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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Westpreußen

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Westpreußen (Provinz).

ten, 120-180 m hohen Ebene senkt, in welcher am Schwarzwasser und an der Brahe die 112 m lange Tuchelsche Heide sich befindet. Im O. von der Weichsel tritt der Landrücken gleichfalls in großer Breite auf, indem er den ganzen Raum zwischen den Weichselwerdern und der untern Drewenz ausfüllt, mit einer durchschnittlichen Meereshöhe von 80-120 m. Mit dem Landrücken von Ostpreußen her in loser Verbindung stehen die Trunzer Berge bei Elbing, bis 198 m hoch. Die Ostsee bildet an der Küste einen Meerbusen, die Danziger Bucht, von der die durch die Halbinsel Hela gebildete Putziger Wiek ein Teil ist. Von dem Frischen Haff und der Frischen Nehrung gehört der südwestliche Teil hierher. Der Hauptfluß ist die Weichsel (s. d.), die an der Montauer Spitze sich in die Weichsel und Nogat, am Danziger Haupt in die Danziger und Elbinger Weichsel teilt. Auf der rechten Seite empfängt die Weichsel in der Provinz die Drewenz und die Ossa, auf der linken das Schwarzwasser, die Montau, die Ferse und die Mottlau mit der Radaune. Andre Flüsse sind: die Liebe (Alte Nogat), welche in die Nogat, der Elbing, welcher in das Frische Haff mündet, die Rheda, welche in die Putziger Wiek fließt, die Leba und Stolpe, welche in Pommern zur Ostsee gehen, und endlich die Küddow, welche aus Pommern kommt und südwärts zur Netze (in Posen) strömt, sowie die Brahe, die in Posen in die Weichsel mündet. Unter den Kanälen gehört der Elbing-Oberländische Kanal (s. d.) insofern hierher, als die beiden bedeutendsten Seen in seinem Bereich (der Drausen- und Geserichsee) nach W. hinüberreichen. Die Landseen sind zahlreich, aber weniger groß als in Ostpreußen. Die bedeutendsten sind außer dem Drausen- und Geserichsee der Sorgensee unweit Riesenburg, der Zarnowitzer See auf der pommerschen Grenze unweit der Ostsee, der Radaunesee und der kleine, aber schöne Mariensee auf der Platte von Karthaus, der inselreiche Weitsee am Schwarzwasser, der Groß-Ziethener und der Müskendorfer See an der Brahe und der Groß-Böttinsee westlich von Deutsch-Krone. Das Klima ist gesund, auf der Höhe des Landrückens aber rauh (Durchschnittstemperatur in Danzig 7,6, Hela 7,52, Schönberg auf der Platte von Karthaus 5,69, Konitz 6,65° C.). Die jährliche Regenmenge beträgt etwa 50 cm.

