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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reptilien

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Reptilien (Anatomisches und Physiologisches).

(Schildpatt) überdeckt. Auch bei den Krokodilen finden sich Knochenplatten. Die Färbung der Haut rührt von Pigmenten her, welche in den verschiedenen Schichten derselben liegen und häufig den Tieren einen Farbenwechsel gestatten (s. Chromatophoren), der namentlich beim Chamäleon auffällig wird. Drüsenartige Bildungen kommen besonders bei Eidechsen an der Innenseite des Oberschenkel und in der Nähe des Afters, bei den Krokodilen zu den Seiten des Afters und an den Seiten der Unterkieferäste, auch bei den Schildkröten vor, und oft sondern diese Drüsen ein nach Moschus riechendes Sekret ab. Das Skelett ist fast gänzlich knöchern, befindet sich also auf einer höhern Stufe als das der Amphibien, bei denen es noch viele knorpelige Teile aufweist. An der Wirbelsäule treten bereits Hals-, Brust-, Lenden-, Becken- und Schwanzteil schärfer hervor. Die Wirbelkörper sind bei den fossilen Gruppen noch bikonkav, wie bei den Fischen, sonst aber in der Regel vorn mit einer Gelenkpfanne, hinten mit einem Gelenkkopf versehen. Rippenbildungen finden sich fast allgemein und oft über die ganze Länge des Rumpfes verbreitet. Bei den Schlangen und schlangenähnlichen Eidechsen, welchen ein Brustbein fehlt, sind falsche Rippen an allen Wirbeln des Rumpfes, mit Ausnahme des ersten Halswirbels, eingelenkt und zum Ersatz der fehlenden Extremitäten zu sehr freien Bewegungen befähigt. Der Schädel ist bis auf wenige knorpelig bleibende Teile völlig verknöchert und hat in mancher Beziehung Ähnlichkeit mit dem der Vögel. Extremitäten und die sie stützenden Knochenstücke (Schultergürtel und Becken) fehlen den meisten Schlangen vollständig, nur bei einigen (Riesenschlangen) finden sich in der Aftergegend Spuren von Hinterbeinen, welche aber bis auf das nageltragende Endglied ganz unter der Haut versteckt bleiben. Bei den Eidechsen zeigen sie sehr verschiedene Stufen der Ausbildung, können gänzlich fehlen oder stummelförmig sein, sind jedoch meist gut ausgebildet und mit fünf Zehen versehen. Die letztern sind mitunter durch Schwimmhäute verbunden, oder es werden sogar die Extremitäten selbst zu Ruderfüßen (Seeschildkröten). Zu Flugorganen waren die Vorderfüße bei den fossilen Pterodaktylen umgebildet.

Das Nervensystem erhebt sich entschieden über das der Amphibien. Am Gehirn treten die Hemisphären durch ihre ansehnliche Größe bedeutend hervor und beginnen bereits das Mittelhirn zu bedecken. Das kleine Gehirn zeigt eine von den Schlangen bis zu den Krokodilen fortschreitende Entwickelung und erinnert bei den letztern an das der Vögel. Auch die Sinnesorgane zeigen im allgemeinen höhere Entwickelung als bei den Amphibien. Bei Schlangen und andern R. fehlen die Augenlider und sind durch eine durchsichtige Kapsel ersetzt; bei den übrigen R. sind aber zwei vorhanden, und dann wird das untere über den Augapfel hin nach oben gezogen. Meist findet sich auch am innern Augenwinkel eine besondere Nickhaut. Die Pupille ist in der Regel rund, bei den Krokodilen stets eine vertikale Längsspalte. Das Gehörorgan besitzt eine schlauchförmige, nicht gewundene Schnecke, meist auch eine Paukenhöhle mit Eustachischer Röhre und Trommelfell. Als erste Anlage eines äußern Ohrs kann eine Hautklappe über dem Trommelfell der Krokodile gelten. Das Geruchsorgan ist besonders bei Schildkröten und Krokodilen gut entwickelt. Die Zunge dient bei zahlreichen Schlangen und Eidechsen zum Tasten, in andern Fällen als Fangorgan und ist dann wohl kaum Träger des Geschmackssinns; doch finden sich außerdem eigentümliche Sinnesorgane bei Schlangen und Eidechsen in der Mundhöhle.

