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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Verjüngung - Verkehrssteuern.

die sich freiwillig in mehrere Stücke teilen und sich dann durch Neusprossung zu ebenso vielen vollständigen Individuen ergänzen.

3) Hat man auch das Auftreten niederer Tiere in immer neuen, veränderten Gestalten (s. Metamorphose) sowie die Häutung, Mauserung, Geweiherneuerung der Tiere etc. zu den Verjüngungserscheinungen gerechnet, ja manche Biologen, wie z. B. Schultz-Schultzenstein, betrachteten alles Weiterwachstum durch Hinzufügung gleichartiger Glieder als V., und im weitern Sinn gehört auch die geschlechtliche Fortpflanzung hierher, die das Lebewesen auf seine Anfangsstufe zurückführt. Vgl. A. Braun, Betrachtungen über die Erscheinung der V. in der Natur (Leipz. 1851), und die einschlägigen Schriften von Schultz-Schultzenstein (s. d.).

Verjüngung, in der Architektur das allmähliche Dünnerwerden eines Säulenschafts oder eines Pfeilers in der Richtung von unten nach oben; in der Perspektive das allmähliche scheinbare Kleinerwerden entfernter Gegenstände in dem Grad, als sie sich vom Auge entfernen. Diese subjektive Erscheinung muß auch in der perspektivischen Zeichnung zum Ausdruck gelangen; in verjüngtem Maßstab, s. v. w. in verkleinertem Maßstab. - Bei den Zimmerleuten ist V. s. v. w. Abschrägung eines Holzstücks; über forstliche V. s. Bestandsgründung.

Verkalkung, s. Kalcination und Verhärtung.

Verkämmen, s. Holzverband.

Verkaufsautomaten, selbstthätige Vorrichtungen zur Verabreichung von kleinern Gegenständen, die einen feststehenden Preis haben, beruhen auf dem Prinzip, daß das Einwerfen eines Geldstücks von einem gewissen Gewicht in eine hierzu bestimmte Öffnung einen Sperrhaken oder eine ähnliche Vorrichtung löst und damit das Inthätigkeittreten des Apparats bewirkt. Erreicht der eingeworfene Gegenstand das erforderliche Mindestgewicht nicht, so verbleibt der Automat im Zustand der Ruhe. Mit V. trat, soweit bekannt, zuerst P. Everitt in London auf. Seine Apparate lieferten Postkarten und gestempelte Briefumschläge gegen das Einwerfen einer dem Wert entsprechenden Münze. Die Sache schlief aber wieder ein, weil gar zu häufig wertlose Metallplatten von demselben Gewicht wie die betreffende Münze in den Einwurf gesteckt wurden. Diese Betrügereien sind der Hauptübelstand bei den V., und es wollte trotz aller Mühe nicht gelingen, denselben ganz zu steuern. Am verbreitetsten sind die selbstthätigen Wagen, zumal Betrug hier für den Unternehmer nicht obenein einen direkten Verlust zur Folge hat. Es bestehen ferner V., welche allerlei Naschwerk, Zeitungen, Bücher, Zigarren verabreichen, elektrische Schläge austeilen, Photographien aufnehmen und sie eingerahmt abliefern. Neuerdings entstanden auch Automaten, welche es jedem ermöglichen, die Kraft seiner Lunge, bez. Stimme zu prüfen, sowie solche, welche das Auswechseln von Leihbibliothekbüchern besorgen.

Verkaufskommission, s. Kommissionsgeschäft.

Verkaufsnota (Verkaufsrechnung), die dem Käufer vom Verkäufer ausgestellte Rechnung.

Verkaufsrennen, s. Selling-Stakes.

