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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mündler; Mündlichkeit

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Mündler - Mündlichkeit.

hinterläßt. Zuweilen zerfallen immer neue Schichten, und es tritt brandige Verschwärung ein. Diese Zerstörung kommt nicht allzu häufig vor. Sie stellt die schwereren Formen der mit Quecksilbermißbrauch einhergehenden Mundentzündung dar oder setzt sich bei den Epidemien von brandiger Rachenbräune auf die Mundhöhle fort. Wenn sich die Schorfe abgestoßen und Geschwüre hinterlassen haben, so ist diese Form der Mundentzündung mit heftigen Schmerzen verbunden, welche durch Kauen und selbst durch Sprechen ins Unerträgliche gesteigert werden. Die Speichelabsonderung ist enorm vermehrt, und es entwickelt sich ein höchst unangenehmer Geruch aus dem Munde des Patienten. Unter 8-14 Tagen pflegt das Befinden des Kranken sich selten einigermaßen zu bessern. Fleißiges Ausspülen des Mundes mit Lösungen von chlorsaurem Kali oder mit Wasser und Rotwein im Beginn der Krankheit, später Bepinselung der Geschwüre mit einer Höllensteinlösung sind sehr zu empfehlen. Am wirksamsten, wenn auch ungemein schmerzhaft, ist das zeitweise Bestreichen der Geschwüre mit Höllenstein in Substanz. Eine eigne Art der brandigen Zerstörung der Mundschleimhaut kommt beim Wasserkrebs (s. d.) vor. Die Mundfäule (Stomakace) ist eine mit Geschwürsbildung einhergehende Entzündung der Mundschleimhaut, wobei die Absonderung der Mundflüssigkeit wie des Speichels in hohem Grad vermehrt ist und durch die auf der innern Mundfläche faulenden Epithelzellen ein höchst widriger und intensiver Geruch entsteht. Die Mundfäule kommt zu manchen Zeiten auffallend häufig, besonders bei Kindern, vor, und es hat fast den Anschein, als ob sie sich durch einen Ansteckungsstoff von einer Person auf die andre übertragen könne. Die Geschwüre der Mundschleimhaut rufen meist empfindliche Schmerzen hervor, welche durch das Sprechen und Kauen vermehrt werden. Der widrige Geruch aus dem Mund bessert sich bei häufig wiederholten Ausspülungen der Mundhöhle mit verdünntem Chlorwasser. Die Geschwüre selbst pflegen, wenn sie nicht zu tief gehen, bei der Anwendung des chlorsauren Kalis, welches man entweder als Gurgelwasser verwenden, oder in geringen Mengen von höchstens 2 g täglich schlucken lassen kann, überraschend schnell zu heilen. Wenn die Besserung länger auf sich warten läßt, so bepinselt man die Geschwürchen mit einer Höllensteinlösung. Die übrigen M. s. unter Schwämmchen, Skorbut, Syphilis, Zähne und Zunge.

Mündler, Otto, Kunstkenner, geb. 3. Febr. 1811 zu Kempten, studierte in München, Erlangen und Berlin Theologie, wurde dann Hauslehrer, siedelte aber 1835 nach Paris über, wo er sich dem Kunststudium zuwandte und 14. April 1870 starb. Er schrieb: "Essai d'une analyse critique de la notice des tableaux italiens du Musée national du Louvre" (Par. 1850). Außerdem lieferte er Beiträge zur 4. Auflage von Kuglers "Kunstgeschichte", Meyers "Künstlerlexikon", Zahns Ausgabe von Burckhardts "Cicerone" (Leipz. 1870), Lützows "Zeitschrift für bildende Kunst" etc.

