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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Luftschiffahrt (meteorologische Beobachtungen)
den die nächsten Ballonfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken erst im 1.1850 von Barral und Bixio unternommen. Eine Vergleichung der Temperaturbeobachtungen ergab dabei, daß die Luftschichten in derselben Höhe zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden warm sind. Gay-Lussac beobachtete bei einer Lufttemperatur von 24,«" R. in der Nähe der Erdoberfläche in einer Höhe von 21,000 Fuß -7,6" R., während Varral und Bixio auf ihrer Luftreise bei einer Erhebung von 6-20,000 Fuß eine Nebelschicht fanden, in welcher nahe an der obern Grenze die Temperatur -8" R., aber unmittelbar über derselben -18,4" R. betrug. In einer Höhe von 21,000 Fuß zeigte das Thermometer -32" R. Nachdem die erüen Ballonfahrten die Wichtigkeit derartiger Beobachtungendar gethan hatten, wurden Luftreisen zu wissenschaftlichen Zwecken 1852 von Welsh in England angestellt und in den Jahren 1861-65 von Glaisher fortgesetzt.
Trotzdem auf diesen Ballonfahrten die Temperaturverhältnisse der höhern Luftschichten genauer untersucht wurden, sind die dabei erhaltenen Resultate doch nicht ausreichend, um ein richtiges Bild über die Temperaturen der obern Luftschichten in der warmen und kalten Jahreszeit zu geben. Daß dieselben aber sehr verschiedenartig sein können, geht zur Evidenz aus den auf diesen Ballonfahrten angestellten Beobachtungen hervor. Am 17. Aug. 1852 zeigte das Thermometer in einer Höhe von 11,000 Pariser Fuß -j-2 R., und 10. Nov. 1852 wurde dieselbe Temperatur bereits in einer Höhe von 4000 PariserFuß beobachtet. Auch sonstige Unregelmäßigkeiten treten auf. Am 12. Jan. 1864 nahm die Temperatur bis zu 1300 in zu und sank dann erst bei einer größern Erhebung. Am 6. April 1864 war dre Temperatur bis 100 in zwischen 7 und 8" C., sank dann bei einer Erhebung bis 1200 in bis auf 0", nahm dann bei einer noch größern Erhebung wieder zu und zeigte erst bei 2500 in Höhe wieder 0".
So interessant derartige auf vereinzelten Luftreisen gewonnene Resultate auch sind, so genügen sie nicht, um einen Überblick über die allgemeinen Verhältnisse der obern Luftschichten zu geben. Dazu sind regelmäßige und systematisch angestellte Beobachtungenerforderlich, deren Notwendigkeit inneuester Feit immer mehr und mehr anerkannt ist. Abgesehen davon, daß von feiten der königlich preußischen Mlitärluftschifferabteilung auf ihren Ballonfahrten regelmäßige meteorologische Beobachtungen gemacht werden, ist man auch in neuester Zeit in Deutschland darauf bedacht gewesen, lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken Ballonfahrten zu unternehmen, und als erste Reise dieser Art ist die Ballonfahrt von v. Siegsfeld und Kremser 23. Juni 1888 zu nennen, auf welcher das Verhältnis der Temperatur und der Feuchtigkeit in den höhern Luftschichten während ernes sommerlichen Luftdruckmaximums, wie es an oem Tage gerade vorhanden war, untersucht werden sollte. Der Ballon stieg in der Schöneberger Gas-anstalt bei Berlin auf und legte in nicht vollen sieben Stunden den Weg bis Celle zurück. Als Resultat der Beobachtungen ergab sich, daß alle frühern Temperaturbeobachtungen auf Ballonfahrten mit Vorsicht zu verwenden sind, weil die Thermometer durch die starte Sonnenstrahlung sehr bedeutend beeinflußt werden. Die Temperaturen, welche an Thermometern abgelesen wurden, die in einer gewissen Entiel-nung vom Ballon angebracht waren, zeigten, daß ihre Abnahme langsamer vor sich geht, als die Höhe zummmt. In der Nähe des Erdbodens betrug sie ca. 1" C. auf je 100 in, in einer Höhe von 2250 2405 m nur 0,4" C. In Bezug auf die Feuchtigkeit war ganz besonders auffallend, daß dieselbe einem häufigen Wechsel unterworfen war. Bei einem gleichmäßigen Dahinfliegen in 2400 m Höhe betrug die relative Feuchtigkeit einmal 47 Proz., einige Minuten später 8 Proz., und in einer Entfernung von etwa 200 in traten Wolkenbildungen ein. Der von der Erde ausgehende aufsteigende Luftstrom wurde bei dieser Gelegenheit in derselben Weise wie auch schon auf frühern Ballonfahrten beobachtet, indem der Ballon über jedem größern Waldkomplex und jeder Wasserfläche eine Tendenz zum Sinken zeigte und von seiner geradlinigen Bahn abgelenkt wurde, eine Thatsache, die schon früher vielfach beobachtet war und die Luftschiffer zu dem Ausspruch geführt bat, daß Wälder und Seen den Ballon anziehen. Eine Erklärung findet diefe Erscheinung darin, daß im Sommer über Wald und Wasser eine Luftbenegung stattfindet, wie sie einem barometrischen Maximmn entspricht und das Sinken zur Folge hat.