Verkaufsselbsthilfe (Selbsthilfeverkauf), das Recht des Verkäufers, bei Verzug des Käufers im Empfang der Ware die letztere nach vorgängiger Androhung öffentlich verkaufen zu lassen. Hat die Ware einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Selbsthilfeverkauf auch nicht öffentlich (»unterderhand«) durch einen Handelsmakler oder in Ermangelung eines solchen durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten zum laufenden Preis erfolgen. Der vorgängigen Anzeige bedarf es nicht, wenn die Ware dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzug ist. Von dem vollzogenen Verkauf muß der Verkäufer den säumigen Käufer sofort in Kenntnis setzen. Nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 343) hat der Verkäufer bei Empfangsverzug des Käufers die Wahl, ob er von der V. Gebrauch machen, oder gegen den Käufer auf Abnahme der Ware klagen, oder aber die Ware auf Kosten und Gefahr des säumigen Käufers in einem öffentlichen Lagerhaus oder bei einem Dritten niederlegen will (Hinterlegungsrecht).

Verkehr, im weitesten Sinn jeder Austausch von Waren (Tauschverkehr), Ansichten etc., daher mündlicher, schriftlicher V.; im engern Sinn der Transport, daher Verkehrsanstalten (Verkehrsmittel) schlechthin s. v. w. Transportanstalten.

Verkehrssteuern hießen früher die auf den Umlauf von Gütern gelegten Abgaben, wie Passagezölle, Brücken-, Wegegelder; zu denselben werden auch noch heute die in Frankreich, Italien, Österreich, England vorkommenden Transportsteuern gerechnet. Doch versteht man unter V. jetzt vorwiegend Abgaben, welche unter verschiedenen Benennungen (Kaufaccise in Baden, Konfirmationstaxe früher in Nassau, Handänderungsabgabe in einigen Kantonen der Schweiz, Registrierungsgebühr, bez. Enregistrement in Frankreich, Stempelsteuer etc.), ohne den Personal-, Ertrags- oder Aufwandsteuern zugerechnet werden zu können, den Verkehr mit Vermögenswerten belasten. Auch rechnet man denselben mancherlei unter dem Titel von Gebühren auftretende Abgaben zu, welche bei Gelegenheit bestimmter Handlungen oder bei gewissen Vorgängen an Sachgütern erhoben werden. Die wichtigsten derselben sind: I. Die Steuer vom Verkehr unter Lebenden. Hierher gehören:

1) die Immobiliarverkehrssteuer, welche bei Liegenschaftsveränderungen (Verkauf von Grundstücken) unter Lebenden erhoben wird oder auch die Nutzungen unbeweglicher Sachen bei der Vermietung oder Verpachtung trifft;

2) die Steuer vom Verkehr mit beweglichen Vermögenswerten, wie die Steuer auf Schenkungen unter Lebenden als Ergänzung der Erbschaftssteuer, auf quittierte Zahlungen (Quittungssteuer), auf Emission und Übertragung von Wertpapieren (Börsensteuer), überhaupt auf Geschäftsabschlüsse in Effekten oder auch in Waren (Umsatz-, Schlußstempel), auf Bildung oder Auflösung von Kapitalassociationen (Aktiengesellschaften, Genossenschaften), auf Spieleinlagen und Glücksgewinne etc.;

3) die Steuer auf Sicherungs- und Versicherungsverträge, insbesondere auf Realversicherungen;

4) auf den Verkehr mit Dienstleistungen, wie Schaustellungen, Konzerte (mehr zu den Aufwandsteuern gehörig);

5) auf Zeitungen, Annoncen, Vollmachten, Zeugnisse etc. (teils echte Aufwandsteuern, teils Gebühren, welche wegen ihrer Höhe Steuercharakter annehmen). II. Die Steuer vom Vermögensverkehr von Todes wegen als Erbschaftssteuer. Dann ist noch hierher zu rechnen III. das vom Besitz der Toten Hand erhobene Gebührenäquivalent, welches als Ersatzmittel von V. dient. Man hat die V. damit zu rechtfertigen gesucht, daß man sie als Gebühren auffaßte, welche für eine besondere Leistung des Staats entrichtet werden (Al. Meyer in der »Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft« 1864). Doch kommen solche Leistungen bei vielen V. überhaupt nicht vor. Insbesondere können die meisten V. nicht als Vergütungen dafür bezeichnet werden, daß der Staat das Eigentum garantiere, eine Begründung, welche nur in beschränktem Maß auf die Erbschaftssteuer Anwendung finden kann.