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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostindien

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Ostindien (Grenzen, Bodengestalt).

kadiven bis zu den Philippinen; im engern Sinn Bezeichnung für das Britisch-indische Kaiserreich, häufig auch kurz Indien genannt. Auf dieses letztere beziehen sich allein die nachstehenden Ausführungen; die übrigen Teile des weitern O. sind in besondern Artikeln behandelt (s. Niederländisch-Indien, Siam, Malakka, Kambodscha, Anam, Kotschinchina etc.).

Lage, Bodengestalt und Bewässerung.

Das britisch-indische Kaiserreich begreift ganz Vorderindien und den westlichen Teil von Hinterindien; es erstreckt sich von 8 bis 37° nördl. Br. und seit Einverleibung des Königreichs Birma von 66° 44' bis 100° 40' östl. L. v. Gr. Es wird im N. begrenzt durch den Himalaja, im W. scheiden das Suliman- und das Brahuigebirge das Land von Afghanistan und Belutschistan, im Osten eine direkt von N. nach S. laufende Kette von Siam ab; im übrigen wird es vom Arabischen Meer, vom Indischen Ozean und der Bai von Bengalen umspült. In dieser Ausdehnung hat O. ein Areal von 4,253,750 qkm (77,252 QM.), was zwei Fünftel der Gesamtfläche Europas übersteigt. Nicht eingerechnet sind dabei die französischen Besitzungen (508 qkm) sowie die portugiesischen (3355 qkm) in Vorderindien, das sonst ganz in britischen Händen ist; von Hinterindien gehören England dagegen nur Manipur, die Provinz Britisch-Birma und das 1886 annektierte Königreich Birma. Die horizontale Gliederung ist eine sehr einförmige. Im NW. dringt der flache Golf von Katsch tief ein und trennt mit dem Sumpf Ran die Insel Katsch vom Festland; darauf bildet der enge und verschlammte Golf von Cambay mit den beiden genannten die Halbinsel Kathiawar. Die 1650 km lange Strecke bis zum Kap Comorin an der Südspitze der Halbinsel (zuerst Konkan-, dann Malabarküste genannt) verläuft ohne einen bedeutendern Vorsprung oder Einschnitt. Im südlichsten Teil ziehen sich Strandseen hinter schmalen Nehrungen hin. Gute Häfen gibt es wenige. Karatschi wurde erst mit großen Kosten zu einem Hafen geschaffen und ist mühsam zu erhalten. Dann folgen Mandawi, Diu, Gogo und Bhawnagar, Barotsch, Surate, Daman, die alle Bombay weit überflügelt, dessen vortreffliche Reede freilich noch mancherlei Einrichtungen für den Schiffsverkehr bedarf; dann Pandschim, Karwar, Kananor, Mahi, Beypur und Kotschin. An der Südspitze der Halbinsel bildet bei der Ramnarspitze die Insel Rameswaram den indischen Pfeiler der nach Ceylon hinüberführenden Adamsbrücke, welche den Golf von Manaar von der Palksstraße trennt. Die Ostküste der Halbinsel heißt zuerst Koromandelküste; sie ist in ihrer südlichen Hälfte mit Seen förmlich besäet (darunter der bedeutende Tschilkasee), zahlreiche Lagunen ziehen sich hinter dem niedrigen Küstensaum hin. Die einzigen vorspringenden Punkte sind die Deltabildungen der Flüsse. Die Koromandelküste besitzt nur offene Reeden; nennenswert sind Negapatam, Trankebar, Ponditscherri und vor allen Madras, trotz seiner unvorteilhaften Lage der dritte Hafen Indiens; dann folgen Kakinada und Kalkutta, 128 km vom Meer am Hugli, das nur Bombay nachsteht. Die hinterindische Küste ist weit besser gegliedert. Der Küste von Arakan ist eine Anzahl größerer Inseln vorgelagert; die Andamanen bilden die Fortsetzung der bei Kap Negrais ins Meer tauchenden Gebirgskette; östlich vom Irawadidelta dringt der Golf von Martaban ins Land, und die Küste von Tenasserim begleitet der Mergui-Archipel. Häfen sind hier: