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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schérer; Scherf; Scherff

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Scherer - Scherff.

Tübingen Philologie, wurde 1865 Dozent der Litteraturgeschichte am Polytechnikum in Stuttgart, 1875 Professor und Bibliothekar an der königlichen Kunstschule daselbst. Seit 1881 lebt er privatisierend als Schriftsteller in München. Er veröffentlichte "Gedichte" (Leipz. 1864, 3. Aufl. 1870), worin er den schlichten und innigen Ton des Volksliedes glücklich traf, machte sich aber besonders bekannt durch seine anmutigen Kinderbücher und Liedersammlungen: "Illustriertes deutsches Kinderbuch" (5. Aufl., das. 1873; Bd. 2, 2. Aufl. 1876); "Der Osterhas" (2. Aufl., Nördling. 1850); "Deutsche Volkslieder" (2. Aufl., das. 1851); "Deutscher Dichterwald" (11. Aufl., Stuttg. 1885); "Alte und neue Kinderlieder etc." (3. Ausg., Gotha 1863); "Die schönsten deutschen Volkslieder mit ihren eigentümlichen Singweisen" (neue Ausg., Stuttg. 1880); "Deutsche Studentenlieder" (Leipz. 1856); "Rätselbüchlein für Kinder" (2. Aufl., das. 1873); "Gedichte" (das. 1864, Prachtausg. 1870); "Jungbrunnen" (Volkslieder, 3. Aufl., Berl. 1875); "Liederborn" (das. 1879); "Die Jahreszeiten", Kinderbuch in Liedern und Bildern (Wandsbeck 1883).

2) Wilhelm, Sprachforscher und hervorragender Litterarhistoriker, geb. 26. April 1841 zu Schönborn in Niederösterreich, begann 1858 auf der Universität zu Wien seine sprachwissenschaftlichen Studien, welche er seit 1860 in Berlin fortsetzte, habilitierte sich 1864 an der Wiener Hochschule und wurde nach Fr. Pfeiffers Tod zum ordentlichen Professor für deutsche Sprache und Litteratur ernannt. 1872 in gleicher Eigenschaft nach Straßburg berufen, entfaltete er hier eine äußerst fruchtbare Lehrthätigkeit, bis er im Herbst 1877 einem Ruf als Professor der neuern deutschen Litteraturgeschichte an die Universität Berlin folgte. Er starb daselbst, seit 1884 zum Mitglied der Akademie ernannt, 6. Aug. 1886. Von Scherers litterarischen Publikationen, die im wesentlichen deutsche Sprachwissenschaft und Litteraturgeschichte (letztere von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart) behandeln, sind hervorzuheben: "Denkmäler deutscher Poesie und Prosa" (mit Müllenhoff, Berl. 1864, 2. Aufl. 1873); seine Untersuchungen über die Litteratur des 11. und 12. Jahrh.: "Deutsche Studien" (Wien 1870-78, 3 Tle.), "Geistliche Poeten der deutschen Kaiserzeit" (Straßb. 1874), "Geschichte der deutschen Dichtung im 11. und 12. Jahrhundert" (das. 1875); ferner die Monographie "Jakob Grimm" (Berl. 1865, 2. erweiterte Aufl. 1885); "Zur Geschichte der deutschen Sprache" (das. 1868, 2. Ausg. 1878); "Vorträge und Aufsätze" (das. 1874); "Die Anfänge des deutschen Prosaromans" (Straßb. 1877); "Aus Goethes Frühzeit, Bruchstücke eines Kommentars zum jungen Goethe" (das. 1879) und seine "Geschichte der deutschen Litteratur" (Berl. 1883, 5. Aufl. 1889), welche sich als ein hochbedeutender Versuch zeigt, unter Berücksichtigung aller gewonnenen wissenschaftlichen Resultate, gleichsam aus der Mitte der Forschung heraus, eine allen Kreisen zugängliche, durch anmutig lebendige Darstellung ausgezeichnete Geschichte der Entwickelung der deutschen Nationallitteratur zu geben. Für O. Lorenz' "Geschichte des Elsasses" (3. Aufl., Berl. 1884) behandelte er die Litteratur des Elsaß und veröffentlichte außerdem "Notkers Psalmen" (mit Heinzel, Straßb. 1876) und "Aufsätze über Goethe" (Berl. 1886) sowie zahlreiche Abhandlungen litterarhistorischen und kritischen Inhalts in verschiedenen Zeitschriften. Mit ten Brink begründete er 1874 in Straßburg die "Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker"; auch war er Mitherausgeber der "Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Litteratur". Aus seinem Nachlaß erschien: "Poetik" (Berl. 1888).

