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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bouilhet; Boulanger

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Bouilhet - Boulanger

Bouilhet, Louis, franz. Dichter. Sein Leben beschrieben Angot (Par. 1885) und de la Ville de Mirmont (das. 1888).

Boulanger, 2) Gustave Rodolphe, franz. Maler, starb 22. Sept. 1888 in Paris.

3) Georges Ernest Jean Marie, franz. General, geb. 29, April 1837 zu Rennes, trat 1855 in, die Schule von St.Cyr, wurde 1856 Unterleutnant in der Infanterie und bald in das 1. Turkoregiment versetzt, in welchem er den Feldzug des Marschalls Randon nach Kabylien und 1859 den Krieg in Italien mitmachte, wo er 3. Juni bei Turbigo in die Brust geschossen wurde und die Ehrenlegion empfing. Seit 1860 Leutnant, nahm er am Kriege gegen China teil, wurde 24. Febr. 1862 bei Trai-Dau abermals verwundet und 21. Juli zum Kapitän befördert. 1864 nach Frankreich zurückgekehrt, ward er 1867 als Lehrer an die Schule von St.-Cyr berufen und 9 Nov. 1870 zum Befehlshaber des 114. Linienregiments in Paris ernannt, an dessen Spitze er 30. Nov. bei Champigny verwundet wurde. Im Januar 1871 zum Oberst befördert, zeichnete er sich in den Kämpfen der Versailler Armee gegen die Kommune aus, wurde 24. Mai wiederum verwundet und erhielt das Kommandeurkreuz der Ehrenlegion. Bei der Reorganisation der Armee ward ihm nur der Rang eines Oberstleutnants zuerkannt, erst 1874 erfolgte seine wirkliche Beförderung zum Obersten. 1880 zum General und Kommandeur der 14. Kavalleriebrigade in Valence ernannt, vertrat er 1881 Frankreich bei der 100jährigen Jubelfeier der Kapitulation von Yorktown in Nordamerika und erregte zum erstenmal die Aufmerksamkeit größerer Kreise. Als Direktor des Infanteriewesens im Kriegsministerium (seit 1882) widmete er sich mit Eifer der Verbesserung des Militärerziehungs- und Bildungswesens. 1884 zum Divisionsgeneral und Befehlshaber der Truppen in Tunis ernannt, geriet er mit dem französischen Ministerresidenten Cambon in Streit, so daß er abberufen wurde. Im Januar 1886 wurde er durch den Einfluß der Radikalen, besonders Clémenceaus, dem er sich aus Ehrgeiz angeschlossen, von Freycinet in das uon diesem neugebildete Kabinett als Kriegsminister berufen und begann seine Thätigkeit mit der Ausweisung der Prinzen von Orleans, namentlich des Herzogs von Aumale, aus Paris, obwohl er sich früher (1880) um dessen Gunst in unterwürfigen, schmeichlerischen Briefen beworben hatte. B. gestand die Echtheit dieser Briefe, welche veröffentlicht wurden, erst nach zweimaliger Ableugnung ein. Er beseitigte alle seine Nebenbuhler und Gegner aus den höhern Militärstellen und bewarb sich durch seine Erscheinung bei der großen Revue in Longchamps, wo er einen besonders dressierten Rappen ritt, um die Gunst des Publikums und durch Gründung des neuen Militärkasinos um die der Offiziere. Er ließ sich als den General feiern, von dem Frankreich die Revanche an Deutschland hoffen dürfe, hielt bei jeder Gelegenheit politische Reden, brachte einen neuen Heeresreformentwurf und ein Spionagegesetz in der Kammer ein und erhielt im Februar 1887 einen besondern Kredit von 86 Mill. Frank bewilligt, wie er denn auch sein Portefeuille im neuen Kabinett Goblet behauptete. Doch wurde sein Plan, einen Krieg mit Deutschland zu beginnen, nicht gebilligt, und als Goblet seine Entlassung nahm, weigerte sich der neue Konseilpräsident, Rouvier, ihm das Kriegsportefeuille zu lassen, da er sich, auf seine Popularität trotzend, allzu eigenmächtig gezeigt hatte. Er wurde im Juni 1887 zum Kommandeur des 13. Armeekorps in Cler-

