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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geographentag (Wien 1891; internationaler Kongreß Bern 1891)

von Samarkand, Sarrea Prado über die Verkehrswege in den portugiesischen Kolonien u. a. Der siebenten Gruppe war das Gebiet der Anthropologie, Völkerkunde und Sprachenkunde zugeteilt. Hier sprach Riedel über die Eingebornen der Insel Rote, Hamy über seine mit de la Croix gemachte Reise im südlichen Tunis, Rabot über die Finnen und Lappen des nördlichen Rußland; Wenjukow trug Auszüge aus Grodekows Werk über die Kirgisen vor, Maurel erörterte den Ursprung der Bewohner von Kambodscha, Vianna sprach über die portugiesischen Volksdialekte, Capus über Kafiristan, Schmidt gab eine Übersicht über den Stand der anthropologischen Forschung in Dänemark. Zugleich waren ethnographische Sammlungen im Trocadero ausgestellt, unter denen besonders die sehr wertvollen Gegenstände aus Hinterindien und die durch Kostümfiguren bewirkte Ausstellung von Volkstrachten der Landbewohner Frankreichs das Interesse anzogen. Im Palais des arts libéraux war eine Fachausstellung für Geographie untergebracht, worin neben der französischen Ausstellung namentlich die dänische und die schweizerische hervorragten. Auf der Esplanade des Invalides fesselten der Pavillon des Kriegsministeriunrs mit den dort vorgeführten ältern und neuern Karten und die Kolonialabteilung mit den in charakteristischen Gebäuden untergebrachten Erzeugnissen der Kolonien und den nach Paris verpflanzten Vertretern auswärtiger Völkertypen mit ihren Zelten, Hütten, Dörfern und ihren charakteristischen Beschäftigungen das allgemeinste Interesse. Der Pariser Kongreß zeichnete sich vor den verflossenen Geographentagen nicht nur durch seine größere Reichhaltigkeit aus, indem außer der bei jenen jetzt vorzugsweise berücksichtigten Geologie und Meteorologie hier Reiseberichte, Schulgeographie, Wirtschaftskunde, Völkerkunde, Statistik und Geschichte der Geographie eine ebenbürtige Stellung einnahmen; auch in der Art und Weise, wie die Sitzungen abgehalten wurden, war ein Unterschied bemerkbar. Denn während auf dem Geographentagen die Diskussion mehr und mehr beschränkt wird, fand in Paris, namentlich in den Gruppensitzungen, ein sehr reger Gedankenaustausch statt, ja manche Sitzungen wurden ausschließlich mit Diskussion hingebracht.

