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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Fachschulen, gewerbliche (Entwickelung in Preußen 1883-90)

werblichen Fachschulen ausführlicher berichtet, wegen der Fortbildungsschulen aber auf den betreffenden Artikel dieses Bandes verwiesen.

Wie im vorstehenden angedeutet, hat in der Zuständigkeit des gewerblichen Unterrichtswesens im letzten Jahrzehnt ein Wechsel stattgefunden, und zwar war dies in wenigen Jahren der zweite derartige Wechsel. Bis in die 70er Jahre unterstanden technische Schulen und Fortbildungsschulen in Preußen mit wenigen Ausnahmen dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Die Erfahrung, daß in den Fortbildungsschulen überwiegend mit Lehrkräften und in den Räumen der allgemeinen Unterrichtsverwaltung gearbeitet werden mußte, und daß dies unausgesetzt Weiterungen zur Folge hatte, führte zunächst (1. April 1874) dazu, dieses bis dahin geteilte Gebiet dem Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ganz und allein zu überweisen. Am 1. April 1879 wurden auch die technischen Unterrichtsanstalten, soweit sie bis dahin dem Handelsministerium angehört hatten, jedoch mit Ausnahme der Navigationsschulen und der Unterrichtsanstalten für das Bergwesen, dem Kultusministerium zugeteilt. Es waren dies die technischen Hochschulen, die damaligen Gewerbe-, jetzigen Oberrealschulen, die gewerblichen Zeichenschulen, die wenigen, schon damals bestehenden Fachschulen, das Kunstgewerbemuseum und die Porzellanmanufaktur zu Berlin, sowie selbstverständlich die gesamte Pflege des gewerblichen Unterrichts und des Kunstgewerbes. Durch königlichen Erlaß vom 23. Sept. 1884 wurde demgegenüber bestimmt, daß die gewerblichen und kunstgewerblichen Fach- und Zeichenschulen, die Pflege des Kunstgewerbes einschließlich der Verwaltung der Porzellanmanufaktur sowie das Fortbildungsschulwesen zum Ministerium für Handel und Gewerbe zurückkehren sollten. Bei Ausführung dieser Maßregel blieb jedoch immer noch ein nicht unerheblicher Rest des technischen Unterrichtswesens beim Unterrichtsministerium. Von den Oberrealschulen darf dabei abgesehen werden, da sie inzwischen völlig den Charakter höherer Schulen für allgemeine Bildung angenommen hatten. Doch blieben mit diesen im bisherigen amtlichen Gebiet auch einige gewerbliche Fachklassen (für Maschinenbau, chemisch-technische Gewerbe, Hüttenwesen), die mit Oberreal-, Real- und höhern Bürgerschulen organisch verbunden sind, wenngleich das Aufhören dieses Verhältnisses als wünschenswert bezeichnet ward. Außerdem behielt der Unterrichtsminister die Kunst- und Kunstgewerbeschulen zu Berlin und zu Breslau, weil in ihnen das Kunstgewerbe mit der höhern Kunst Hand in Hand geht, und das eben mit 1. April 1885 vom Staat übernommene Kunstgewerbemuseum zu Berlin samt seiner gewerblichen Unterrichtsanstalt. Die Förderung des Kunstgewerbes durch Sammlung von Vorbildern und durch Gelegenheit zum Fachunterricht außerhalb dieser Anstalt ist dem Handelsministerium aufgetragen.

