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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kunstwissenschaft

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Kunstwissenschaft (geschichtliche Entwickelung).

R. v. Eitelberger, J. ^[Jakob] Falke, M. Carriere, welcher die Kunst im Gegensatz zu den jüngern als Gegenstand des philosophischen Erkennens behandelte (Hauptwerk: "Die Kunst im Zusammenhang mit der Kulturentwickelung"), A. v. Zahn, R. Bergau, der Spezialforscher auf dem Gebiet der deutschen Kunst des Mittelalters und der Renaissance, Bruno Meyer, R. Marggraff, H. Hettner, H. Grimm, M. Thausing u. a. Die vorwiegend kritische Haltung dieses Organs ist für die neue Periode der K. charakteristisch. Durch die epochemachenden Untersuchungen von Crowe und Cavalcaselle auf dem Gebiet der niederländischen und italienischen Malerei wurde dieselbe nur noch mehr bestärkt, auf dem betretenen Weg weiterzuschreiten. Alfred Woltmann eröffnete mit seiner Monographie "Holbein und seine Zeit" 1866 die Reihe der Spezialwerke, aus welchen sich bis jetzt schon eine äußerst umfangreiche Litteratur gebildet hat. Aus den "Rezensionen etc." entwickelte sich 1866 wiederum unter der Leitung K. v. Lützows die "Zeitschrift für bildende Kunst", seit 1884 mit der Beilage "Kunstgewerbeblatt", welche in Deutschland zuerst die Radierung als reproduzierende Kunst zu Ehren brachte, während die vorwiegend kritische Richtung der "Rezensionen" 1868-73 in den von A. v. Zahn herausgegebenen "Jahrbüchern für K." fortgesetzt wurde, an deren Stelle seit 1875 das "Repertorium für K.", anfangs unter der Leitung von Schestag, dann A. Woltmanns und H. Janitscheks, nach dem Tod Woltmanns von letzterm allein geleitet, getreten ist. Wien blieb bis in die Mitte der 70er Jahre der Hauptort für die kunstwissenschaftlichen Studien. Hier entstand M. Thausings Biographie Dürers, hier wurden unter R. v. Eitelbergers Leitung die "Quellenschriften für Kunstgeschichte", an welchen Thausing, Ilg, A. v. Wurzbach u. a. mitwirkten, herausgegeben, und in den "Mitteilungen der k. k. Zentralkommission zur Erhaltung und Erforschung der Kunstdenkmäler" hatte man ein Spezialorgan für den österreichischen Kaiserstaat. Auf seinen "Holbein" ließ Woltmann eine "Baugeschichte Berlins", "Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß" und eine "Geschichte der Malerei" folgen, welche nach seinem Tod von K. Woermann vollendet wurde. In Leipzig waren vorzugsweise Anton Springer ("Handbuch der Kunstgeschichte", "Geschichte der bildenden Künste im 19. Jahrhundert", "Raffael und Michelangelo") und eine Zeitlang Max Jordan (mit Übersetzungen der Werke Crowes und Cavalcaselles) thätig. In München haben Fr. Reber durch eine Anzahl von umfassenden Darstellungen ("Ruinen Roms", "Geschichte der Baukunst im Altertum", "Kunstgeschichte des Altertums", "Geschichte der neuern Kunst", "Kunstgeschichte des Mittelalters") und W. Schmidt durch zahlreiche Abhandlungen die K. neu begründet, während die archäologische Wissenschaft, die früher in Fr. Thiersch ihren Hauptvertreter sah, in H. Brunn ("Geschichte der griechischen Künstler") eine Säule gefunden hat. Auf dem Gebiet der künstlerischen Tageskritik ist Fr. Pecht thätig, der auch an der Spitze der 1885 gegründeten Zeitschrift "Die Kunst für Alle" steht. Die Archäologie hatte in den 30er, 40er, 50er und 60er Jahren in Berlin durch Tölken, Panofka, E. Gerhard, dann durch Curtius und Friederichs ihre Hauptpflege genossen. Als dann in der Mitte der 70er Jahre durch die Reorganisation der Berliner Museen, durch die ansehnlichen Erweiterungen derselben und durch die Besetzung der Direktorenstellen mit Gelehrten die Kunst in Berlin einen großen Aufschwung nahm, wurde Berlin auch wieder der vornehmste Sitz der Archäologie und K. Die letztere hatte eine Zeitlang, nur durch Eggers ("Leben Rauchs"), Guhl ("Künstlerbriefe"), H. Grimm ("Leben Michelangelos", "Leben Raffaels") und einige jüngere gehalten, ein bescheidenes Dasein gefristet, bis auch sie durch Berufung von auswärtigen Gelehrten, wie Julius Meyer, W. Bode ("Frans Hals und seine Schule", "Italienische Porträtskulpturen des Berliner Museums", "A. Brouwer", "Studien zur Geschichte der holländischen Malerei"), Fr. Lippmann (Spezialist auf dem Gebiet des Kupferstichs und Holzschnitts, welches seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts durch A. Bartsch, Passavant, Heller, Sotzmann, Naumann, Anderssen, Nagler, Wessely u. v. a., stark kultiviert worden ist), A. Conze (Archäolog) u. a., zu neuer Blüte gebracht wurde. R. Dohme versammelte in seinem großen Werke "Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit" fast alle Fachgenossen um sich. Außerdem fanden die Museumsbeamten seit 1879 ein Zentralorgan in dem "Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen". Ferner sind in Berlin thätig: L. Pietsch auf dem Gebiet der Kritik über moderne Kunst, A. Rosenberg ("Geschichte der modernen Kunst", "Die Berliner Malerschule", "Rubensbriefe", "Sebald und Barthel Beham", "Die Münchener Malerschule") und J. ^[Julius] Lessing, letzterer vorwiegend auf dem Gebiet der kunstgewerblichen Litteratur, welche, als Zweig der K., vorzugsweise durch Bucher ("Geschichte der technischen Künste"), Falke ("Kunst im Hause"), Ilg in Wien, Stockbauer in Nürnberg und Brinckmann in Hamburg bereichert worden ist. Von Wien ist auch die Publikation der Wiener Belvederegalerie durch K. v. Lützow ausgegangen, welche für andre Publikationen ähnlicher Art mustergültig geworden ist. In Wien erscheinen auch noch drei Zeitschriften: "Die graphischen Künste", das Organ der "Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" (Herausgeber O. Berggruen), das "Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses" und die "Allgemeine Kunstchronik". Die Kostümkunde, welche ebenfalls als Zweig der K. betrachtet wird, wurde durch H. Weiß ("Kostümkunde", 1860-72) begründet und hat später in A. v. Heyden ("Blätter für Kostümkunde") und J. ^[Jakob] Falke ("Kostümgeschichte der Kulturvölker") verständnisvolle Bearbeiter gefunden.

