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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sterblichkeit

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Sterblichkeit (statistisch).

gen, welche vorher am Leben waren. Dagegen versteht man unter Intensität der S. den Bruch, welchen man erhält durch Division einer Anzahl Gestorbener durch die Zeit, welche die Personen, aus denen jene weggestorben sind, während der Dauer des Absterbens zusammen durchlebt haben. Zu unterscheiden ist die S. einer gesamten Bevölkerung und diejenige einer Gruppe, insbesondere von gleichalterigen Personen. So kamen im Deutschen Reich im Durchschnitt der Jahre 1841-85 je auf 10,000 Köpfe der mittlern Bevölkerung 281,6 Todesfälle, die S. stellte sich demnach rund auf 0,028, dagegen findet man andre Zahlen für verschiedene Altersklassen. Die Feststellung der S. ist nicht allein für die Wissenschaft, sondern auch für die Praxis (Lebensversicherung, Gesundheitspflege etc.) von hoher Wichtigkeit. Eine Tausende von Jahren umfassende Erfahrung hat zu dem bekannten Satz geführt, daß jeder Mensch einmal stirbt. Wenn man auch das höchste überhaupt nur erreichbare Alter nicht kennt, so hat man doch beobachtet, daß die Zahl derjenigen, welche die Grenze von 90 und 100 Jahren überschreiten, außerordentlich klein ist. Man fand ferner, daß die S. verschiedener Altersklassen, sobald sie nur für genügend große Zahlen ermittelt wird, gewisse Regelmäßigkeiten aufweist. Diese Thatsache gab dazu Veranlassung, an der Hand von Volkszählungen Geburts-, Sterbelisten etc., Sterblichkeit (Überlebens-, Mortalitäts-) Tafeln oder Absterbelisten aufzustellen (die ersten von den Engländern Graunt 1661 und Halley 1691, vom Holländer Kerseboom 1742, vom Franzosen Déparcieux 1746, vom Schweden Wargentin 1766). Aus denselben ist die Absterbeordnung, d. h. die Art zu ersehen, wie eine Anzahl Gleichalteriger (Neugeborner) sich durch Absterben von Jahr zu Jahr mindert. Diese Tafeln haben nur dann eine Bedeutung, wenn sie aus großen Zahlen gewonnen werden. Sie geben alsdann die Wahrscheinlichkeit des Sterbens an, ihre Zahlen werden darum in Wirklichkeit um so mehr zutreffen, auf eine je größere Zahl von Personen sie angewandt werden. So wird die Zahl derjenigen, welche von 1 Mill. 30jährigen Männern in den nächsten zwölf Monaten sterben werden, nicht viel von 0,928 Proz. abweichen, während der Prozentsatz, welcher von einer gegebenen kleinen Anzahl wirklich sterben wird, erheblich größer oder kleiner sein kann. Dann dürfen die Tafeln nur auf solche Bevölkerungsmassen angewandt werden, welche denen gleichartig sind, die Gegenstand der Erhebung waren. Denn die S. ist verschieden je nach Wohnort (Stadt, Land, Gegend), Geschlecht (im allgemeinen geringere S. des weiblichen Geschlechts), Beruf (Gefahr für Gesundheit, Anstrengung, Aufregung), Zivilstand, Lebensweise, Gesundheitspflege, Wohlstand etc. So wird die Sterblichkeitstafel einer Versicherungsanstalt, welche nur genügend gesunde Personen aufnimmt, andre Zahlen aufweisen als diejenige, welche für die Gesamtbevölkerung eines Landes aufgestellt wurde. Aus den Sterblichkeitstafeln ist zunächst die Sterbenswahrscheinlichkeit für jedes Lebensalter zu ersehen. Ist die Zahl der n+1 - und die der n-jährigen Personen m_{n+1} und m_{n}, so ist die Sterbenswahrscheinlichkeit der n-jährigen (für das nächste Jahr) gleich m_{n+1} / m_{n}, die Wahrscheinlichkeit des Gegenteils (Überlebenswahrscheinlichkeit) ist gleich 1 - m_{n+1} / m_{n}. Die Wahrscheinlichkeit eines n-jährigen, in einem der nächsten vier Jahre zu sterben, ist m_{n+4} / m_{n}, wenn m_{n+4} die Zahl der übriggebliebenen n+4jährigen bedeutet. Dieselbe Zahl erhält man, wenn man die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Jahre miteinander multipliziert. Denn es ist m_{n+4} / m_{n} = ^[img].

