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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Richtige Mitte - Ricinus.

"Aufgaben und Methoden der heutigen Geographie" (Leipz. 1883); "Führer für Forschungsreisende" (Berl. 1886) u. a. - Sein Bruder Karl von R., kathol. Theolog, geb. 31. Jan. 1832, hat den Ruhm, einer der ersten katholischen Priester Deutschlands gewesen zu sein, die den Mut hatten, öffentlich ihre Nichtübereinstimmung mit den vatikanischen Dekreten vom 18. Juli 1870 zu erklären. Er that dies als Breslauer Domherr im Mai 1873, ward auf Ermunterung Reinkens' Altkatholik, trat aber bald danach (1875) zum Protestantismus über. Er starb 7. März 1876. Vgl. "Karl, Freiherr von R., früher Domherr in Breslau. Nach handschriftlichem Nachlaß und mütterlicher Erinnerung" (Leipz. 1877).

Richtige Mitte, s. Juste-milieu.

Richtmaß, s. v. w. Eichmaß.

Richtmünzen, von einem Fürsten ausgeprägte, genau justierte Münzen, welche den münzberechtigten Landständen als Vorbild dienen sollen, oft mit entsprechender Inschrift.

Richtpfennig, in den Münzstätten dasjenige Gewicht, nach welchem die einzelnen Münzplatten der größern und wertvollen Sorten vor dem Prägen abgewogen (gestückelt) werden. Das Richtpfennigteilchen der kölnischen (preußischen) Mark wog 0,357 Zentigramm und das Gramm 280,241 Richtpfennigteilchen derselben Mark. An die Stelle des Richtpfennigs ist seit 1857 das Tausendstelpfund mit weiterer dezimaler Einteilung getreten.

Richtscheit, gerade Latte, welche in Verbindung mit der Grund- oder Setzwage (s. d.) zum Abwägen von Horizontallagen bei Erdarbeiten, Mauerwerk etc. dient, wenn die Länge der Setzwage im Verhältnis zur Ausdehnung der abzuwägenden Fläche zu kurz ist.

Richtstäbchen, dünne eiserne Stäbchen, die zum Bezeichnen der Richtungslinie für Geschütze hinter erhöhten Scharten dienten, durch welche das Ziel direkt nicht sichtbar ist; sind durch Einführung der Richtvorrichtungen (s. Lafette) bei den gebogenen Kanonen außer Gebrauch gekommen.

Richtsteig (d. h. der Steig oder Weg des Gerichts). Bezeichnung für diejenigen mittelalterlichen Rechtsbücher (s. d.), welche das Prozeßverfahren behandeln (Rechtsgangbücher). Es sind: der im 14. Jahrh. durch Johann v. Buch verabfaßte R. Landrechts, welcher im Anschluß an den Sachsenspiegel (s. d.) das gerichtliche Verfahren darstellt (beste Ausgabe von Homeyer, Berl. 1857), und der vermutlich um dieselbe Zeit entstandene R. Lehnrechts, der das Verfahren in Lehnssachen zum Gegenstand hat.

Richtung, militärisch die gerade Linie, in der Truppen aufgestellt sind oder sich bewegen; eine Truppe einrichten, ihre Fronte in eine bestimmte gerade Linie bringen. R. beim Schießen, s. Schießen.