Ganz besonders wichtig sind die Ballonfahrten für die Bestimmung der Richtung, in welcher die Luftströmungen in den verschiedenen Höhen stattfinden.
Wie verschieden diese sind, hat z. B. die Fahrt gezeigt, welche 29. Juni 1887 von Tempelhof aus unternommen wurde. Bei 950 in herrschte eine Luftströmung aus NNW., die sich für eine Höhe bis 1300 in in eine nördliche Richtung änderte, in noch größerer Höhe aus SSO., in 2100 in aus NO. und beim Sin^ ten des Ballons aus WNW. wehte. Dabei Zeigte der Ballon in der Höhe von über 2000in die merkwürdige Erscheinung des Hüpfens, indem er wiederholt kurze Sprünge machte, die ihn meist um 100 in auf- und abwärts schwanken ließen, ohne daß sein Gewicht durch Auswerfen von Ballast geändert worden wäre.
Diese Oszillationen werden regelmäßig beobachtet, wenn sich der Ballon über einer Wolkenschicht befindet, und sind eine Folge der von dieser zurückgestrahlten Sonnenwärme, welche auf das Gas des Ballons ihren Einfluß ausübt. Ähnliche Beobachtungen waren schon bei der Fahrt des Militärballons Barbara 10. Dez. 1885 gemacht, nur mit dem Unterschied, daß der Ballon, welcher zuerst nach O. geflogen war und sich über Berlin, ohne daß Ballast ausgeworfen war, rasch von 470 ui bis 970 in, mitten über Berlin sogar bis 1630 in gehoben hatte, in größerer Höhe seine Richtung nach WSW. änderte, in der Nähe von Königs-Wusterhausen der Seenkette folgte und sich gleichzeitig von 2320 in bis 2700 in hob, um gleich dahinter sehr rapid zu sinken und nach dem Passieren des letzten Sees in der alten Richtung weiter zu fliegen. Da die Felder mit leichtem Schnee bedeckt, während die größern Seen nicht zugefroren waren, so ist das auffallende Steigen über den Was« serslächen ebenso wie über Berlin als eine Folge voll aufsteigenden Luftströmen anzusehen, welche zeigen, daß das Verhalten der Wasserflächen im Winter oas umgekehrte von dem oben erwähnten Verhalten im Sommer ist.
Auch darüber, daß die Luftströmungen in den seltensten Fällen parallel zur Erdoberfläche gehen, . haben die wissenschaftlichen Luftreisen Aufklärung gegeben, und es sind sowohl auf einer Anzahl von Luftreisen, welche in der Zeitschrift »I/^eronallts« in Paris veröffentlicht sind, als auch auf der Fahrt des Militärballons Viktoria 6. Mai 1886 darauf bezügliche Beobachtungen gemacht. Die Luftströmungen werden ebensowohl durch Terrainerhebungen und -Vertiefungen wie auch durch kleine Depressionen, welche durch verschiedene Erwärmung des Bodens,