Das mittlere Lebensalter (Durchschnittsalter, vie moyenne) einer Anzahl Personen (gleichzeitig Lebender oder Gestorbener verschiedenen Alters) ist gleich der Summe der Jahre, welche alle zusammen durchlebt haben, dividiert durch die Anzahl der Personen. Von demselben ist zu unterscheiden die nur an der Hand von Sterblichkeitstafeln als eine Wahrscheinlichkeit zu berechnende mittlere Lebenserwartung (auch mittlere Lebensdauer oder Vitalität genannt), dieselbe ist gleich der Summe der nach Maßgabe der Tafel noch zu verlebenden Jahre, dividiert durch die Zahl der Personen. Die wahrscheinliche Lebensdauer oder Lebenserwartung (vie probable) ist gleich der Anzahl von Jahren, nach deren Verlauf gerade die Hälfte einer gegebenen Anzahl (wahrscheinlich) gestorben sein wird. Für diese Zeit sind also Sterbens- und Überlebenswahrscheinlichkeit einander gleich (je gleich S). Nach der vom kaiserlichen Statistischen Amt aufgestellten deutschen Sterbetafel (1871-81) ist die S.:

Eben vollendetes Alter Zahl der Überlebenden Sterbenswahrscheinlichkeit für das nächste Jahr Mittlere (durchschnittliche) Lebenserwartung Wahrscheinliche Lebenserwartung

männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.

0¹ 104520 103692 0,2850 0,2453 34,0 37,1 34,2 39,6

0 100000 100000 0,2527 0,2174 35,6 38,5 38,1 42,5

1 74727 78260 0,0649 0,0636 46,5 48,1 53,2 56,3

2 69876 73280 0,0332 0,0326 48,7 50,3 54,6 57,7

3 67997 70892 0,0231 0,0225 49,4 51,0 54,6 57,7

13 61320 64390 0,0035 0,0039 44,1 45,8 47,4 50,2

20 59287 62324 0,0075 0,0061 38,5 40,2 41,2 44,0

30 54454 57566 0,0093 0,0097 31,4 33,1 33,2 35,6

40 48775 51576 0,0136 0,0122 24,5 26,3 25,3 27,6

50 41228 45245 0,0215 0,0160 18,0 19,3 18,0 19,6

60 31124 36293 0,0382 0,0329 12,1 12,7 11,5 12,3

70 17750 21901 0,0811 0,0747 7,3 7,6 6,5 6,7

80 5035 6570 0,1745 0,1683 4,1 4,2 3,3 3,4

90 330 471 0,3190 0,3138 2,3 2,4 1,8 1,8

100 2 3 0,5193 0,5180 1,4 1,2 1,0 0,9

¹ Einschließlich der Totgebornen, die Zahl 100,000 bedeutet die Lebendgebornen.

Die S. (Sterbenswahrscheinlichkeit) nimmt von Geburt an bis zum 13. Lebensjahr beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht ab; dann steigt sie mit einer kurzen Unterbrechung zuerst langsam, dann immer rascher bis zum höchsten Alter. Die S. des weiblichen Geschlechts bleibt mit Ausnahme der Zeit vom 9. bis 15., dann vom 27. bis zum 35. Lebensjahr stets hinter derjenigen des männlichen zurück. Die mittlere Lebenserwartung ist beim männlichen Geschlecht bis zum 50., bei dem weiblichen bis zum 54. Jahr kleiner und dann größer als die wahrscheinliche. Der Umstand, daß ermittelte Absterbeordnungen einen regelmäßigen Verlauf aufweisen, gab zur Aufstellung von Formeln Veranlassung, welche das Sterblichkeitsgesetz darstellen sollten, und aus denen die S., bez. die Zahl der Überlebenden für jedes Alter zu ermitteln sei (bereits Lambert für die Londoner Bevölkerung 1776, Th. Young 1826, Gompertz 1825 mit Erweiterungen von Makeham und Lazarus 1867, ferner Littrow 1832, Moser 1839,