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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Liechtenstein

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Liechtenstein.

nenverwaltung, der fürstlichen Hofkanzlei in Wien untersteht. Oberste Justizbehörde ist das k. k. Oberlandesgericht in Innsbruck. Für das Zivil- und Strafrecht gelten die österreichischen Gesetze. Die Staatsrechnung weist für das Jahr 1885 an Einnahmen 130,092 Guld. und an Ausgaben 116,044 Guld. österr. Währ. nach; die Staatsschuld beträgt 78,750 Guld. Das Militär ist seit 1868 aufgelöst, und die Bevölkerung ist gegenwärtig von der Wehrpflicht entbunden. Durch Vertrag vom 23. Dez. 1862 (erneuert 1876) bildet L. einen Bestandteil des allgemeinen österreichisch-ungarischen Zoll- und Steuergebiets und erhält infolgedessen jährlich etwa 200,000 Guld. von Österreich ausgezahlt. Münzen, Maße und Gewichte sind die österreichischen; auch die Post wird von Österreich verwaltet. Das Landeswappen enthält fünf Felder und einen Mittelschild, welcher das Zeichen von L. (Gold über Rot quer geteilt) enthält; die Landesfarben sind Rot und Blau. Hauptort des Fürstentums ist Vaduz. S. Karte "Tirol".

Geschichte. Das fürstliche, vormals gräfliche Haus L., eins der ältesten Geschlechter Österreichs, kommt zuerst im 12. Jahrh. und zwar in den Linien L.-Murau und L.-Nikolsburg vor. Die erstere, welcher der bekannte Minnesänger Ulrich von L. (1200-1275) angehörte, starb 1619 aus. Von der Linie L.-Nikolsburg stifteten Hartmanns IV. Söhne Karl und Gundakar, von denen der erste 1618, der zweite 1623 in den Fürstenstand erhoben wurde, 1585 zwei nach ihnen benannte Linien. Karl erwarb vom Kaiser Matthias 1614 das Fürstentum Troppau und von Ferdinand II. 1623 Jägerndorf. Sein Enkel Johann Adam Andreas erkaufte 1699 noch die reichsunmittelbare Herrschaft Vaduz und Schellenberg, das bis 1350 die Grafen von Schellenberg, bis 1397 die Grafen von Werdenberg, bis 1507 die Freiherren von Brandis, bis 1613 die Grafen von Sulz, endlich die Grafen von Hohenems besessen hatten, und erhielt für ein dem Kaiser gemachtes unverzinsliches Darlehen von 250,000 Guld. eine Stimme auf der Fürstenbank des schwäbischen Kreises. Mit ihm erlosch 1712 die ältere Karlsche Linie im Mannesstamm, und das beim schwäbischen Kreise stehende Kapital nebst Vaduz und Schellenberg kam an den Fürsten Joseph Wenzel Lorenz von der Gundakarschen oder Hartmannschen Linie. Diesem kaufte seines Vaters Bruder Anton Florian 1718 Vaduz und Schellenberg ab, und Kaiser Karl IV. erhob diese Herrschaften 1719 unter dem Namen L. zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum, daher sein Sohn Joseph Johann Adam 1723 für sich und seine männlichen Nachkommen auch auf dem Reichstag Sitz und Stimme erhielt. Als sein Sohn Johann Nepomuk Karl 1748 kinderlos starb, erbte Fürst Joseph Wenzel das Majorat und die Güter des Hauses. Nach dessen kinderlosem Ableben fielen 1772 seine Besitzungen an die Söhne seines Bruders Emanuel, Franz Joseph und Karl Borromeus, welche die beiden jetzt blühenden Linien des Hauses L. stifteten. Die ältere besitzt das Fürstentum L. nebst dem größten Teil der Güter in Österreich und Schlesien; die jüngere Kromauer Linie ist im Besitz des Karlschen Majorats als Sekundogenitur. Auf Franz Joseph (gest. 1781) folgte Aloys Joseph bis 1805, dann Johann Joseph (s. unten Liechtenstein 3), diesem 20. April 1836 sein Sohn Aloys (geb. 26. Mai 1796, gest. 12. Nov. 1858) und diesem sein Sohn Johann II., geb. 5. Okt. 1840. Im Besitz der Sekundogenitur war Prinz Karl, geb. 23. Okt. 1790, erblicher Reichsrat, Obersthofmeister des Kaisers von Österreich und General der Kavallerie, gest. 7. April 1865, und ist jetzt Prinz Karl Rudolf, geb. 19. April 1827, k. k. Kämmerer und Oberstleutnant. Vgl. Kaiser, Geschichte von L.-Vaduz (Chur 1847); Falke, Geschichte des fürstlichen Hauses L. (Wien 1868-83, 3 Bde.); v. Klenze, Die Alpwirtschaft im Fürstentum L. (Stuttg. 1879); Krätzl, Statistische Übersicht des gesamten Joh. Liechtensteinschen Güterbesitzes (4. Aufl., Brünn 1884).