[Bevölkerung, Nahrungszweige.] Die Bevölkerung belief sich 1885 auf 1,408,229 Seelen gegen 1,405,898 im J. 1880. Unter den Einwohnern befanden sich 1885: 668,255 Evangelische, 701,842 Katholische, 13,438 sonstige Christen und 24,654 Juden. Die Mehrzahl sind Deutsche; die Zahl der Einwohner polnischer Zunge beträgt aber immer noch über 400,000. Auf die Städte kamen 394,802, auf das platte Land 1,013,427 Einw. Auf 1 qkm kamen im Regierungsbezirk Danzig fast 73, im Regierungsbezirk Marienwerder über 47 Einw. Von der Gesamtfläche der Provinz entfallen auf Ackerland, Gärten und Weinberge 54,7, auf Wiesen 6,5, auf Weiden 11, und auf Holzungen 21 Proz. In den Weichselwerdern, im Kreise Stuhm und im Kulmer Land findet vielfach Weizenbau statt, während sonst in der Provinz Roggen und Kartoffeln die Hauptfrüchte des Feldbaues sind. Auch Garten- und Obstbau blühen in den Weichselwerdern; in der Umgegend von Danzig hat sich auch eine nicht unbedeutende Blumenzucht entwickelt. In den höher gelegenen Teilen der Werder, zwischen Marienburg und Dirschau, ist auch der Bau der Zuckerrübe eingeführt worden. Im größten Gegensatz zu den fruchtbaren Werdern stehen die Kreise Schlochau, Konitz, Berent und Karthaus, vorzüglich in den Teilen, die an Pommern stoßen. Die Waldungen (besonders Kiefern) sind an der Brahe und dem Schwarzwasser und im Kreis Deutsch-Krone am bedeutendsten. Nach der Viehzählung von 1883 hatte die Provinz 202,602 Pferde, 454,834 Stück Rindvieh, 1,349,253 Schafe, 369,803 Schweine und 57,523 Ziegen. Die Pferdezucht, gefördert durch das westpreußische Landgestüt zu Marienwerder, erreicht in den Weichselwerdern den höchsten Standpunkt im preußischen Staat (Kreis Marienburg 26 Pferde auf 1 qkm); außerdem ist dieselbe noch im Kreise Stuhm von Bedeutung. In diesen Gegenden blüht auch die Rindviehzucht. Für die Zucht der Schafe und namentlich der Merinos bilden die Kreise Graudenz, Rosenberg und Kulm den Mittelpunkt. Der Edelhirsch ist selten; häufiger sind Rehe, Hasen und Füchse. Wölfe finden sich noch in der Tuchelschen Heide. Von Wichtigkeit sind die Zucht des Geflügels und die Fischerei. Aus dem Mineralreich gibt es Bernstein, Torf, Thon, auch einige Braunkohlenlager. Die Hauptbeschäftigungen der Bevölkerung sind: Landwirtschaft, die gewöhnlichen bürgerlichen Gewerbe, Handel, Schiffahrt und Schiffbau. Die Industrie ist nur in einigen Orten (Danzig, Elbing, Dirschau, Thorn) von Bedeutung; daselbst gibt es auch einige größere Eisenwerke. Ferner sind vorhanden: zahlreiche Sägemühlen, mehrere Glashütten, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien etc. Die Leinweberei als Nebenbeschäftigung wird auf dem Land stark betrieben. Der Handel ist nur in den Seestädten Danzig und Elbing von Bedeutung. Die Reederei der Provinz zählte 1888: 90 Seeschiffe, fast sämtlich zu Danzig gehörig. Den Binnenverkehr unterstützen die schiffbaren Gewässer und Eisenbahnen. Von den letztern ist nur die Linie Marienburg-Mlawka Privatbahn, die andern sind Staatsbahnen. Von letztern sind am wichtigsten die Linien: Berlin-Schneidemühl, Schneidemühl-Dirschau, Dirschau-Seepothen, Posen-Neustettin, Ruhnow-Konitz-Laskowitz-Jablonowo-Straßburg i. W.-Soldau, Thorn-Allenstein, Thorn-Marienburg, Bromberg-Dirschau, Hohenstein-Berent, Dirschau-Danzig, Praust-Karthaus, Danzig-Stargard i. P. Für die geistige Bildung sorgen 13 Gymnasien, 4 Realgymnasien, 4 Progymnasien, 4 Realprogymnasien, eine Landwirtschaftsschule, eine Handelsakademie, 6 Lehrerseminare, 4 Taubstummenanstalten, eine Blindenanstalt etc. Die Provinz, deren Hauptstadt Danzig ist, wird in 2 Regierungsbezirke geteilt: Danzig mit 12 und Marienwerder mit 15 Greifen. Für die Justiz besteht ein Oberlandesgericht zu Marienwerder mit den 5 Landgerichten zu Danzig, Elbing, Graudenz, Konitz, Thorn. In Bromberg befinden sich eine Generalkommission und eine Eisenbahndirektion, in Danzig und Bromberg Oberpostdirektionen. Militärisch gehört W. mit der östlichen Weichselseite und Danzig zum Bezirk des 1., mit dem Rest zu dem des 2. Armeekorps. In den deutschen Reichstag entsendet die Provinz 13, in das preußische Abgeordnetenhaus 22 Mitglieder. Die Landesfarben der Provinz sind Schwarz, Weiß, Schwarz. S. Karte »Ost- und Westpreußen«.

Über die älteste Geschichte Westpreußens s. Ostpreußen, Geschichte, S. 543-545. Nachdem W. durch den zweiten Frieden von Thorn 1466 unter die Hoheit Polens gekommen, genossen die westpreußischen Stände, durch deren Verrat besonders der Orden besiegt worden war, namentlich Danzig, zwar wichtige Privilegien; gleichwohl nahm die Polonisierung der Landbevölkerung und des kleinen Adels schon im 16. Jahrh. bedeutend zu, ebenso wurde die Reformation vom flachen Land fern gehalten, und