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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Flotte; Geschichte 1890).

Die bisherigen Fortifikationssekretäre heißen Bauwarte und zwar Festungsbauwarte erster und zweiter Klasse, entsprechend den Zeugleutnants, und Festungsoberbauwarte erster und zweiter Klasse, entsprechend den Zeughauptleuten. Sie gehen aus den Wallmeistern hervor, welche ihre technische Ausbildung auf der Festungsbauschule erhalten. Der Etat beträgt 38 Festungsober- und 94 Festungsbauwarte sowie 264 Wallmeister.

Die Munitionsfabriken in Danzig und Erfurt sind nach Erweiterung derjenigen in Spandau eingegangen. Die Pulverfabrik in Spandau ist für die Herstellung rauchlosen Pulvers vergrößert worden. Festungsgefängnisse bestehen noch in Danzig, Dömitz, Graudenz, Köln, Neiße, Rastatt, Spandau, Straßburg i. E., Torgau und Wesel. Die Stadtumwallungen der Festungen Koblenz, Wesel und Rastatt sollen geschleift, Neiße als Festung aufgegeben, Graudenz als wichtiger Weichselübergang mit Eisenbahnbrücke für nach Rußland führende Bahnlinien als Festung wiederhergestellt werden. Die Offiziere der Fußtruppen, welche bis dahin den Offiziersdegen trugen, haben durch Kabinettsorder vom 22. März 1889 einen Degen mit Korbgefäß in vernickelter Stahlscheide und Reiterkoppel mit Tressenbesatz erhalten. Seit Unterstellung der Feldartillerie unter die Armeekorps (1. April 1889) erhalten die Generale von der Artillerie bei ihrem Aufrücken vom Generalleutnant in die höhere Charge den Diensttitel »General der Artillerie«.

II. Gliederung der deutschen Feldartillerie vom 1. Okt. 1890.

Regimentsnummer Besteht aus Anzahl Abteilungen zu Summe der Batterien

3 2 3 2 3 fahrenden, 1 reitenden

fahrenden Batterien reitenden Batterien

1. u. 2. Garde, 1-10, 14, 15, 31, 35; 1., 2 u. 3. bayr. 3 - - 1 - 11

11, 12 3 - 1 - - 12

13, 16, 18, 20, 36. 3 1 - - - 11

17, 19, 21-24, 26 bis 30, 32; 4. bayr. 3 - - - - 9

25 1 - - - 1 7

33 2 1 - - - 8

34 2 - - 1 - 8

5. bayr. 2 - - - - 6

Zur Litteratur: Rott, Die Wehrpflicht im Deutschen Reiche systematisch bearbeitet (Kassel 1890); H. v. Arnim, Garnisonkarte der deutschen Armee (Berl. 1890).