An der Spitze der Geschichte der italienischen K. steht das umfangreiche Biographienwerk des Malers Giorgio Vasari: "Le vite dei piú eccellenti pittori, scultori ed architetti", welches häufig aufgelegt, übersetzt und kommentiert wurde (beste Ausgaben von Lemonnier und Milanesi). Von da ab entwickelte sich eine sehr reiche Kunstlitteratur, welche sich teils mit biographischen Zusammenstellungen, teils mit lokalgeschichtlichen, später urkundlichen Forschungen beschäftigte. Aus dem 16. Jahrh. sind noch der sogen. Anonymus des Morelli, Fr. Sansovino, Condivi, aus dem 17. Baglione, Passeri, Bellori, Graf Malvasia, aus dem 18. Baldinucci zu nennen. Im 19. Jahrh. haben sich besonders der Däne Gaye, Ticozzi, Pungileoni, Bottari, Gualandi, Gotti, Milanesi, Bertolozzi, Cavalcaselle und der deutsch schreibende Morelli (Lermolieff) um die italienische K. verdient gemacht. Für die Geschichte der niederländischen und deutschen Künstler sind die Sammelwerke von Karel van Mander, Joachim von Sandrart, Houbraken, Descamps die ersten Quellen gewesen, bis die urkundlichen Forschungen von Rombouts und van Lerius, van der Willigen, Vosmaer, Rooses, van den Branden, Génard, Bredius u. a.