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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich, Kaisertum

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Österreich, Kaisertum (Konfessionen, Volksbildung).

wegen seiner historischen Bedeutung für die Heranbildung und Entwickelung des Reichs, wegen seiner alle andern Nationen Österreichs überragenden Kulturentwickelung und endlich auch deshalb, weil die deutsche Bevölkerung die einzige ist, welche sich über sämtliche Länder Österreichs verbreitet. In Hauptmassen zusammengenommen, gehören die Nordabhänge der Alpen, das Donauland, dann die Gebirgsstrecken des Böhmerwaldes, des Erz-, Riesen- und Sudetengebirges den Deutschen an, welche auch in vielen Sprachinseln in das slawische Gebiet hinübergreifen. Die Deutschen zählen 7,2 (mit Hinzurechnung der Israeliten sogar über 8) Mill. Von den slawischen Völkerschaften bewohnen die Tschechen den mittlern und südöstlichen Teil Böhmens, den größern Teil Mährens (mit Ausnahme des deutschen Anteils im S. und N.) und einen Teil Schlesiens (südöstlich von Troppau und westlich von Teschen); die Polen den ehemaligen Kreis Teschen in Schlesien und Westgalizien; die Ruthenen Ostgalizien und einen Teil der Bukowina; die Slowenen Krain und die angrenzenden Teile von Kärnten, Görz, Istrien, das Territorium von Triest und Südsteiermark; die Kroaten und Serben Istrien, die Quarnerischen Inseln und Dalmatien. Von den romanischen Volksstämmen sind die Westromanen (Italiener nebst Ladinern und Friaulern) in Südtirol, Görz-Gradisca, Triest und an den Küsten von Istrien sowie in den meisten Städten Dalmatiens seßhaft; die Rumänen wohnen in der Bukowina. Die Verbreitung der Israeliten ist sehr ungleich. In den Alpenländern, wo bis in die jüngste Zeit Anordnungen gegen ihr Seßhaftwerden bestanden, ist ihre Zahl höchst unbedeutend. Sehr zahlreich und in fortwährender Vermehrung durch Zuzug aus allen Ländern ist das israelitische Element in Wien und Umgebung, wo es eine große soziale Bedeutung erlangt hat. Ähnliches gilt von Triest. Auch in Böhmen, Mähren und Schlesien befreite das Jahr 1848 die Israeliten von vielen Hemmnissen der Verbreitung und Niederlassung, so daß ihre Zahl in Schlesien 1,5, in Böhmen 1,7, in Mähren sogar 2,05 Proz. der Bevölkerung erreicht hat. Prag war von jeher ein Hauptsitz des böhmischen Judentums. Sehr stark sind die Juden in Galizien und der Bukowina verbreitet, wo sie in den meisten Bezirken über 5, in vielen über 10 (in Krakau und Czernowitz über 30) Proz. ausmachen. Übrigens haben sich die Juden meist, ausgenommen etwa einen Teil der galizischen Juden, Einer Sprache und Nationalität und zwar meist der deutschen angeschlossen. Folgende Tabelle zeigt das ungefähre Verhältnis der Nationalitäten Österreichs in Prozenten:

^[Liste]

Deutsche 35,0 Proz. Kroaten u. Serben 2,6 Proz.

Tschechen 23,5 " Italiener 3,1 "

Ruthenen 12,8 " Rumänen 0,9 "

Polen 12,3 " Israeliten 4,5 "

Slowenen 5,2 " übrige Nationen 0,1 "

Die "übrigen Nationen" sind die an einzelnen Orten lebenden Magyaren (in der Bukowina), Albanesen (Borgo Erizzo in Dalmatien), Armenier (in Galizien und der Bukowina), Zigeuner u. a.

Religion.

