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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schwerin - Scudder

gresse abhielten, ihr Organ, den »Sozialdemokraten«, drucken ließen und ihre Attentate vorbereiteten. Da die S. Maßregeln gegen die Sozialdemokraten, so lange sie ihre Ziele nur theoretisch erörterten, auf Grund ihres Asylrechts ablehnte, so sah sich die deutsche Regierung veranlaßt, durch bestochene Mitglieder der Sozialdemokratie dieselbe überwachen zu lassen, wobei diese Spione anarchistische Provokationen ins Werk setzten. Die Bundesregierung wies nun 1888 einige Anarchisten, darunter auch solche Spione, aus und zwang die Redaktion des "Sozialdemokraten" durch Ausweisung von vier ihrer Mitarbeiter, ihren Sitz nach London zu verlegen. Auch verschärfte die Bundesregierung die politische Polizei, um Ungehörigkeiten, wie die Mitteilung amtlicher Akten an die Führer der deutschen Sozialdemokraten durch den Züricher Polizeihauptmann Fischer, für die Zukunft zu verhüten. Indes gab die deutsche Regierung ihre Überwachung der sozialistischen Umtriebe in der S. nicht auf, und 1889 verursachte die Ungeschicklichkeit des Mülhauser Polizeiinspektors Wohlgemuth (s. d., Bd. 17) einen Konflikt zwischen der S. und dem Deutschen Reich. Letzteres beschwerte sich über das schroffe Verfahren der Schweizer Behörden gegen Wohlgemuth, welches eine Bestrafung desselben deutscherseits unmöglich machte, und als die S. eine Genugthuung ablehnte, tadelte die deutsche Regierung in einer Note die Handhabung des Asylrechts überhaupt, die mit der völkerrechtlichen Neutralität der S. nicht im Einklang stehe. Auch Österreich und Rußland machten der S. Vorstellungen über die Gefahren der Toleranz gegen die anarchistischen und revolutionären Elemente. Das Deutsche Reich kündigte der S. den Niederlassungsvertrag, gab aber im übrigen dem Streit keine Folge. Die S. schuf das neue Amt eines Bundesanwalts, in dessen Hand die politische Polizei zentralisiert sein sollte, um die Kantonalbehörden zu wirksamerer Thätigkeit anzuhalten; im ersten Prozeß freilich, den der neuernannte Bundesanwalt gegen Anarchisten anstrengte, wurden die Angeklagten freigesprochen. Der Bundesrat hatte im April 1889 die europäischen Industriestaaten zu einer internationalen Konferenz in Bern über die Regelung des Arbeiterschutzes eingeladen, die zuerst auf den September festgesetzt, dann wegen der mangelnden Zustimmung mehrerer Mächte auf den Mai 1890 verschoben wurde. Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. die Sache in die Hand nahm und 4. Febr. 1890 seine Einladung zu einer Konferenz über den Arbeiterschutz an die Mächte für den März erließ, zog die S. einstweilen ihre Einladungen zurück und war auf der Berliner Konferenz vertreten. Über die Neueinteilung der Wahlkreise für die Nationalratswahlen kam es 1889 in der Bundesversammlung zu keiner Einigung.

Zur Litteratur: Lambelet, Orts- und Bevölkerungslexikon der S. (Zürich 1889); K. Schmidt, Geologie der Schweizeralpen (Basel 1889); »Politisches Jahrbuch der Schweizer Eidgenossenschaft« (hrsg. von Hilty, Bern 1886 ff.); Coolidge, Swiss travel and Swiss guide-book (Lond. 1889, enthält eine Litteraturgeschichte der Schweizerreisen); Rossel, Histoire littéraire de la Suisse romande (Genf 1889 ff., 2 Bde.); Godet, Histoire littéraire de la Suisse française (Neuchâtel 1889).

Schwerin, 2) Kurt Christoph, Graf von, preuß. Generalfeldmarschall. Ihm zu Ehren erhielt 1889 das 3. pommersche Infanterieregiment Nr. 14 den Namen Infanterieregiment Graf S.

