Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arbeiterschutzkonferenz

43

Arbeiterschutzkonferenz (Berlin 1890: Schlußprotokoll).

einzugehen, und der schwedische Delegierte den Vorbehalt gemacht hatte, daß die Überwachung der zur Verwirklichung der Wünsche der Konferenz getroffenen Maßregeln ausschließlich den Regierungen der einzelnen Staaten überlassen bleibe und keine Einmischung von irgend einer fremden Macht zulässig sei.

Auf dem Programm der Konferenz stand nicht die Frage des gesetzlichen Maximalarbeitstags für erwachsene männliche Arbeiter. Aber die schweizerische Delegation erachtete es für angezeigt, »die fortschrittliche Stellung der Schweiz (wenn auch nur als Markstein für die Zukunft) zu dokumentieren. Es schien ihr für ihr Land geradezu eine Ehrensache zu sein, schon in der ersten internationalen Arbeiterschulkonferenz auch diejenigen großen Zielpunkte angedeutet zu haben, deren Lösung noch anzustreben sei, und hierzu gehöre gewiß vor allem der Maximalarbeitstag.« Sie gab in der vierten Sitzung (27. März) am Schluß der Generaldiskussion folgende Erklärung ab, über die aber nicht weiter verhandelt wurde: »Der eidgenössische Bundesrat hätte gern die Frage des Maximalarbeitstags in den ursprünglichen Programmentwurf, den er für die Berner Konferenz ausgearbeitet hatte, aufgenommen. Wenn dies nicht geschehen ist, so ist es darum, weil er besorgte, daß einige Regierungen, an deren Zusage ihm viel gelegen war, dieses Punktes wegen die Einladung zur Konferenz ablehnen würden. Um so glücklicher war er, konstatieren zu können, daß Seine Majestät der deutsche Kaiser in seinen Erlassen vom 4. Febr. gerade diesen Punkt als einen derjenigen bezeichnet hatte, die durch internationales Abkommen zu regeln seien. Der Bundesrat hat demnach bedauert, im definitiven Programm der kaiserlichen Regierung diesen Punkt nicht wiederzufinden. Mit Rücksicht auf die Beweggründe, welche nach Kenntnis der schweizerischen Delegation eine Verzichtleistung auf diesen Teil des Programms herbeiführten, hat dieselbe über diesen Punkt in keiner Kommission einen Antrag gestellt, da ein solcher gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Da sie aber von der Wichtigkeit und Zweckmäßigkeit einer internationalen Vereinbarung über den Normalarbeitstag fest überzeugt ist, so legt sie Wert auf die Erklärung, daß sie nur für den Augenblick und widerwillig davon Abstand genommen hat, eine Erörterung dieser Frage zu beantragen.«

In dem in der letzten Sitzung (29. März) genehmigten Schlußprotokoll wurden als Ergebnis der Beratung die Wünsche der Konferenz, von denen die Mehrzahl einstimmig, die andern fast sämtlich mit großer Stimmenmehrheit ausgesprochen wurden, nach einigen redaktionellen Änderungen in folgendem Wortlaut zusammengestellt:

I. Regelung der Arbeit in Bergwerken. Es ist wünschenswert, 1) a) daß die untere Altersgrenze, innerhalb welcher die Kinder zu den unterirdischen Arbeiten in Bergwerken zugelassen werden können, allmählich auf volle 14 Jahre erhöht werde, je nachdem die Möglichkeit der Erhöhung durch die Erfahrung erwiesen sein wird; für die südlichen Länder würde diese Altersgrenze die von 12 Jahren sein; b) daß die Arbeit unter Tage Personen weiblichen Geschlechts verboten werde.

2) Daß in Fällen, in welchen die Bergbaukunst nicht hinreichen würde, um alle Gefahren für die Gesundheit zu beseitigen, welche durch die natürlichen oder zufälligen Bedingungen des Betriebes gewisser Bergwerke oder Betriebspunkte entstehen, die Dauer der Arbeit eingeschränkt werde. Es wird jedem Lande überlassen, dieses Resultat auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung oder durch Übereinkunft zwischen den Bergwerksunternehmern und den Arbeitern oder auf eine andre, den Grundsätzen und Gewohnheiten einer jeder Nation entsprechende Weise herbeizuführen.

