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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Staatsverfassung - Stabel.

Staatsverfassung, Inbegriff der Bestimmungen, welche den Zweck eines Staats (s. d.), die dazu bestehenden Einrichtungen, Formen, Grenzen und Inhaber der Staatsgewalt und deren Verhältnisse zu den Staatsbürgern bezeichnen und regeln; dann Bezeichnung eines umfassenden Gesetzes (Konstitution, Charte, Grundgesetz), in welchem die Staats- und Regierungsform eines Landes verbrieft, auch der Urkunde selbst, welche darüber aufgenommen ist. Je nachdem eine solche S. einseitig von dem Staatsbeherrscher gegeben oder nach vorgängiger Vereinbarung mit Vertretern des Volkes erlassen worden ist, wird zwischen oktroyierter und paktierter (vereinbarter) Verfassung unterschieden. Insbesondere spricht man in der konstitutionellen Monarchie im Gegensatz zur absoluten von der bestehenden S., wonach der Monarch in der Gesetzgebung an die Zustimmung von Vertretern der Staatsbürger gebunden ist, sei es, daß diese nur für einzelne bevorrechtete Klassen (ständische Verfassung) oder daß sie zur Vertretung des ganzen Volkes berufen sind (Repräsentativsystem). Über die verschiedenen Arten der S. (Staatsformen) s. Staat.

Staatsvertrag, das zwischen zwei selbständigen Staaten getroffene völkerrechtliche Übereinkommen. Ein solches kann verschiedene Angelegenheiten betreffen, in welchen befreundete Staaten miteinander in Beziehung treten, so z. B. Rechtshilfe, Auslieferung von Verbrechern u. dgl. Besonders wichtig sind die Handels- und Schiffahrtsverträge. In konstitutionellen Staaten ist zum Abschluß von Staatsverträgen in der Regel die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich. Nach der deutschen Reichsverfassung bedürfen Verträge über Gegenstände, welche in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, zu ihrem Abschluß der Zustimmung des Bundesrats und zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Reichstags.

Staatsverwaltung, s. Verwaltung.

Staatswirtschaft, die Wirtschaft des Staats, umfaßt alle Thätigkeiten und Veranstaltungen, welche zur Befriedigung von Staatsbedürfnissen dienen, wird im engern Sinn auch oft als mit der Finanzverwaltung identisch betrachtet (vgl. Finanzwesen).

Staatswirtschaftslehre, Lehre von der Wirtschaft des Staats, Finanzwissenschaft, auch als gleichbedeutend mit Volkswirtschaftslehre (s. d.) gebraucht.

Staatswissenschaften (Kameralwissenschaften), im allgemeinen Bezeichnung für diejenigen Wissenschaften, deren Gegenstand der Staat ist. Sie sind teils erzählende und beschreibende (historische), teils erörternde (dogmatische), teils philosophische und teils politische. Zu der erstern Kategorie gehören die Statistik oder Staatenkunde, welche dermalige Zustände und Einrichtungen schildert, und die Staatengeschichte. Die staatswissenschaftliche Dogmatik dagegen behandelt systematisch Zweck, Wesen und Eigenschaften des Staats und seine rechtlichen Beziehungen, und zwar sowohl diejenigen unter den Staaten selbst (Völkerrecht) als diejenigen zwischen der Staatsgewalt und den Staatsangehörigen sowie zwischen den letztern untereinander (Staatsrecht). Sie handelt ferner von den Mitteln zur Erreichung des Staatszwecks (Verwaltungsrecht, Polizei- und Finanzwissenschaft). Die dogmatische Staatswissenschaft hat einen gegebenen Staat und dessen positive Satzungen zum Gegenstand, während die Staatsphilosophie nicht das, was ist, sondern das, was nach der Staatsidee sein soll, ins Auge faßt, und so entsteht namentlich der Gegensatz zwischen positivem und allgemeinem philosophischen Staats- und Völkerrecht. Die politische Behandlungsweise endlich betrachtet den Staat, seine Mittel und seine Zwecke vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit aus, und eben dadurch wird das Gebiet der Politik ebenso wie dasjenige der Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie) staatswissenschaftlich abgegrenzt.