Der neunte deutsche Geographentag wurde 1.-2. April 1891 in Wien abgehalten. Von den 634 Teilnehmern waren 449 aus Wien, 73 aus dem übrigen Österreich, 87 aus Deutschland, 10 aus Ungarn, 3 aus Rumänien, je 2 aus der Schweiz, England, Bulgarien und der nordamerikanischen Union, je 1 aus Frankreich, Schweden, Rußland und Serbien. Die unter Anwesenheit mehrerer Minister, Generale, Gesandten und andrer hochgestellten Persönlichkeiten sowie zahlreicher Afrika-, Asien- und Amerikareisenden eröffnete Versammlung wurde vom Unterrichtsminister v. Gautsch in längerer Rede begrüßt. Darauf sprach Neumayer-Hamburg über magnetische Landesvermessung, Penck-Wien über die Formen der Landoberfläche, Oberstleutnant v. Sterneck über Schwerestörungen und Lotabweichungen, Diener-Wien über die Gliederung der Alpen, Baron Toll-St. Petersburg über Forschungen im nordöstlichen Sibirien, worauf Penck an Stelle des abwesenden Kirchhofs-Halle über die Thätigkeit der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland berichtete. Darauf folgte eine Reihe von Vorträgen über die Balkanhalbinsel. Oberstleutnant Hartl vom militär-geographischen Institut in Wien berichtete über die Vermessungsarbeiten auf der Balkanhalbinsel, Toula-Wien über die geologische Erforschung der Balkanländer, Tomaschek-Wien über die heutigen Bewohner Makedoniens, Philippson-Berlin über den Gebirgsbau des Peloponnes, endlich Regierungsrat Müller-Wien über die Resultate, welche die Landesdurchforschung Bosniens und der Herzegowina seit der Okkupation durch Österreich-Ungarn gemacht hat. Der nächste Beratungsgegenstand waren Anschauungsmittel beim geographischen Unterricht. Vorträge hielten Umlauft-Wien über das geographische Schulkabinett, Klar-Sternberg in Mähren über Reliefdarstellungen beim geographischen Unterricht und Poruba-Wien über die Verwendung von Projektionsapparaten beim geographischen Unterricht. An diese Vorträge knüpfte sich eine längere Debatte. Das nächste Thema bildete die Erforschung der Binnenseen. Es sprachen Richter-Graz über die Temperaturverhältnisse der österreichischen Alpenseen, Graf Zeppel-Konstanz über die Arbeitsergebnisse der Kommission zur naturwissenschaftlichen Erforschung des Bodensees, welche von Österreich, Bayern, Württemberg, Baden und der Schweiz eingesetzt ist und das ganze Seebecken durch Lotungen, Wärmemessungen, zoologische und botanische Untersuchungen zu erforschen bestrebt ist. Brückner-Bern sprach über Schwankungen der Seen und Meere, Sieger-Wien über Niveauveränderungen an skandinavischen Seen und Küsten, Oberhummer-München über die künftigen Aufgaben der historischen Geographie, endlich Steiner-Prag über Photogrammetrie. Die mit dem G. verbundene Ausstellung, untergebracht in mehreren Räumen der neuen Universität, war so reich ausgestattet, wie bisher noch keine. Sie umfaßte fünf Gruppen. Die erste Gruppe: historische Ausstellung, umfaßte 253 Karten und Pläne der Militär- und Marinebehörden, die alte und neue Kartographie der südosteuropäischen Länder und kartographische Seltenheiten aus Wiener Sammlungen. In der zweiten Gruppe: geographische Landschaftsdarstellungen, fesselten besonders die Reliefs, Karten, Panoramen, Gemälde und Photographien der Ostalpen sowie die Photographien und Ansichten, aufgenommen von österreichisch-ungarischen Reisenden. In der dritten Gruppe: geographische Lehrmittel, und in der vierten Gruppe: neue geographische Publikationen, waren vor allem deutsche kartographische Anstalten und Verlagsfirmen vertreten. Die dritte Gruppe umfaßte auch eine eigne Abteilung von Apparaten, Globen und Reliefs für den geographischen Unterricht. Von ganz besonderm Interesse für den Fachmann war die fünfte Gruppe, welche Instrumente zu geographischen Ortsbestimmungen sowie eine Abteilung für Fachlitteratur, Tabellen und Tafeln enthielt. Als Versammlungsort für den zehnten deutschen G. 1893 wurde Stuttgart gewählt.

Ein internationaler Kongreß der geographischen Wissenschaften wurde vom 10. bis 14. Aug. 1891 in Bern abgehalten, an dem über 400 Teilnehmer gezählt wurden, 39 Proz. aus der Schweiz, 61 Proz. aus dem Ausland, und zwar aus Frankreich 36, Deutschland 17, Österreich-Ungarn 11, Italien 10, Großbritannien 8, Rußland 7 Proz, der Rest aus Holland, Belgien, Portugal, Spanien, Schweden, Norwegen, Rumänien, Griechenland, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Kanada, Mexiko, Brasilien, Ägypten, Australien. Delegierte hatten 9 europäische Regierungen (von deutschen Württemberg) und 3 amerikanische, sodann 43 europäische, 4 amerikanische und eine australische Gesellschaft für