Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kunstunterricht u. Kunstpflege

549

Kunstunterricht u. Kunstpflege (Frankreich, Großbritannien).

schaften, der Société du musée des arts décoratifs und der Union centrale des arts décoratifs, überlassen, welche sich 1881 zu Einem Verein unter dem letztern Namen verschmolzen haben. Die Regierung hat ihnen jedoch einen Louvrepavillon für das Museum zur Verfügung gestellt. Bis dahin war das Musée Cluny, dessen großartige Kunstschätze freilich mehr nach dekorativen als nach instruktiven Grundsätzen geordnet sind, die einzige Vorbildersammlung für das Kunstgewerbe. Eine Kunstgewerbeschule im modernen Sinne wurde erst 1877 durch Umwandlung aus der alten Zeichen- und Mathematikschule mit einem Budget von etwa 100,000 Fr. errichtet. Das späte Eintreten Frankreichs in die moderne Bewegung hat zur Folge gehabt, daß das heimische Kunstgewerbe nicht nur einen Teil seines Exports eingebüßt hat, sondern sich auch durch den fremden Import aus Deutschland und Österreich beeinträchtigt sieht, so daß infolgedessen eine Reorganisation der Kunstgewerbe- und Fachschulen herbeigeführt worden ist. Die unter der Verwaltung des Staates stehenden Kunstsammlungen sind die folgenden: die Museen im Louvre, im Luxembourg, in Versailles und St.-Germain, das Musée Cluny, das Studienmuseum in der École des beaux-arts, das keramische Museum in Sèvres, das Museum der Gipsabgüsse im Trocaderopalast, das Artilleriemuseum, das Garde-Meuble (Mobiliar und Teppiche aus den Schlössern), das Kupferstichkabinett, das Medaillen- und Antikenkabinett und das Münzmuseum. Vom Staate dotiert sind ferner: die französische Akademie in Rom mit einem Budget von ca. 150,000 Fr., die École des beaux-arts mit einem Budget von 330,000 Fr. und die Zeichenschule für junge Mädchen in Paris mit einem Budget von 40,000 Fr. Die Spezialschule für Architektur in Paris ist von einer Gesellschaft gegründet, erhält aber vom Staat und der Stadt Paris einen jährlichen Zuschuß von 15,000 Fr. Die Stadt unterhält ferner das auf ihre Geschichte bezügliche Musée Carnavalet und setzt außerdem jährlich 300,000 Fr. für Werke der Malerei, Plastik, der vervielfältigenden Künste etc. aus. Das Budget für Kunstbauten steigt jährlich bis zu 500,000 Fr., ohne die beträchtlichen Summen für die Subventionierung des Zeichenunterrichts.

Die Kunst-, Kunstgewerbe- und Zeichenschulen und die Museen in den Provinzen werden meist von den einzelnen Städten und Gemeinden oder von gemeinnützigen Gesellschaften unterhalten. Der Staat beteiligt sich an den erstern durch Aussetzung von Prämien und durch Zuschüsse, die sich auf ca. 350,000 Fr. belaufen, an den letztern durch Überweisung von Gemälden, Skulpturen etc., die auf den jährlichen Pariser Salons für ca. 300,000 Fr. angekauft werden, an welcher Summe allerdings auch die Galerie des Luxembourg-Palastes teil hat. Kunstschulen existieren in Marseille, Dijon, Toulouse, Montpellier, Nancy, Lille, Valenciennes, Lyon, von denen jedoch nicht alle dem Begriff entsprechen, welchen man in Deutschland mit solchen Instituten verbindet. Dagegen ist die Zahl der Zeichen- und Fachschulen, welche sich auf bestimmte Gebiete und die Förderung gewisser lokaler Industriezweige beschränken, außerordentlich groß. Zeichen- und Modellierschulen findet man selbst in den kleinsten Städten. Ihre Zahl mag sich auf etwa 160 belaufen. Sie sind zum Teil ins Leben gerufen oder werden wenigstens sehr lebhaft gefördert von den zahlreichen Kunst- und Geschichtsvereinen, Akademien und Vereinen für Landwirtschaft, Wissenschaft und Kunst, welche gleichmäßig über das ganze Land so stark verbreitet sind, daß man ihrer etwa 200 zählt.