3) a) Daß die Sicherheit des Arbeiters und die Gesundheitlichkeit der Arbeit durch alle Mittel, über welche die Wissenschaft verfügt, gesichert und unter Oberaufsicht des Staates gestellt werden; b) daß die mit der Leitung des Betriebs beauftragten Ingenieure ausschließlich Männer von Erfahrung und von einer gehörig beurkundeten technischen Befähigung seien; c) daß die Beziehungen zwischen den Bergarbeitern und den Betriebsingenieuren so unmittelbar wie möglich seien, um den Charakter des Vertrauens und gegenseitiger Achtung zu haben; d) daß die Institutionen der Vorsorge und der Hilfe, welche im Einklang mit den Gewohnheiten eines jeden Landes organisiert und dazu bestimmt sind, den Bergarbeiter und seine Familie gegen die Folgen von Krankheiten, Unfällen, vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit, Alter und Tod zu sichern, Institutionen, welche geeignet sind, die Lage des Bergarbeiters zu verbessern und ihn an seinen Beruf anhänglich zu machen, mehr und mehr ausgebaut werden sollen; e) daß zu dem Zweck, eine ununterbrochene Kohlenförderung zu sichern, man sich bemühen solle, Ausständen vorzubeugen. Die Erfahrung scheint zu bestätigen, daß das beste Verhütungsmittel darin besteht, daß Arbeitgeber und Bergarbeiter sich freiwillig verpflichten, in allen Fällen, wo ihre Streitigkeiten nicht durch direkte Einigung beigelegt werden können, die Vermittelung eines Schiedsgerichts anzurufen.

II. Regelung der Sonntagsarbeit. 1) Es ist wünschenswert, vorbehaltlich der in jedem einzelnen Staate notwendigen Ausnahmen und Fristen: a) daß den geschützten Personen wöchentlich ein Ruhetag gesichert werde; b) daß allen Industriearbeitern ein Ruhetag gesichert werde; c) daß dieser Ruhetag für die geschützten Personen auf den Sonntag festgesetzt werde; d) daß dieser Ruhetag für alle Industriearbeiter auf den Sonntag festgesetzt werde.

2) Ausnahmen sind zulässig: a) hinsichtlich der Betriebe, welche aus technischen Rücksichten eine ununterbrochene Produktion erheischen, oder welche das Publikum mit unentbehrlichen Lebensbedürfnissen, deren Fabrikation eine tägliche sein muß, versorgen; b) hinsichtlich der Betriebe, welche ihrer Natur nach nur in bestimmten Jahreszeiten arbeiten können, oder von der unregelmäßigen Thätigkeit elementarer Betriebskräfte abhängig sind. Es ist wünschenswert, daß selbst in den Anlagen dieser Kategorie jeder Arbeiter auf zwei Sonntage einen frei habe.

3) Zu dem Zwecke, die Ausnahmen nach gleichartigen Gesichtspunkten festzusetzen, ist es wünschenswert, daß ihre Bestimmung auf Grund einer Verständigung zwischen den verschiedenen Staaten erfolge.

III. Regelung der Kinderarbeit. Es ist wünschenswert: 1) daß Kinder beiderlei Geschlechts, welche ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, von der Arbeit in gewerblichen Betrieben ausgeschlossen seien; 2) daß diese Altersgrenze auf 12 Jahre festgesetzt werde, mit Ausnahme der südlichen Länder, wo sie auf 10 Jahre herabgesetzt werden soll; 3) daß diese Altersgrenzen für alle gewerblichen Anlagen die nämlichen seien und in dieser Beziehung keine Unterscheidung gemacht werde; 4) daß die Kinder den Vorschriften über den Elementarunterricht vor-^[folgende Seite]