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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Spanische Litteratur

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Spanische Litteratur (17. und 18. Jahrhundert).

ger, besonders bekannt durch sein Gedicht auf seine Leier; ferner Juan de Jauregui (gest. 1641), der Übersetzer von Tassos "Aminta" und Verfasser einer Dichtung: "Orfeo", in fünf Gesängen; Francisco de Borja, Principe de Esquilache (gest. 1658), mehr durch seine Romanzen und kleinern lyrischen Gedichte als durch seine größern Werke ("Napoles recuperada") hervorragend; Vicente Espinel (gest. 1634), der teils in italienischen Silbenmaßen, teils im altspanischen Stil dichtete, auch eine neue Art eigentümlich gereimter Dezimen (die sogen. Espinelen) einführte. Vorzugsweise in der pastoralen und der epischen Dichtung glänzte Bernardo de Balbuena (gest. 1627), Verfasser des romantischen Heldengedichts "Bernardo" und des Schäferromans "El seglo de oro", während die "Selvas danicas" des Grafen Bernardino de Rebolledo (gest. 1676), eine Art Epos, worin die ganze Geschichte und Geographie Dänemarks versifiziert vorgetragen wird, und andre ähnliche Werke desselben Verfassers das Herabsinken der spanischen Poesie zu nüchternem Formenwesen kennzeichnen. Als trefflicher Lyriker, namentlich durch burleske Lieder und Romanzen ("Jacaras") glänzte ferner Francisco Gomez de Quevedo (gest. 1645), der auch auf andern Gebieten zu den ersten und geistvollsten Autoren gehört (s. unten). Von den übrigen Dichtern seien noch flüchtig erwähnt: der humoristische und schalkhafte Balthasar de Alcazar (gest. 1606), Martin de la Plaza, der heldenhafte Gonzalo de Argote y Molina, Sänger patriotischer Lieder, auch Geschichtschreiber; Francisco de Figueroa, genannt der "spanische Pindar"; Luis Barahona de Soto, Verfasser der "Lagrimas de Angelica", einer eleganten und langweiligen Fortsetzung des "Rasenden Roland", die ungewöhnlichen Beifall fand; Francisco de Medrano, Luis de Ulloa, der schon als Dramatiker erwähnte Agustin de Salazar (gest. 1675), der sich durch seine "Cythara de Apolo" als blinder Anhänger des "Estilo culto" bewies; Agustin de Tejada, Pedro Soto de Rojas, Lopez de Zarate (gest. 1658), Verfasser des Epos "La invencion de la cruz"), die Nonne Ines de la Cruz aus Mexiko u. a. Eine Sammlung lyrischer Gedichte des 16. und 17. Jahrh., deren wesentliche Vorzüge in der hohen metrischen Ausbildung der Formen und der durchdachten, fein zugespitzten Konzeption bestehen, enthält Bd. 42 der "Biblioteca de autores españoles".