Ein Teil dieser Vereine verfolgt archäologische Zwecke. Die historische Vergangenheit Frankreichs und der Reichtum des Landes an antiken Monumenten römischen und gallischen Ursprungs haben einerseits die Liebe zu archäologischen Studien und die antiquarischen Gesellschaften, anderseits die zahlreichen Sammlungen von Altertümern ins Leben gerufen, welche unter den ca. 260 öffentlichen Kunstsammlungen, die Frankreich (auch die unbedeutendsten mit eingerechnet) besitzt, numerisch eine sehr große Rolle spielen. Hervorragende Museen, von denen sich aber höchstens drei oder vier mit Sammlungen wie denen in Braunschweig, Darmstadt oder Schwerin vergleichen lassen, besitzen nur die Städte Marseille, Caen, Aix, Troyes, Grenoble, Dijon, Nîmes, Narbonne, Lille, Besançon, Toulouse, Bordeaux, Montpellier, Rennes, Tours, Nantes, Valenciennes, Lyon, Rouen und Amiens. Versailles, Sèvres und St.-Germain sind schon früher erwähnt worden. Es muß dabei bemerkt werden, daß ein großer Teil dieser 20 Museen (Gemäldesammlungen) seine Entstehung Napoleon I. verdankt, welcher sie mit den Kunstschätzen ausstattete, die er auf seinen Eroberungszügen geraubt hatte. Ein Teil der Gemälde ist beim Friedensschluß nicht zurückerstattet worden.

Die Kunstpflege und der Kunstunterricht in Großbritannien und Irland sind von Staats wegen nicht so ausgebildet, wie man es nach dem Wohlstand des Landes erwarten sollte. Das Britische Museum ist mit 130,000 Pfd. Sterl. dotiert, von denen etwa 50,000 Pfd. Sterl. für die Verwaltung abgehen, so daß ca. 80,000 Pfd. Sterl. (1,600,000 Mk.) für neue Erwerbungen etc. übrigbleiben, wobei nicht zu übersehen ist, daß das Britische Museum eine Zentralanstalt für wissenschaftliche und Kunstzwecke ist, in welcher die Bibliothek mit einem Ankaufsbudget von 10,000 Pfd. Sterl. und die naturwissenschaftlichen Sammlungen einen großen Raum einnehmen. Dafür ist allerdings die Gemäldegalerie abgezweigt und in einem besondern Gebäude bei einem Jahresbudget von 17,000 Pfd. Sterl. (340,000 Mk.) untergebracht. Von dem Budget der Nationalgalerie werden jährlich etwa 9500 Pfd. Sterl. auf neue Erwerbungen verwendet. Das Budget der nationalen Porträtgalerie beträgt etwa 2500 Pfd. Sterl., von denen ca. 750 Pfd. Sterl. zu Ankäufen verausgabt werden. Für die schottische Nationalgalerie, das Altertumsmuseum und Gewerbemuseum sind im Etat ca. 13,000 Pfd. Sterl., für die Royal Irish Academy, das mit ihr verbundene Museum und die irische Nationalgalerie etwa 16,000 Pfd. Sterl. ausgeworfen. In Dublin wird eine Kunstschule aus privaten Mitteln unterhalten; das Gewerbemuseum in Edinburg ist dem Kensington-Museum in London nachgebildet. Letzteres ist die Zentralanstalt für den Kunst- und kunstgewerblichen Unterricht in England, welches eine Kunstakademie im deutschen Sinne nicht besitzt. Nach dem Muster des Kensington-Museums sind die ähnlichen Anstalten des Kontinents, das Österreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien und das Kunstgewerbemuseum in Berlin, gegründet worden. Das Londoner Institut, mit welchem das Bethnal Green-Museum verbunden ist, zerfällt in eine Kunst- und Vorbildersammlung und in eine Unterrichtsanstalt. Das Budget beträgt etwa 48,500 Pfd. Sterl. Insgesamt beläuft sich das englische Budget für Kunst- und wissenschaftliche Zwecke auf ca. 500,000 Pfd. Sterl. Doch ist in dieser Summe auch die Musik inbegriffen. Auf die bildenden Künste fallen davon etwa 120,000 Pfd. Sterl. (2,400,000 Mk.). Darunter befindet sich ein Posten von 8000 Pfd. Sterl.