnt Ost- und Innerafrika und Palästina und gilt als Stammmutter der Hauskatze (F. domestica L.). Die Mumien und die Abbildungen auf altägyptischen Denkmälern stimmen am meisten mit dieser K. überein, und es ist wahrscheinlich, daß die Priester das heilige Tier von Meroe in Südnubien nach Ägypten brachten, von wo es sich dann weiter verbreitete.

In der Schädelbildung stimmt die Falbkatze mit der Hauskatze sehr nahe überein, und die Hauskatzen Nordafrikas zeigen noch ganz das Gepräge der Falbkatze. Die Niam-Niam fangen noch heute Falbkatzen ein und wissen dieselben in kurzer Zeit so weit zu zähmen, daß sie sich an die Wohnung gewöhnen und in der Nähe derselben die zahlreichen Mäuse vertilgen. Den alten Ägyptern war die K. wohl das heiligste aller Tiere, und wer eine K. tötete, wurde unerbittlich mit dem Tod bestraft. Die Göttin Bast (s. d.) wurde mit einem Katzenkopf abgebildet, und in ihr Heiligtum brachte man gewöhnlich die Katzenmumien. Griechen und Römer kannten die K. nicht als Haustier; erst Palladius im 4. Jahrh. n. Chr. gebraucht den Namen catus, der seitdem von Italien aus wie das Tier selbst zu europäischen und asiatischen Völkern wanderte. Bei den Germanen galt die (wilde) K. als Lieblingstier der Freyja, deren Wagen mit zwei Katzen bespannt war. Später wurde die K. wegen ihres schleichenden, nachtwandlerischen Wesens und der im Finstern unheimlich glühenden Augen ein Gegenstand des Aberglaubens: Hexen und Zauberinnen verwandeln sich in Katzen; namentlich an die dreifarbige und die schwarze K. knüpft sich viel Aberglaube. Von Ägypten aus ging die K. wahrscheinlich zuerst östlich; sie war ein Liebling Mohammeds. Viel später kam sie in die nördlichen Länder, im 10. Jahrh. wird sie in der Gesetzsammlung für Wales als ein offenbar kostbares Tier erwähnt, und im 11. Jahrh. hatten vornehme Frauen kostbare Schoßkatzen. Ge-^[folgende Seite]

^[Abb.: Trittstellung der Wildkatze. Beim Schleichen (geschränkt). In der Flucht (geschnürt).]