Da die R., bis auf wenige Schildkröten, von tierischen Stoffen leben, so zeigen die Verdauungsorgane große Übereinstimmung. Zahnlos sind nur die Schildkröten, besitzen dafür aber auf den Kiefern scharfe Hornschnäbel, welche gleich denen der Vögel gebraucht werden. Die übrigen R. sind mehr oder weniger reichlich mit konischen oder hakenförmigen Zähnen versehen, welche die Beute festhalten, aber nicht zerkleinern können. Selten besitzen die Zähne gezähnelte Kronen sowie Faltungen des Schmelzes oder der Zahnsubstanz und sind auch nur bei den Krokodilen und den nächstverwandten R. in die Kiefer fest eingekeilt, sitzen dagegen in der Regel denselben nur auf. Auch an noch andern Knochen der Mundhöhle können sich Zähne befinden. Bei den Giftschlangen werden bestimmte Zähne des Oberkiefers zu Giftzähnen (s. Schlangen). Die Zunge ist bei vielen Eidechsen breit und weich, bei andern mit Schuppen an dem freien Ende versehen, bei Schlangen in zwei Hornspitzen ausgezogen und in der Ruhe in einer Scheide verborgen, aus der sie hervorgeschnellt werden kann. Bei den Krokodilen ist sie flach und kurz. Vorschnellbar ist sie auch beim Chamäleon (s. d.). Speicheldrüsen finden sich bei Eidechsen und Schlangen. Die Speiseröhre, im allgemeinen kürzer als die der Vögel, ist verhältnismäßig weit und bei den Schlangen mit dem Mund und der Rachenhöhle einer großen Erweiterung fähig. Der Magen hält meist die Längsrichtung des Körpers ein und ist bei den Krokodilen durch seine rundliche Form und die Stärke der Muskelwandung dem Vogelmagen ähnlich. Stets ist er durch eine Pförtnerklappe vom Darm geschieden. Der Dünndarm ist verhältnismäßig kurz; nur bei den pflanzenfressenden Landschildkröten übertrifft er die Körperlänge um das Sechs- bis Achtfache. Der weite Enddarm beginnt in der Regel mit einer ringförmigen Klappe, oft auch mit einem Blinddarm und führt in die Kloake, welche mit runder Öffnung oder (bei Schlangen und Eidechsen) als Querspalte unter der Schwanzwurzel mündet.

Als Respirationsorgane dienen stets, auch im jugendlichen Alter, Lungen, welche als langgestreckte, geräumige Säcke mit maschigen Vorsprüngen der Wandung oder mit weiten, schwammigen Hohlräumen meist bis in den hintern Teil der Leibeshöhle hineinragen. Bei den Schlangen und schlangenartigen Eidechsen verkümmert oft die Lunge der einen Seite, während die der andern Seite sich um so mächtiger entwickelt. Auch gestaltet sich das hintere Ende derselben zu einem Luftreservoir, welches besonders während des langsamen, die Atmung hindernden Hinunterschlingens der ungekauten Nahrung von Bedeutung zu sein scheint. Allen R., mit Ausnahme der Geckonen und Chamäleontiden, fehlt die Stimme. Die Kreislauforgane weichen dadurch wesentlich von denen der Vögel und Säugetiere ab, daß in ihren Gefäßen zum Teil gemischtes Blut fließt. Die Vorkammern des Herzens sind zwar völlig getrennt, die Kammern dagegen stehen gewöhnlich durch eine weite Öffnung in der Scheidewand miteinander in Verbindung und sind nur bei den Krokodilen ganz selbständig. Das Blut ist kalt, denn die Körpertemperatur erhebt sich infolge langsamer Atmung nur wenig über die der Umgebung. Die Nieren liegen im hintern Teil der Leibeshöhle zu beiden Seiten der Wirbelsäule; die Harnleiter münden stets in die Kloake, doch sammelt sich von ihr aus bei den meisten Eidechsen und Schildkröten der Harn noch in einer