Richtungskörper. Bei der Reifung der weiblichen Zellen hat man in neuerer Zeit einen ähnlichen Vorgang wie bei der Zellteilung beobachtet, nämlich die Ausdehnung des Zellkerns zu einer von zwei Polen begrenzten, spindelförmigen Figur, von der die eine Polhälfte gänzlich aus der Zelle hinausgedrängt und abgeschnürt wird. Man bezeichnet diesen der Befruchtung vorausgehenden Vorgang als die Ausstoßung des Richtungskörpers und hat über die Bedeutung desselben theoretisch sehr weitgehende Vermutungen aufgestellt. Die ältern Beobachter meinten, die Eizelle sei ursprünglich hermaphroditisch und stoße vor der Befruchtung ihren männlichen Anteil heraus; andre stellten die vielleicht wahrscheinlichere Meinung auf, daß sich das Ei durch diese Ausstoßung eines materiellen Teils gewissermaßen reinige und verjünge, um als wirkliche Ur- oder Anfangszelle die Neuentwickelung von unten auf beginnen zu können. Aber da diese Ausstoßung auch bei Eiern, die sich ohne Befruchtung entwickeln (s. Parthenogenese), eintritt und bei zur Befruchtung bestimmten Eiern zwei R. ausgestoßen werden, so hat Weismann die Ansicht aufgestellt, der Vorgang stehe in ganz bestimmter Beziehung zur Vererbung und bedinge die Variabilität der Organismen, die eben von dieser Entfernung gewisser Teile und Eigenschaften aus dem elterlichen Plasma abhänge. Die Hypothese ist indessen auf starken Widerspruch gestoßen. Vgl. Weismann, Über die Zahl der R. und ihre Bedeutung für die Vererbung (Jena 1887); Weismann und Ischikawa, Über die Bildung der R. in tierischen Eiern (Freiburg 1887).

Richtungswinkel, der Winkel zwischen der Seelenachse eines Geschützrohrs und der Horizontalen; liegt er über der letztern, so heißt er Erhöhungs-, unter derselben Senkungswinkel. Bei feststehender Ladung wächst die Schußweite mit dem Erhöhungswinkel bis zu etwa 40-43°, worauf sie wieder abnimmt. R. eines Sterns, s. Positionswinkel.

Richtvorrichtungen, s. Lafette.

Ricimer, weström. Heerführer, Sohn eines suevischen Häuptlings und einer Tochter des Westgotenkönigs Wallia, diente unter dem römischen Kaiser Avitus gegen die Vandalen, deren Flotte er an der Küste von Corsica vernichtete, stürzte sodann den schwachen Avitus und erhob 456 seinen Freund Majorianus, 461 Livius Severus auf den Thron. Nach dessen Tod (465) nahm R. selbst die Zügel der Regierung in die Hand; die bedrängte äußere Lage des Reichs bewog ihn aber 467, die Ernennung des Patriziers Anthemius, der ihm seine Tochter vermählte, zum Kaiser durch den oströmischen Hof zu dulden. Mit diesem bald zerfallen, zog R. in Mailand bedeutende Streitkräfte aus Germanien an sich, nahm nach dreimonatlicher Belagerung 11. Juli 472 Rom, ließ Anthemius ermorden und Olybrius auf den Thron setzen. 40 Tage später, 20. Aug., starb R., den Oberbefehl über sein Heer seinem Neffen Gundobald, einem Fürsten der Burgunder, hinterlassend.

Ricinus Tourn. (Wunderbaum), Gattung aus der Familie der Euphorbiaceen, baum-, strauch- oder krautartige Gewächse mit großen, wechselständigen, handförmigen Blättern, monözischen Blüten und trockner, dreigehäusiger, dreisamiger Kapsel. Die einzige Art, R. communis L. (Christuspalme, s. Tafel "Arzneipflanzen II"), ist in den Tropen ein mehr als 12 m hoher Baum, in Süditalien nur 3 bis 5 m hoch und zwei- bis dreijährig, weiter nördlich strauchartig, bei uns eine kräftige, einjährige Staude von 2,5-3 m Höhe mit sieben- bis elflappigen Blättern von 1 m Durchmesser, einfacher, bis 1 m langer Blütenrispe, mit oft größtenteils männlichen und nur an der Spitze weiblichen, oft fast nur weiblichen und wenigen männlichen Blüten an der Basis, unscheinbaren Blüten mit gelben Staubbeuteln oder roten Narben, trockner, rundlicher, dreiknopfiger, mit krautartigen Dornen besetzter oder nackter Kapsel, einsamigen, abspringenden Gehäusen und ovalen, etwas platt gedrückten, grau- oder blaßbräunlichen, braun gesprenkelten, bohnengroßen Samen mit weißer, fleischiger Samenschwiele an der Spitze. Der R. stammt wohl aus Ostindien, ist aber jedenfalls sehr früh als Kulturpflanze weit verbreitet worden, findet sich jetzt auch wild in Nordostafrika, in den mittelpersischen Gebirgen und im Kaukasus und ist so akkommodationsfähig, daß er noch bei Christiania