[Flotte.] Im August 1889 ist das Panzerfahrzeug Siegfried (von 3495 Ton., 16 Knoten Fahrgeschwindigkeit, armiert mit drei 24 cm Kanonen L/35 in Barbetttürmen und 6 Schnellfeuerkanonen) vom Stapel gelaufen. Nach dem verbesserten Siegfriedtyp sollen bis 1895 auf Grund des Programms für die Flottenvermehrung des Marinerats 1889/90 noch 9 Panzerfahrzeuge erbaut werden, welche zum Schutze der Kanal- u. Flußmündungen (Nord-Ostseekanal, Elbe-, Weser-, Ems-, Oder-, Weichselmündung) bestimmt sind, und von denen im Herbst 1890 der Beowulf vom Stapel lief. Durch die Erwerbung Helgolands für das Deutsche Reich hat die Küstenverteidigung einen wertvollen Stützpunkt für den Beobachtungs- und Vorpostendienst gewonnen. Welche Einrichtungen die Insel zu diesem Zwecke wie zu ihrer Verteidigung erhalten wird, darüber sind noch keine Bestimmungen getroffen. Beim Bau der neuen Schiffe soll besondere Rücksicht auf deren ausgiebige Verwendung im strategischen Sicherungs- und Kundschafterdienst genommen werden. Im Herbste 1890 haben auf dem Artillerieschulschiff Mars in Wilhelmshaven Versuche mit dem gefesselten Luftballon auf See zum Zwecke weitreichender Beobachtung stattgefunden, welche günstig ausgefallen sind und vermutlich zur Einführung gefesselter Luftballons (s. Luftschiffahrt) in die Marine führen werden. Die höhern Techniker der Marine sind nach Maßgabe der vom preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten über die Ausbildung und Prüfung im Baufach für den Staatsdienst gegebenen Vorschrift vom 6. Juli 1886 derart organisiert worden, daß sich ihre Ausbildung, Prüfung (zwei vollwertige Staatsprüfungen), Rang- und Einkommensverhältnisse thunlichst denen der letztern gleichstellen. Hiernach führen seit 1. April 1890 die bisherigen Ressortdirektoren den Amtstitel Marineoberbaurat und Schiffbau- (bez. Maschinenbau- oder Hafenbau-) Direktor, die Betriebsdirektoren heißen Marinebaurat und Schiffbau- (bez. Maschinenbau-) Betriebsdirektor; es folgen dann als Bauinspektoren die Marineschiffbau- (bez. Maschinenbau- und Hafenbau-) Inspektoren (an Stelle der bisherigen Oberingenieure), als Baumeister die Marineschiffbau- (bez. Maschinen- oder Hafenbau-) Meister (an Stelle der bisherigen Ingenieure). Die bisherigen Ingenieuraspiranten führen den Amtstitel Marinebauführer. Die Seekadetten und Kadetten der Marine haben 9. Sept. 1890 an Stelle des bisher von ihnen getragenen Infanterieseitengewehrs einen 50 cm langen Dolch mit Elfenbeingriff und damaszierter Klinge in polierter Bronzescheide, welcher an einem aus blauem Wollgarn geflochtenen Gehänge getragen wird, erhalten.

Geschichte.

Das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 20. Febr. 1890, durch welche das 1887 geschlossene Kartell von 215 auf 135 Mitglieder gemindert wurde und die Mehrheit im Reichstag verlor, wurde allgemein als eine Niederlage des Reichskanzlers Fürsten Bismarck angesehen und daher von seinen Gegnern mit Jubel begrüßt. Da Bismarck aber erklärte, daß er den Kampf mit der ihm feindlich gesinnten, von den Ultramontanen, den Deutschfreisinnigen und den Sozialdemokraten gebildeten Mehrheit aufnehmen wolle, so sah man mit Spannung den Verhandlungen des neuen Reichstags entgegen. Inzwischen hatte Kaiser Wilhelm II. die nötigen Schritte zur Ausführung seiner beiden Erlasse vom 4. Febr. 1890 gethan. Der preußische Staatsrat wurde berufen, »um zu prüfen, wie die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit zu regeln sei, damit die Erhaltung der Gesundheit, die Gebote der Sittlichkeit, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter und ihr Anspruch auf gesetzliche Gleichberechtigung gewahrt blieben«. Die Sitzungen des Staatsrats begannen 11. Febr.; der Kaiser nahm persönlich eifrigen Anteil an den Beratungen, welche sich auf die Ergänzung der Gesetzgebung über den Schutz der Arbeiter bezogen. Es wurden darauf die Einladungsschreiben an die industriellen Staaten Mittel- u. Westeuropas erlassen, ihre Vertreter nach Berlin zu einer internationalen Arbeiterschutzkonferenz (s. d.) zu senden, »um die Herbeiführung gleichmäßiger internationaler Regelungen der Grenzen für die Anforderungen anzustreben, welche an die Thätigkeit der Arbeiter gestellt werden dürfen«. Alle Staaten, auch die Schweiz, welche schon 1889 zu einer solchen Konferenz eingeladen hatte, und