Liechtenstein, 1) Joseph Wenzel, Fürst von, österreich. Feldherr und Staatsmann, geb. 19. Aug. 1696, machte 1716-20 die Feldzüge gegen die Türken mit und focht 1734 und 1735 unter dem Prinzen Eugen von Savoyen am Rhein. Er wurde 1735 als Gesandter nach Berlin verwendet, wo er dem Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich II., persönlich sehr nahe stand und manchen Dienst erwies. Von 1737 bis 1741 war er österreichischer Gesandter in Versailles. Im österreichischen Erbfolgekrieg focht er zuerst in Schlesien, dann in Böhmen, wo er 1742 die Schlacht bei Tschaslau mitmachte; im September 1745 übernahm er als Feldmarschall den Oberbefehl in Italien und erfocht 16. Juni 1746 den Sieg bei Piacenza über die Franzosen. Wegen Krankheit gab er aber den Oberbefehl bald wieder ab und widmete sich als General-Land-, Feld- und Haus-Artilleriezeugmeister nach seiner Genesung ausschließlich dem Artilleriewesen, dessen Reformator er mit Hilfe tüchtiger Ausländer (Alvson, Rouvroy "der Feuerteufel", Schröder und Jaquet) in Österreich wurde. Er starb, als wohlthätiger, gutherziger "Murrkopf" allgemein geachtet, 10. Febr. 1772.

2) Karl Joseph, Fürst von, österreich. General, Neffe des vorigen, geb. 20. Sept. 1730, trat früh in die österreichische Kavallerie und rückte während des Siebenjährigen Kriegs zum General auf. Beim Ausbruch des bayrischen Erbfolgekriegs 1778 stand er mit einem Korps von 18,800 Mann bei Leitmeritz, um die sächsische Grenze zu bedrohen und dem Feinde den Weg nach Bayern zu verlegen, vereinigte sich 8. Aug. bei Kosmanos mit Laudon und übernahm den Oberbefehl der zwischen der Elbe und der Isar aufgestellten Truppen. Im Türkenkrieg unternahm er als Oberbefehlshaber eines Armeekorps im April 1788 die vergebliche Belagerung von Türkisch-Dubitza. Er starb 21. Febr. 1789 als Feldmarschall.

3) Johann Joseph, Fürst von, österreich. General, Neffe des vorigen, geb. 26. Juni 1760 zu Wien, trat 1782, von Lacy geschult, in die Armee und nahm 1788-90 als Major am Türkenkrieg teil, mit persönlicher Tapferkeit vor Czettin. Während des Kriegs in den Niederlanden focht er mit Glück, und im Feldzug von 1794 erwarb er sich bei einem Angriff auf das französische Lager von Maubeuge den Grad eines Generalmajors. In der Schlacht an der Trebbia (17.-19. Juni 1799) entschied er den Sieg und ward dafür zum Feldmarschallleutnant befördert. Neuen Ruhm erwarb er sich bei Novi, Hohenlinden und Salzburg. Durch den Tod seines Bruders (im März 1805) kam er zur Regierung des Fürstentums; doch übernahm er nach dem Unglückstag von Ulm den Befehl eines aus den Trümmern verschiedener Heeresabteilungen formierten Armeekorps. Nach der Schlacht von Austerlitz, wo er mit seinen Truppen den Rückzug zu decken hatte, unterzeichnete er einen Waffenstillstand und 26. Dez. den Frieden von Preßburg. 1806 ernannte ihn der Kaiser zum Kommandierenden ob und unter der Enns sowie zum Kommandanten von Wien. Beim Ausbruch des Kriegs von 1809 erhielt er den Oberbefehl über das Kavallerie- und Grenadierreservekorps. Durch die Einnahme von