Hinsichtlich der Religionsbekenntnisse überwiegen in Ö. weitaus die Katholiken. Sie betragen nach der letzten Zählung 91,35 Proz. der Gesamtbevölkerung, darunter 79,90 des lateinischen, 11,44 des griechischen und 0,01 Proz. des armenischen Ritus. Noch größer ist der Prozentsatz der Katholiken in den Alpenländern, namentlich in Salzburg, Tirol und Krain. Die Griechisch-Katholischen erheben sich in Galizien bis zu 42 Proz. Auf die griechisch-nichtunierte (griechisch-orientalische) Kirche kommen 2,22 Proz. der Bevölkerung, welche sich hauptsächlich in der Bukowina und in Dalmatien befinden. Im erstern Land machen sie über 70 Proz. der Einwohnerzahl aus. Die Evangelischen Augsburger Konfession betragen 1,31, Helvetischer Konfession 0,50 Proz.; in Schlesien steigen die Evangelischen auf 14, in Kärnten betragen sie 5 Proz. der Bevölkerung. Die Bekenner der Helvetischen Konfession finden sich meist in Böhmen und Mähren. Die Israeliten machen im ganzen 4,54 Proz. der Bevölkerung aus. Von ihrer Verteilung auf die einzelnen Länder war schon oben bei den Nationalitäten die Rede. Alle andern Bekenntnisse zählen nur 0,08 Proz. der österreichischen Bevölkerung zu ihren Anhängern. Die Veränderungen, welche sich durch Übertritt von einem Religionsbekenntnis zu einem andern ergeben, sind im Vergleich zu den Gesamtziffern höchst unbedeutend; eine Änderung der relativen Zahlen wird daher hauptsächlich durch die verschiedene Propagation der Anhänger der einzelnen Religionsbekenntnisse hervorgerufen. In dieser Hinsicht läßt sich beim Rückblick auf etwa 50 Jahre bei den Israeliten und bei den Evangelischen eine stärkere Tendenz zur Zunahme als bei den übrigen Konfessionen, namentlich den Katholiken beider Riten, konstatieren.

Was das Kirchenwesen betrifft, so gibt es für die katholische Kirche 9 Erzbistümer: Wien, Salzburg, Görz, Prag, Olmütz, Lemberg (hier 3, vom lateinischen, griechischen und armenischen Ritus) und Zara, nebst 25 Bistümern. Außerdem üben bischöfliche Jurisdiktion aus: die Generalvikare zu Feldkirch und Teschen, für Heer und Flotte der apostolische Feldvikar in Wien. Die katholische Kirche zählt in Ö. 17,150 mit der Seelsorge beschäftigte Geistliche, dann (in 890 Ordenshäusern) 6896 Mönche und 8727 Nonnen. Der altkatholischen Kirche gehören zur Zeit 3 Gemeinden (Wien, Warnsdorf und Ried) mit 3 Pfarrern an. Für die griechisch-orientalische Kirche besteht eine Metropolie (Czernowitz), unter welcher 2 Bischöfe stehen. Die Kirche zählt außerdem 412 Seelsorger und 131 Mönche. Die evangelische Kirche hat in Ö. die Presbyterial- und Synodalverfassung. Nach der Kirchenverfassung vom Jahr 1866 sind als Organe des Kirchenregiments eingeführt: für die Pfarrgemeinde das Presbyterium und die Gemeindevertretung, für das Seniorat der Senior mit dem Senioratsausschuß und die Senioratsversammlung, für die Superintendenz oder Diözese der Superintendent mit dem zugehörigen Ausschuß und der Versammlung, für die Gesamtheit der Superintendenzen der evangelische Oberkirchenrat in Wien (die oberste verwaltende Kirchenbehörde für beide Konfessionen) und die Generalsynode (die Vertretung der Gesamtgemeinde einer jeden Konfession, welche regelmäßig in jedem sechsten Jahr in Wien zusammentreten soll und namentlich die kirchliche Gesetzgebung behandelt). Die Augsburgische Konfession zählt 6 Superintendenzen mit 15 Senioraten, die Helvetische 4 Superintendenzen mit 7 Senioraten. Die Zahl der evangelischen Geistlichen beträgt 221.

Bildung und Unterricht; Wohlthätigkeit.

Die Bildung des Volkes in Ö. ist bei der bunten Zusammensetzung desselben und bei den Rasseneigentümlichkeiten der einzelnen Stämme eine sehr verschiedene. Auf höchster Stufe stehen die Deutschen, welchen sich unter den slawischen Völkerschaften zunächst die Tschechen, von den andern Nationen aber die Italiener anreihen. Auf dem tiefsten Stande der