Mergui, Tavoy, Maulmain, Rangun, Bassein, Akyab und Tschittagong. Viel mannigfacher als die horizontale ist die vertikale Gliederung Ostindiens. Man kann in Vorderindien fünf Gebiete unterscheiden, zu denen als sechstes das hinterindische hinzutritt. Diese sind: das Himalajagebirge mit seinen vorgelagerten Ketten, die große Ebene, die sich von den Mündungen des Indus bis zu denen des Ganges ausdehnt, die Ebenen an der Meeresküste, ein nördliches und ein südliches Plateau, endlich das hinterindische Gebiet. Den Himalaja begleiten Längsketten, welche ziemlich schroff in die sich anschließend große Ebene abfallen. Dies ist die Region, die, noch des reichsten Anbaues fähig, in klimatischer Beziehung dem Europäer am meisten zusagt, weshalb die Engländer hier ihre Gesundheitsstationen (Simla, Dardschiling u. a.) für Truppen und Beamte angelegt haben. Am Südrand ziehen sich noch Parallelzüge von niedrigen Sandsteinhügeln hin, welche die fruchtbaren Längsthäler, die Duns, von der Ebene trennen. Der Südfuß des Himalaja ruht auf der indischen Tiefebene, die nach Bodencharakter und klimatischen Verhältnissen in zwei ganz verschiedene Teile zerfällt. Der Westen, mit dem Flußgebiet des Indus zusammenfallend, ist im wesentlichen ein Steppen- und Wüstenstrich; doch zieht sich im N. ein von zahlreichen Flußadern durchfurchter, hochkultivierter Landstrich hin. Den äußersten Nordosten nimmt dagegen das Salzgebirge ein, wo das reine Steinsalz in mächtigen Lagern auftritt. Östlich vom Indus breitet sich die nur in einzelnen Oasen bewohnte indische Wüste, der Thar, aus, deren südlichen Raum das Ran bildet, ein mächtiger, durch die Insel Katsch vom Meer getrennter Salzsumpf. Das östliche indische Tiefland wird fast in seiner ganzen Länge durch einen wenige Kilometer breiten Streifen sumpfiger Waldlandschaft vom Gebirge getrennt, das Tarai. Hart daran stößt die große Ebene von Hindostan, die, soweit der Einfluß des fließenden Wassers reicht, von unerschöpflicher Fruchtbarkeit, leider aber äußerst ungesund ist. Am Rande des Gangesdelta bilden die Sanderbands ein Gewirr zahlloser entstehender und vergehender Inseln voll dichten Urwaldes. Das vorderindische Hochland, welches den größern Teil der Halbinsel umfaßt, ist eine ringsum isolierte Bergmasse. Gewöhnlich wird es als Dekhan bezeichnet, doch beginnt dies eigentlich erst beim Durchbruch der Tapti im W. Dort erheben sich steil die Westghats, eine Reihe in der Richtung des Meridians aneinander gesetzter Ketten, die, im Mittel bis 1500 m hoch, nur im S. höher aufsteigen, wo die Nilgiri den Abschluß bilden und sich bis 2546 m erheben. Hier sind die Gesundheitsstationen Mahabaleschwar und Puna. Die östliche Küstenebene wird begrenzt durch die Ostghats. Zwischen beiden Ghats breitet sich eine große, 600-700 m hohe, größtenteils trockne und steppenartige Plateaumasse aus. Das nördliche zentralindische Plateau beginnt im S. mit dem Satpuragebirge; im W. ist die waldreiche Hochebene durch die schmale und steile Arawalikette begrenzt, die zugleich das Bollwerk gegen den Sand der indischen Wüste bildet; an der Nordseite des Thals der Narbada zieht sich die langgestreckte Windhyakette hin. Die Ebenen an der Meeresküste, im Osten der Halbinsel viel breiter als im W., sind wohlbewässert und haben eine üppige Vegetation; zwischen Kap Comorin im S. und der Godaweri im N. sind sie durch ihre Reisernten die Kornkammer Indiens. Hier treten regelmäßig die Monsune auf; die Bai von Bengalen und ihre Uferländer sind von Drehstürmen (Cyklonen) stark heimgesucht. Der in Hinterindien gelegene Teil