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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwungschaufel; Schwunsch; Schwuppe; Schwur; Schwurgericht

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Schwungschaufel - Schwurgericht.

Arbeitsmaschinen von Wichtigkeit, bei welchen Arbeits- und Leergangsperioden miteinander abwechseln, z. B. bei vielen einfach wirkenden Pumpen, bei Stoß-, Durchstoß-, Präge-, Stanz-, Schienenrichtmaschinen, bei Walzwerken etc. Zum Betrieb einer solchen Maschine steht in der Regel eine dem Durchschnittswiderstand entsprechende Kraft zur Verfügung, die für sich zur Vollführung der Arbeitsperiode nicht ausreicht, weshalb die während der Leergangsperiode im S. aufgespeicherte lebendige Kraft zu Hilfe genommen werden muß. Die Schwungräder bestehen, wie alle Räder, aus dem Kranz, der Nabe und den beide verbindenden Armen oder Speichen, welch letztere bei kleinen Schwungrädern auch wohl durch eine volle Scheibe ersetzt sind. Der Kranz hat meist einen rechteckigen oder elliptischen Querschnitt, wird jedoch auch mehrfach nach Art von Zahnrädern, Riemen oder Seilscheiben ausgebildet, um zugleich zur Kraft Übertragung benutzt zu werden. Große Schwungräder wirken bei demselben Gewicht und derselben Umdrehungszahl kräftiger als kleine, weshalb man den Schwungrädern gern große Durchmesser gibt; doch darf man damit nicht zu weit gehen, weil sonst infolge der zu großen Umfangsgeschwindigkeit und der dadurch hervorgerufenen übermäßigen Zentrifugalkraft ein Zerreißen des Schwungrades (Schwungradexplosion) stattfindet, wobei durch die äußerst heftig fortgeschleuderten Stücke großer Schade angerichtet werden kann. Vgl. Köchy, Über Schwungradexplosionen (Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß, Berl. 1886).

Schwungschaufel, s. Wurfschaufel.

Schwunsch, s. Grünfink.

Schwuppe, s. Brasse.

Schwur, s. v. w. Eid.

Schwurgericht (Assisen, Jury, Geschwornengericht, engl. Jury, franz. Jury, Cour d'assises), dasjenige Gericht, in welchem nichtrechtsgelehrte Richter aus dem Volke (Geschworne, engl. jurymen, franz. jures) im Zusammenwirken mit rechtsgelehrten Staatsrichtern (Schwurgerichtshof) urteilen. Die Eigentümlichkeit dieser auf dem europäischen Kontinent nur Strafsachen betreffenden Einrichtung liegt in der Nichtständigkeit der Gerichtsorgane, in der Verteilung der Rechtsprechung auf zwei ihrem Wesen nach verschiedene, in der Beratung und Urteilsfällung getrennte Kollegien, in der Verpflichtung gewisser Bürger zu unentgeltlichen ehrenamtlichen Gerichtsdiensten und in der Anwendung besonderer Regeln des Verfahrens, die sich von dem nur durch rechtsgelehrte Richter gehandhabten Strafprozeß unterscheiden. Was den Ursprung der Schwurgerichte anbetrifft, so hat Heinrich Brunner nachgewiesen, daß die allerältesten Anfänge des Schwurgerichts in dem Beweisverfahren der karolingischen Monarchie lagen und durch die normännische Herrschaft nach England verpflanzt wurden, um sich dort eigentümlich zu entwickeln. Am richtigsten wären daher die Schwurgerichte eine normännisch-englische Schöpfung zu nennen. Die älteste Form des Schwurgerichts ist die noch gegenwärtig in England bestehende, aber auf dem Kontinent nicht aufgenommene Ziviljury, beruhend auf dem altfränkischen Rechte des Inquisitionsbeweises, durch dessen ausnahmsweise von den Königen gestattete Zulassung das altgermanische Beweisverfahren mittels Zweikampfes oder Gottesurteils in gewissen Streitigkeiten umgangen werden konnte. Es wurden dabei bestimmte Fragen (inquisitio) den vom Richter einberufenen und eingeschwornen Gemeindegenossen der streitenden Parteien vorgelegt. Späterhin wurden diese Beweiszeugen (juratores) als eine Einheit oder Körperschaft (jurée, jurata) behandelt, um nicht von den einzelnen Mitgliedern, sondern von der Gesamtheit einen Ausspruch zu erlangen. In dieser Gestalt gelangte die Beweisjury von der Normandie nach England und trat dort in Zusammenhang einerseits mit den angelsächsischen, die normännische Eroberung überdauernden Gemeindeeinrichtungen, anderseits mit der eigenartig von den Königen zentralisierten Reichsjustiz. Aus dieser Beweisjury für Eigentumsprozesse, in der die Geschwornen als Zeugen erschienen, gestaltete sich in langsamen Übergängen schließlich die Urteilsjury, wahrscheinlich in der Weise, daß lange Zeit hindurch die Geschwornen nebeneinander eine Doppelstellung als Zeugen und Urteiler innehatten, ehe sie zu dem Amte des Urteilens endgültig gelangten. Weit später als die Ziviljury der Engländer entwickelte sich die Kriminaljury für Strafsachen und zwar in einer doppelten Grundgestalt: 1) als Anklagejury und 2) als Urteilsjury, von denen auch die erstere noch heute den Engländern verblieben ist, ohne auf dem Kontinent Wurzel fassen zu können.