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mont ernannt. Bei seiner Abreise von Paris (8. Juli) wie in Clermont wurden ihm von den Radikalen stürmische Huldigungen dargebracht, die er selbstgefällig entgegennahm. Erbittert gegen die herrschende republikanische Partei, die ihn hatte fallen lassen, und berauscht durch die ihm dargebrachten Huldigungen, beschloß B., eine politische Rolle zu spielen. Das Aufsehen und die Entrüstung, welche der Ordensschacher des Generals Caffarel und des Deputierten Wilson erregten, ermutigten ihn, in Paris, das er wiederholt heimlich ohne Urlaub besuchte, Verbindungen mit einem Teil der Radikalen und der Patriotenliga anzuknüpfen, nach der Abdankung Grévns gegen die Wahl Ferrys zum Präsidenten zu wählen und sich voll der neuen Partei »des nationalen Protestes« gegen die Unfähigkeit der Regierung und Kammer als Kandidaten für alle Ersatzwahlen aufstellen zu lassen. Die kühne That, welche manche Anhänger von ihm erwarteten, daß er sich nämlich durch einen Gewaltstreich des Präsidentenstuhls bemächtige, wagte er jedoch nicht. Nachdem er schon im Oktober 1887 wegen eines subordinationswidrigen Briefs in der Cassarelschen Sache mit 30tägigem Stubenarrest bestraft worden, ward er nun 14. März 1888 der politischen Umtriebe wegen seines Kommandos entsetzt und 27. März aus dem Militärdienst durch Urteil des Disziplinargerichts entlassen. Er trat nun ganz offen in die politische Agitation für Revision der Verfassung und Auflösung der gegenwärtigen Kammer ein und sammelte eine beträchtliche Anzahl Anhänger um sich; die Führer der Boulangisten waren Deroulède, Laguerre, Raquet, Dillon u. a. Die Menge in Paris begrüßte ihn, wo er erschien, mit Jubelrufen, und es flossen ihm so reichliche Geldmittel zu, daß er nicht bloß die Kosten der Agitationen bestreiten, sondern auch einen glänzenden Haushalt führen konnte. Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem herrschenden System sah in B. ihren Vertreter und ließ sich durch nichts an ihm irre machen. Das Norddepartement wählte ihn 8. April 1888 mit großer Mehrheit zum Deputierten, und bei seinem ersten Erscheinen in der Kammer (19. April) wurde er von der Menge auf den Straßen enthusiastisch begrüßt. Er beantragte 4. Juni die Revision der Verfassung, und obwohl er kein Redner war und 13. Juli im Duell mit dem Ministerpräsidenten Floquet, den er beleidigt hatte, sich verwunden ließ, verminderte sich sein Anhang nicht. Er wurde in mehreren Departements, 26. Jan. 1889 sogar in Paris mit großer Mehrheit zum Abgeordneten gewählt. Um ihn als Sturmbock gegen die verhaßte Republik zu gebrauchen, unterstützten die meisten Monarchisten B., obwohl derselbe sich in seinen Manifesten immer für die Republik, aber die wahre nationale Republik mit direkter Wahl des Präsidenten, erklärte. B. wollte durch seine wiederholten Wahlen gewissermaßen ein Plebiszit zu seinen gunsten herbeiführen, um sich als den Erwählten der Nation bezeichnen zu können. Jetzt erkannten die Republikaner die ihnen drohende Gefahr, und das neue Ministerium Tirard-Constans, das im März 1889 die Regierung übernahm, beschloß, B. und Genossen wegen Umtrieben gegen die Republik und Verführung von Soldaten beim Senat, der durch besonderes Gesetz zum Gerichtshof eingesetzt wurde, anzuklagen. Vor der drohenden Verhaftung entfloh B. 8. April nach Brüssel und begab sich auf Verlangen der belgischen Regierung Ende April nach London. Bei der Verhandlung der Anklage gegen B. vor dem Senat stellte sich namentlich heraus, daß er während seiner ministeriellen Verwaltung öffentliche Gelder im Betrag von 242,000 Fr.