Schérer (spr. -rär), 1) Barthélemy Louis Joseph, franz. General, geb. 18. Dez. 1747 zu Delle bei Belfort, trat in österreichische, dann in holländische Kriegsdienste und wurde 1791, nach Frankreich zurückgekehrt, Kapitän in einem Linienregiment. 1793 machte er als Generaladjutant des Generals Beauharnais den Feldzug am Rhein mit, ward 1794 zum Divisionsgeneral befördert und erhielt den Oberbefehl über eine Division der Sambre- und Maasarmee. Da er mehrere belgische Städte eroberte und einige Vorteile über die Österreicher erfocht, ward er 1795 mit dem Oberkommando der Alpenarmee betraut, vertauschte es bald darauf mit dem der Ostpyrenäenarmee. Nach dem Baseler Friedensschluß übernahm er an Kellermanns Stelle den Oberbefehl in Italien, gab denselben aber, da ihm seine Unthätigkeit nach dem Sieg bei Loano (23. und 24. Nov.) zum Vorwurf gemacht ward, 23. Febr. 1796 an Bonaparte ab. Im Juli 1797 erhielt er vom Direktorium das Kriegsministerium, mußte jedoch wegen seiner Unfähigkeit 1799 wieder davon zurücktreten und wurde an Jouberts Stelle abermals nach Italien geschickt. Aber 26. März bei Pastrengo, am 30. bei Verona und 5. April bei Magnano von den Österreichern unter Kray geschlagen und hinter den Mincio und Oglio zurückgedrängt, trat er das Kommando an Moreau ab und zog sich hierauf auf sein Landgut Chauny (Ain) zurück, wo er 19. Aug. 1804 starb. Zu seiner Rechtfertigung schrieb er: "Précis des opérations militaires de l'armée de l'Italie depuis le 21 ventôse jusqu'au 7 floréal de l'an VII" (Par. 1799).

2) Edmond, franz. Theolog der kritischen Schule, geb. 8. April 1815 zu Paris, studierte in England und zuletzt in Straßburg Theologie und wurde 1845 in Genf Professor der Exegese. Als sich aber seine inzwischen anders gewordenen religiösen Überzeugungen mit dieser Stellung nicht mehr vertrugen, trat er (1850) zurück und wurde ein Haupt der liberalen Bewegung innerhalb der französisch-protestantischen Kirche, unter der Republik auch lebenslängliches Mitglied des Senats. Neben einer ausgebreiteten journalistischen Thätigkeit an der "Bibliothèque universelle" in Genf und am "Temps" in Paris schrieb er: "Mélanges de critique religieuse" (Par. 1860); "La critique et la foi" (das. 1850); "A. Vinet, sa vie, ses écrits" (das. 1853); "Lettre à mon curé" (1853, 2. Aufl. 1859); "Études sur la littérature contemporaine" (1863-82, 7 Tle.); "Mélanges d'histoire religieuse" (2. Aufl. 1865); "Études critiques de littérature" (1876); "Diderot" (1880); "Melchior Grimm" (1887) u. a.

Scherf (Scherflein), alte deutsche Scheidemünze in Ober- und Niedersachsen, meist von ½ Pfennig Wert (daher auch Helbling, Helbing).

Scherff, Wilhelm von, Militärschriftsteller, geb. 6. Febr. 1834 zu Frankfurt a. M., trat 1852 in die preußische Armee, machte die Feldzüge von 1866 und 1870 als Generalstabsoffizier mit, war 1878-79 Mitglied der Grenzregulierungskommission in Bulgarien, wurde nach seiner Rückkehr Kommandeur des 29. Infanterieregiments, 1882 Chef des Generalstabs des 11. Armeekorps, 1883 Brigadekommandeur, 1888 Generalleutnant und Kommandeur der 33. Infanteriedivision in Straßburg. Er schrieb: "Gymnastik und Fechtkunst in der Armee" (Berl. 1858); "Anleitung zum Betrieb der Gymnastik" (anonym, das. 1861); "Zur Taktik der Zündnadelinfanterie" (das.