Schwerte, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, gehört seit 1887 zum Kreis Hörde.

*Schwiegereltern werden von der Mehrzahl der Naturvölker in einer Weise gemieden, daß der böse Ruf der Schwiegermutter sich zum Teil als Überlebsel aus einer über die ganze Welt verbreiteten Sitte erklären mag. Die Schwiegersöhne dürfen sich namentlich nicht vor der Schwiegermutter, die Töchter nicht vor dem Schwiegervater sehen lassen, bei zufälligen Begegnungen werden Umwege gemacht, der eine Teil versteckt sich oder verbirgt im Notfall sein Gesicht mit den Händen. Dieser Gebrauch herrscht in Afrika bei den Kaffern, den Amakosa, bei den Maravi im Westen des Nyassasees, im Wadai (nach Nachtigal), in Dar Fur, bei den Bogos und Somal, und vielfach gesellt sich sogar das Verbot dazu, den Namen der S. jemals in den Mund zu nehmen. In Loango und bei den Aschanti dürfen Schwiegersohn und -Mutter nur aus einiger Entfernung miteinander sprechen und müssen dabei den Blick zu Boden oder nach der andern Seite richten. Bei den Abadde zieht das junge Paar stets weit fort, um der Schwiegermutter niemals zu begegnen. Dieselben Sitten finden sich in Australien, auf den Mandaneninseln, in Nord- und Südamerika, in ersterm bei den Dakota-, Assiniboine- und Omahaindianern, in Südamerika bei den argentinischen Pampasbewohnern und den Araukanern, teilweise ebenfalls mit Vermeidung des Miteinandersprechens, Namennennens und Ansehens, doch dürfen bei den Araukanern Schwiegersohn und -Mutter miteinander sprechen, in dem sie sich den Rücken zuwenden. In Asien finden sich noch viele Anklänge, z. B. bei den Ostjaken, wo sich keine Frau vor dem Schwiegervater, noch der Mann vor der Schwiegermutter sehen lassen darf, bis er selbst Vater geworden ist. Auch bei den Katschinzen in Südsibirien vermeiden Schwiegervater und -Tochter jede Begegnung und verhüllen, wenn sie zufällig geschieht, das Haupt. Als Ursache dieser Sitte erfuhren Fritsch und Bowdich in Afrika, daß sie wegen der Gefahr der Blutschande eingeführt sei; sie hängt indessen wohl näher mit dem ehemals weitverbreiteten System des Frauenraubes (s. d., Bd. 6) und der Exogamie (s. d., Bd. 5) zusammen und mag sich zur Verhinderung von Unfrieden überall wohl bewährt haben. Vgl. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche (Stuttg. 1878).

Schwind, Moritz von, Maler. Sein Briefwechsel mit Ed. Mörike wurde von Bächtold herausgegeben (Leipz. 1890).

*Scudder, Horace Elisha, amerikan. Schriftsteller, geb. 16. Okt. 1838 zu Boston, besuchte das William's College daselbst und ließ sich hier auch dauernd nieder. Der Erfolg seiner ersten Jugendschrift: "Seven little people" (1862), veranlaßte ihn, sich gänzlich der Schriftstellerei zu widmen. Von seinen Schriften, die alle freundliche Aufnahme fanden, nennen wir, abgesehen von seinen zahlreichen Beiträgen zum "Atlantic Monthly": "Dream children" (1863), "Life and letters of Daniel Coit Scudder" (1864); "Stories from my Attic" (1869, in dem von ihm 1867-70 herausgegebenen "Riverside Magazine for young people"); "The dwellers in five sisters court" (1876); "Men and manners in America a hundred years ago" (1876); "Stories and romances" (1880); ferner die Biographien von Noah Webster (1882) und George Washington (1888), eine "History of the United States" (1884), "Men and letters" (1887) und 8 Bände Jugendschriften unter dem Titel: "Bodley books" (1875-87). Auch gab er die Sammelwerke: "American poems" (1879) und "American prose" (1880) heraus.