Mündlichkeit, im modernen Prozeßrecht der Grundsatz, wonach im Zivil- wie im Strafprozeß die Erkenntnisse nach mündlicher Verhandlung der Sache erteilt werden; im Gegensatz zu dem Prinzip der Schriftlichkeit des frühern gemeinen deutschen Prozesses, wonach auf Grund der Akten entschieden wurde. Im Strafprozeß ist der Grundsatz der M. nach den meisten Strafprozeßordnungen nur für die Hauptverhandlung in erster Instanz durchgeführt; für das Vorverfahren ist er in der deutschen Strafprozeßordnung nicht anerkannt, ebensowenig für die Beschwerdeinstanz. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme einer Untersuchung kann ohne mündliche Verhandlung erledigt werden. In der Berufungs- und Revisionsinstanz kommt das Prinzip der M. nach deutschem Strafprozeßrecht wenigstens nicht unbedingt zur Geltung. Dagegen erfordert es der Grundsatz der M. oder, richtiger gesagt, der Unmittelbarkeit des Verfahrens, daß das Urteil in erster Instanz auf Grund einer vor dem Gericht stattgefundenen mündlichen Beweisaufnahme und nach unmittelbar gewonnener Überzeugung der zur Urteilsfällung berufenen Richter erfolge. Darum muß die Hauptverhandlung in ununterbrochener Gegenwart der Richter und ohne größere Unterbrechungen stattfinden. In der Verhandlung ist alles, was zur Urteilsfällung von Wichtigkeit, von dem Beschuldigten, Staatsanwalt, den Zeugen, Sachverständigen etc. mündlich vorzutragen, und nur das mündlich Vorgetragene ist bei der Urteilsfällung zu berücksichtigen. Abgesehen von der Verlesung der unmittelbar als Beweismittel dienenden Schriftstücke ist die Verlesung von Schriftstücken nach der deutschen Strafprozeßordnung nur ausnahmsweise gestattet. Insbesondere darf die Vernehmung einer Person, auf deren Wahrnehmung der Beweis einer Thatsache beruht, nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden (deutsche Strafprozeßordnung, § 249). Dagegen geht die österreichische Strafprozeßordnung weiter, indem sie (§ 242) insbesondere in dem Fall, wenn geladene Zeugen oder Sachverständige ausgeblieben sind, die Befugnis gewährt, nach Anhörung der Parteien darüber zu entscheiden, ob die Hauptverhandlung vertagt oder fortgesetzt werden und statt der mündlichen Abhörung jener Zeugen oder Sachverständigen die Verlesung der in der Voruntersuchung abgelegten Aussagen derselben erfolgen soll. Im Zivilprozeß war früher in Deutschland das Prinzip der Schriftlichkeit in solchem Maß das herrschende, daß die Gerichte lediglich auf Grund des ihnen in schriftlicher Form, sei es in Parteischriftsätzen, sei es in Protokollen, unterbreiteten Materials erkannten, und daß sie dabei nur dasjenige berücksichtigten, was in den Prozeßakten geschrieben stand. Das moderne Prozeßrecht hat mit diesem Grundsatz vollständig gebrochen. Die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 119) stellt im Anschluß an das französische System den Grundsatz auf, daß die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht eine mündliche sein müsse. Damit ist auch die strenge Gliederung des Verfahrens in besondere Prozeßabschnitte, namentlich die im frühern gemeinen Zivilprozeß durchgeführte Scheidung in das Stadium des Schriftenwechsels und das Beweisverfahren, hinweggefallen. Vielmehr können die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, ihre Beweismittel und Beweiseinreden bis zum Schluß derjenigen mündlichen Verhandlung geltend machen, auf welche das Urteil ergeht. Zudem ist dem Richter ein ausgedehntes Fragerecht eingeräumt, durch dessen Ausübung er auf möglichste Klarstellung und Ergänzung des Materials hinwirken kann. Auf der andern Seite macht die M. des Verfahrens die Schrift nicht ganz entbehrlich. So erfolgt im Anwaltsprozeß die mündliche Verhandlung auf Grund der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien, namentlich der schriftlichen Klage und der Klagebeantwortung. Zur Beurkundung wichtiger prozessualischer Vorgänge und