Stab (lat. Scipio), im Altertum Auszeichnung für ältere Personen oder Könige (s. Zepter); außerdem war der S. in besonderer Form auch gewissen Priesterschaften, namentlich den Augurn, die damit die Weltgegenden bezeichneten, beigelegt, worauf ihn später in der christlichen Kirche der Bischof symbolisch als Hirt der Gemeinde trug (Hirtenstab, Bischofstab). Den S. als Attribut und Gerät der Zauberer (Zauberstab) führte schon im alten Chaldäa die "Dame (Göttin) des magischen Stabes", sodann Moses, Zoroaster und in der griechischen Mythe Hermes, der mit Hilfe desselben "Schlummer gibt und enthebt". Auch ist der S. Zeichen der richterlichen und oberherrschaftlichen Gewalt und trägt dann an der Spitze die Hand als Schwur- oder Machtsymbol. -

Als Ellenmaß war ein S. in Frankreich = 1,188 m, in Berlin = 1,75 Ellen, in Frankfurt a. M. = 2,166 Ellen. -

In der Baukunst, und im Kunsthandwerk (Möbeltischlerei) ist S. ein rundes Glied von verschiedener Form: als Astragal, Rundstab, gebrochener S. (s. Figur), gewundener S., gewunden mit Hohlkehlen etc. (vgl. Viertelstab).

^[Abb.: Gebrochener Stab.]

Stab (franz. État-major), die zu dem Kommando eines Truppenteils gehörigen Personen. Man unterscheidet den Oberstab (Offiziere und im Offiziersrang stehende Beamte), z. B. beim Bataillon: den Kommandeur, den Adjutanten, Arzt und Zahlmeister, und den Unterstab: die Schreiber, Ordonnanzen, Büchsenmacher u. dgl. Höhere Stäbe sind diejenigen der Armeen, Korps und Divisionen, welche neben einer größern Zahl von Offizieren etc. noch Geistliche, Auditeure, Post-, Kassen-, Proviant- und andre Beamte, dann zum Botendienst im Frieden die Stabsordonnanzen, zur Sicherung im Felde die Stabswachen umfassen. Vgl. Generalstab.

Stabat mater (lat., "die Mutter [Jesu] stand [am Kreuz]"), Anfangsworte eines geistlichen Textes in lateinischen Terzinen, der als sogen. Sequenz (s. d.) in der katholischen Kirche, besonders am Feste der sieben Schmerzen Mariä, gesungen wurde und wahrscheinlich von dem Minoriten Jacopone da Todi herrührt. Von den Kompositionen desselben sind die berühmtesten die von Palestrina, Pergolese und Astorga, aus neuerer Zeit die von Jos. Haydn, Winter und Rossini. Vgl. Lisco, Stabat mater (Berl. 1843).

Stäbchenalgen (Bacillarien), s. v. w. Diatomeen, s. Algen, S. 343.

Stäbchenbakterie, s. Bacterium.

Stabeisen, Schmiedeeisen in Stabform, auch Eisen- oder Stahlstangen von gleichmäßigem Querschnitt.

Stabel, Anton von, bad. Staatsmann, geb. 9. Okt. 1806 zu Stockach, studierte in Tübingen und Heidelberg die Rechte und trat 1828 in den Staatsjustizdienst. 1832 wurde er zum Obergerichtsadvokaten und Prokurator in Mannheim, 1838 zum Mitglied des dortigen Hofgerichts, 1841 zum Hofgerichtsrat und in demselben Jahr zum Professor der Jurisprudenz in Freiburg ernannt. 1845 wurde er Hofgerichts-^[folgende Seite]