Der altgermanische Strafprozeß beruhte nämlich auf der strengen Regel des sogen. Anklageprinzips, wonach ohne eine vom Beschädigten erhobene Anklage der Richter nicht thätig werden durfte. Ein Einschreiten von Amts wegen (sogen. Offizialprinzip) war ausgeschlossen. In der karolingischen Zeit bildete sich indessen die eigentümliche, nachmals von der Kirche in ihren Sendgerichten nachgebildete Einrichtung eines Frageverfahrens, der Rüge, wobei von königlichen Beamten die Gemeindegenossen von Zeit zu Zeit eidlich befragt wurden, ob in ihren Bezirken gewisse amtlich zu bestrafende Missethaten begangen worden seien. Durch die Normannen gelangte auch dieses Rügeverfahren nach England, woselbst es besonders darum einen fruchtbarern Boden fand, weil nach angelsächsischem Recht vermöge der Friedensbürgschaft (fridborg) die Gemeinden für gewisse in ihrem Bezirk begangene Verbrechen haftpflichtig waren. Bis zum 14. Jahrh. erhielt sich der Brauch dieser Rügejury; das Verfahren hieß Presentement oder Indictement. Der Gerügte verteidigte sich ursprünglich durch Gottesurteil, später durch eine Beweisjury. Im 14. Jahrh. aber trat an Stelle dieser alten, aus 12 Personen bestehenden Rügejury eine neue Form unter dem Titel der Großen Jury (grand inquest), bestehend aus 24 der Grafschaft entnommenen, vor den königlichen Justitiarien versammelten Geschwornen ritterlichen Standes. Mit der Ausbildung des friedensrichterlichen Amtes entstand in England fernerhin die bis auf die Gegenwart vererbte Übung der Quartalsitzungen (quarter sessions), in denen drei Friedensrichter zusammentreten, um in Verbindung mit einer sogen. Großen Jury Kriminaljurisdiktion auszuüben. Die englische Anklagejury, nachmals aus 23 Mitgliedern bestehend, streifte die Funktion des Rügens allmählich von sich ab und nahm dagegen ihrerseits Denunziationen und Informationen entgegen. Gegenwärtig reicht der öffentliche oder Privatankläger seine Anklageschrift bei der Anklagejury oder Großen Jury (grand Jury) ein, damit diese auf Grund ihrer Prüfung und vorläufigen Ermittelungen entscheide, ob die beschuldigte Person in den förmlichen Anklagestand versetzt werden solle oder nicht. Die Stimmen über den Wert dieser Einrichtung sind jedoch sehr geteilt. Von großer Bedeutung aber war die neben der Zivil- und Anklagejury sich entwickelnde Urteilsjury für Strafsachen. Nach altgermanischem Recht fand der Zeugenbeweis in Kriminalsachen keine Anwen-^[folgende Seite]