Zur Begründüng der Maßregel sagt die dem Abgeordnetenhause vorgelegte Denkschrift: »Die Wichtigkeit der den einzelnen deutschen Staaten verbliebenen Pflege des Gewerbewesens ist infolge des Verlaufs, den die Entwickelung der nationalen Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren genommen hat, in ungleich höherm Maße hervorgetreten als früher, und die Anforderungen, welche seitdem an diesen Zweig der Verwaltung herangetreten sind, haben gezeigt, daß er mit der Verwaltung des niedern und mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und

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mit der Pflege des Kunstgewerbes im engen Zusammenhang steht und deshalb seine Aufgabe nicht gehörig erfüllen kann, wenn der Schwerpunkt der letztern Verwaltung in einem andern Ressort liegt. Bei der Frage, welche Maßregeln zur wirtschaftlichen Hebung einzelner Landesteile durch Begründung neuer oder durch bessere Entwickelung bestehender Erwerbszweige, zur Verbesserung der Lage des Kleingewerbes gegenüber dem Großgewerbe, zur Aufrechterhaltung oder Förderung der Konkurrenzfähigkeit einheimischer Industriezweige gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu ergreifen sind, spielt die Errichtung und Leitung gewerblicher F. vielfach eine so entscheidende Rolle, daß die Gewerbeverwaltung, solange ihr in dieser Hinsicht die Initiative und maßgebende Einwirkung abgeht, sich in ihrer Thätigkeit fortwährend auf das empfindlichste gehemmt sieht. Auf der andern Seite können die Fragen, für welche Gewerbszweige, in welchem Umfang und an welchem Ort g. F. zu errichten sind, und welche Ziele diese zu verfolgen haben, in einer die gewerblichen Gesamtinteressen allseitig berücksichtigenden Weise mit voller Sicherheit auf die Dauer nur an derjenigen Stelle behandelt werden, welche zur Pflege des Gewerbewesens überhaupt berufen ist und allein in vollem Maße die Mittel besitzt, sich über den Stand der gewerblichen Entwickelung und ihrer Bedürfnisse einen umfassenden Überblick zu verschaffen und dauernd zu erhalten, zumal ihr auch diejenigen Organe unterstellt sind, von welchen, wie von Handelskammern, Innungen und sonstigen gewerblichen Körperschaften, eine Mitwirkung bei der Lösung dieser Aufgabe zu erwarten ist.« Geltend gemacht wird ferner der ausgedehnte Umfang des Geschäftsbetriebs im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten als der kräftigern Förderung und Pflege des mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und der dafür erforderlichen besondern Aufmerksamkeit auf den Gang der allgemeinen gewerblichen Bewegung entgegenstehend. Endlich wendet das Staatsministerium das Gesagte auch in entsprechender Weise auf das nahe verwandte Kunstgewerbe an. Der Landtag ließ durch diese Darlegung sich überzeugen, und so konnte mit Beginn des folgenden Rechnungsjahres, d. h. mit 1. April 1885, der Übergang dieser Verwaltungszweige auf das Ministerium für Handel und Gewerbe thatsächlich erfolgen. Das Bedenkliche des Wechsels war wesentlich dadurch gemildert, daß mit den Anstalten auch die in deren Interesse bisher arbeitenden Kräfte, namentlich der bereits genannte langjährige Leiter der Fach- und Fortbildungsschulen, Geheimrat Lüders, ins Handelsministerium über- oder zurücktraten.

Die Denkschrift des Handelsministeriums vom April 1891 will nun gleichsam die Probe für die Richtigkeit der damaligen Rechnung geben, und wirklich lehrt schon ein vergleichender Blick auf die Zahlen des Staatshaushaltsetats für 1885/86 und für 1891/92, daß in diesen Jahren wesentliche Fortschritte in der staatlichen Fürsorge für dieses wichtige Feld der nationalen Arbeit erreicht worden sind. Im Voranschlag für 1879/80 war der Gesamtbetrag des Staatszuschusses zu den damaligen 29 mittlern gewerblichen Fachschulen 246,998,82 Mk. Von diesem galten 113,170 Mk. dem Kunstgewerbemuseum zu Berlin, müssen also bei dem Vergleich außer acht bleiben, da sie nach dem Obigen nicht mit in das Handelsministerium übernommen wurden. Als vergleichbarer Betrag kommt daher nur der Rest