Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zucker

977

Zucker (Gewinnung des Rohproduktes).

reichlich Ammoniak. Die unlöslich gewordenen Stoffe bilden eine dicke, schmutzig graue Schlammdecke auf dem nunmehr klaren, goldgelben Safte, den man mit Hilfe des Heberrohrs von dem Schlamm trennen kann. Zur Abscheidung des bei der Scheidung überschüssig zugesetzten Kalks, welcher sich im Saft als Zuckerkalk gelöst findet, wird der Saft saturiert, d. h. man leitet mit Hilfe einer Pumpe oder eines Dampfstrahlgebläses Kohlensäure ein, die durch Verbrennen von Koks (im Kindlerschen Ofen) oder durch Brennen von Kalk gewonnen wird, und erzeugt dadurch eine Ausscheidung von kohlensaurem Kalk, dem sich noch gewisse, in dem kalkärmern Saft unlösliche Stoffe zugesellen. Vor der Saturation aber wird der geschiedene Saft gekocht, um das Gummi und den Farbstoff durch die Einwirkung des Kalks in einen Zustand überzuführen, in welchem beide durch Knochenkohle absorbiert werden. Diese ältere einfache Methode der Scheidung und Saturation ist in neuerer Zeit durch mannigfach modifizierte andre Verfahren verdrängt worden. Man erhitzt z. B. den Saft auf 80-85°, setzt 0,75 Proz. Kalk zu, saturiert schwach, klärt, setzt dem blanken Saft 0,5 Proz. Kalk zu, kocht lange und stark, saturiert fertig und klärt. Eine Pfanne für die Schlammsaturation zeigt Tafel I, Fig. 4. ab ist der Doppelboden, durch g tritt der Saft ein, und durch o wird der Kalk eingegossen. c führt den Dampf zwischen a und b, worauf er aus d entweicht; f ist der Lufthahn, e das Abflußrohr. Durch hi strömt die Kohlensäure in die durchlöcherte Röhre und aus dieser in den Saft; die Gase entweichen durch n. Das Ventil k führt Dampf in das Rohr l, um durch dünne Dampfstrahlen den Schaum niederzuschlagen. Statt dieser Pfanne wendet man auch allgemein viereckige Kasten an.

Zur Entsaftung des Scheide- und Saturationsschlammes benutzt man Filterpressen (Tafel I, Fig. 5), deren Einführung erst die Anwendung der neuen Methode ermöglicht hat. Sie bestehen aus Filterplatten a mit Saftrinnen, welche auf beiden Seiten mit gelochtem Blech bedeckt sind, und aus den mit diesen Platten und Leinwandtüchern alternierend in die Presse eingesetzten Rahmen b zur Bildung des Schlammkuchenraums. Beide werden mittels Knaggen auf die eiserne Stange c gehängt und mittels der Holzgriffe d und in die Löcher e gesteckter Bolzen verschoben und herausgenommen. In einer Verbreiterung des obern Teils der Rahmen oder Platten befindet sich eine Öffnung zum Durchtritt des Schlammes und eine zweite für den Dampfdurchgang; von der ersten Öffnung führen in den Rahmen b kleine Kanäle zu dem Schlammraum, von der zweiten Öffnung in den Platten a ähnliche Kanäle zu den Saftrinnen. Durch die Kappe f und die Schraube g werden sämtliche Platten fest gegeneinander gepreßt. Durch h leitet man den Schlamm und durch ein hinter h liegendes Ventil den Dampf ein, welche durch die von den entsprechenden Öffnungen der Rahmen und Platten (und Leinwandtücher) gebildeten Kanäle strömen. Der Schlamm gelangt durch die erwähnten Kanäle in den Schlammkuchenraum und gibt durch Filtration nach beiden Seiten seinen Saft ab, welcher die Saftrinnen hinabläuft und aus den Hähnen kk in die Rinne l gelangt, um bei m abzufließen. Kommt kein Saft mehr, so läßt man Dampf einströmen, der noch Saft herauspreßt und den Schlamm einigermaßen aussüßt, und nimmt schließlich die Presse auseinander. Die Schlammkuchen enthalten aber immer noch erhebliche Mengen Z., der auf die eine oder andre Weise daraus gewonnen werden kann.