Auf dem Gebiete der Prosa traten nach den glänzenden Werken des Cervantes nur Leistungen von geringerm Belang hervor. Der Ritterroman war, besonders in den zahllosen Nachahmungen des "Amadis", zur Karikatur herabgesunken; auch der Schäferroman, obwohl noch von zahlreichen Schriftstellern, darunter von Lope de Vega ("Arcadia"), Luis Galvez de Montalvo ("Filida") u. a., kultiviert, verlor mehr und mehr in der Meinung des Publikums. Bei weitem größern Beifall fanden die Schilderungen der Sitten und gesellschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart, denen sich die vorzüglichsten Autoren jetzt mit Vorliebe zuwandten und zwar teils in Form kleinerer Novellen, in welcher Gattung Cervantes den Ton angegeben hatte, dem Geronimo Salas Barbadillo (gest. 1630), die Dramatiker Tirso de Molina ("Cigarrales de Toledo") und Perez de Montalvan ("Para todos") nebst einer ganzen Reihe anderer, wie Francisco Santos Vargas, Ribera, Prado etc., darunter auch zwei Frauen: Mariana de Carbajal (um 1633) und Maria de Zayas (um 1650), mit mehr oder minder Glück nacheiferten; teils in jenen berühmten Schelmenromanen nach dem Muster des "Lazarillo de Tormes" von Mendoza (s. oben), so in der witzigen "Historia del gran Tacaño" von Quevedo, in "Marcos de Obregon" von Vicente Espinel, in "Vida y hechos del picaro Gusman del Alfarache" von Mateo Aleman, in der "Picara Justina" von Franc. Lopez de Ubeda (Andres Perez), in der "Vida de Don Gregorio Guadaña" von Ant. Enriquez Gomez; in der berüchtigten Selbstbiographie von Estevanillo Gonzalez (1646) u. a. Eine dritte Reihe von Darstellungen des spanischen Lebens bilden die Erzählungen in jenem burlesk-phantastischen Stil, der zuerst von Quevedo in seinen fein, aber bitter satirischen "Sueños" und den witzigen "Cartas del caballero de la tentenaza" aufgebracht, dann von Velez de Guevaraz in seinem "Diablo cojuelo" u. a. weiter ausgebildet wurde. Mit der Zeit litt indessen auch die Prosa durch den Einfluß der Gongoristen und sank zu den Bizarrerien des Estilo culto herab; unter den Schriftstellern dieser Schule ist der bekannteste der Jesuit Baltazar Gracian (gest. 1658), von dessen Schriften besonders der "Criticon", eine Allegorie auf das menschliche Leben in Novellenform, und der einst vielbewunderte "Oraculo manual", eine Zusammenstellung von Regeln der Weltklugheit, zu erwähnen sind. Die Geschichtschreibung, deren Ausbildung durch religiösen und politischen Druck in jeder Weise behindert war, hat nach Mariana nur noch zwei Schriftsteller von Bedeutung aufzuweisen: Francisco Manuel de Melo (gest. 1665), der die Geschichte des Kriegs in Katalonien schrieb, und den schon als Dramatiker erwähnten Antonio de Solis, Verfasser einer Geschichte der Eroberung von Mexiko, die wie ein Heldengedicht in Prosa gemahnt, aber an Befangenheit des Urteils und Mangel an Objektivität leidet.

Vierte Periode.

Die vierte Periode, welche von der Thronbesteigung der Bourbonen (1701) bis auf unsre Zeit reicht, ist charakterisiert durch die Herrschaft des französischen Kunstgeschmacks und die schließliche Wiedergeburt der spanischen Litteratur, die sich durch Verschmelzung der nationalen Elemente mit der modern-europäischen Bildung allmählich vollzog. Nachdem die Litteratur lange Zeit in derselben Art von Marasmus gelegen, in welchen die ganze Nation seit dem Tode des letzten und unfähigsten Habsburgers, Karls II., unter dessen Regierung der letzte Schimmer von Spaniens ehemaliger Größe verschwand, versunken war, kam gegen die Mitte des 18. Jahrh. durch die bourbonische Dynastie ein neuer Geist, der französische, über die Pyrenäen, der bei der Verwilderung und Erschöpfung des alten Nationalgeschmacks als ein Regenerationsmittel bald Einfluß gewinnen mußte. Eingang verschaffte ihm namentlich Ignacio de Luzan (gest. 1754), der in seiner Schrift "La Poetica" (1737) die französisch-klassische Kunstlehre erörterte und damit sofort begeisterte Anhänger fand. Unter ihnen haben namentlich die Gelehrten L. J. Velasquez (gest. 1772) in seinen "Origenes de la poesia castellana" (1754) und Gregorio de Mayans (gest. 1782) in "Retorica" (1757) die Theorie Luzans weiter entwickelt. Gleichzeitig wirkte der Benediktinermönch Benito Geronimo Feyjoo (gest. 1764) durch seine "Cartas eruditas y curiosas" für Aufklärung des verdummten Volkes und Reform der Wissenschaften, während etwas später unter der aufgeklärten Regierung Karls III. José Franc. de Isla (gest. 1781) in dem satirischen Roman "Fra Gerundio de Campazas" ^[richtig: "Fray Gerundio de Campazas"] sogar gegen die Mißbräuche der Kirche zu Felde zog. Inzwischen war auch eine Reaktion des alten Nationalgeistes gegen