Der geschiedene und saturierte Saft (Dünnsaft) mit 5-12, im Mittel etwa 10 Proz. Z. wird zur Reinigung von Farbstoff, Kalk, Salzen etc. durch Knochenkohle filtriert. Die Filter (Tafel I, Fig. 6) sind Cylinder aus Eisenblech a mit Mannlöchern b und c zum Einfüllen und Entleeren der gekörnten Knochenkohle und mit Doppelboden d aus gelochtem Blech, welcher meist mit einer Horde aus Flechtwerk und einem leinenen Tuch bedeckt ist. Das Standrohr e dient zum Einleiten von Dünnsaft, Dicksaft, Wasser oder Dampf, je nachdem man einen der Hähne f, g, h, i öffnet. Ist der Saft von oben nach unten durch das Filter gegangen, so steigt er bei geschlossenem Hahn o im Rohr k empor, um aus l in den Trichter m, der auf verschiedene Leitungen gesetzt werden kann, abzufließen oder durch ein bei n ansetzendes Übersteigrohr auf ein zweites Filter zu fließen und dieses, auch wohl noch ein drittes Filter zu passieren. Vor dem Einlassen des Safts in die Filter wird die Knochenkohle durch Dampf vorgewärmt, und nach der Erschöpfung der absorbierenden Kraft der Kohle leitet man Wasser hinein, um den noch im Filter befindlichen Saft zu verdrängen, worauf die Kohle zur Wiederbelebung entleert wird. Die Höhe der Filter schwankt von 3,8 bis 6, der Durchmesser von 0,5-3 m, und sie stehen in Batterien von 3, 5, 10 und mehr Stück nebeneinander.

Der filtrierte Dünnsaft wird in geschlossenen Apparaten durch Dampf und unter vermindertem Luftdruck verdampft. Der hierzu dienende Robertsche Verdampfapparat (Tafel II, Fig. 7) besteht aus drei stehenden Cylindern, welche im untern Teil ein System stehender Röhren nach Art der Lokomotivkessel enthalten. Der Dampf umspült die mit Saft gefüllten Röhren, und der aus dem Safte des ersten Cylinders entweichende Dampf heizt den zweiten Körper, und in diesem entwickelt sich der Dampf zum Heizen des dritten Körpers. Zu jedem Körper gehört ein Übersteiger (Tafel II, Fig. 7a), in welchem durch mannigfache Hindernisse, welche dem Dampfstrom entgegenstehen, die mitgerissenen Saftteilchen niedergeschlagen werden. Unter dem Übersteiger befindet sich ein Filter (Tafel II, Fig. 8), welches bei dem Übertreten des Safts aus einem Körper in den andern die während des Verdampfens unlöslich sich abscheidenden Körper zurückhält. Für die Erzeugung des luftverdünnten Raums in den Körpern sorgen die Kondensation durch Verdichtung des aus dem Saft sich entwickelnden Dampfes und eine Luftpumpe; eine besondere Rohrleitung vermittelt den Übertritt des Safts aus dem ersten in den zweiten und aus diesem in den dritten Körper, aus welchem er als Dicksaft mit 50-55 Proz. Z. kontinuierlich abfließt. Fig. 9 (Tafel II) zeigt die Vorrichtung zum Ablassen von Saftproben, welche sich an der Wand des Verdampfapparats befindet und bei geeigneter Stellung der beiden Hähne den obern Körper mit dem Saftraum in Verbindung setzt, so daß er sich mit Saft füllt, worauf diese Verbindung unterbrochen wird und durch andre Stellung der Hähne der Saft in den untern Körper abfließt.

Der Dicksaft wird abermals über Knochenkohle filtriert und zwar über ganz frische Kohle, worauf dieselben Filter noch zum Filtrieren von Dünnsaft benutzt werden. Der filtrierte Dicksaft (Klärsel, Kochkläre) wird im Vakuumapparat (Tafel II, Fig. 10) durch Dampf und unter vermindertem Luftdruck eingekocht. Das Vakuum ist eine große kupferne Kugel mit cylindrischem Aufsatz, dessen innere Einrichtung das Überkochen des Safts verhindern soll.