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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Innere Medizin (10. Kongreß, Wiesbaden 1891)
aus letztern besteht, die sich durch ihr niedriges Kaliber auszeichnen, da sie ein geringes postembryonales Wachstum haben. In diesen protoplasmareichen Fasern vollziehen sich bei den Amphibien im Wechsel der Jahreszeiten sehr wesentliche Veränderungen, indem in der interfibrillären Substanz Fett in Tropfenform in größerer Menge auftritt, ähnlich wie bei Warmblütern bei Phosphorvergiftung die Verfettung in der interfibrillären Substanz erfolgt, woraus es sich erklärt, daß das Herz ganz besonders ergriffen wird. Auch bei der Nervendurchschneidung lassen sich ähnliche Verhältnisse erkennen. Zum Schlüsse sprach Schott-Nauheim über Differentialdiagnose zwischen Perikordialexsudat und Herzdilatation.
Der zweite Kongreßtag brachte die Debatte über das Kochsche Heilverfahren. Als Referenten waren bestellt: v. Iaksch-Prag über diagnostische und therapeutische Resultate; Ziegler-Freiburg, Pathologisch-Anatomisches; Heulmer-Leivzig, Tuberkulm in der Kinderheilkunde; Schmidt-Frankfurt a. M., Tuberkulm bei Kehlkopftuberkulose; Dettweiler-Falkenstein, das Kochsche Verfahren im Verhältnis zur klimatischen und Anstaltsbehandlung; Sonnenburg-Berlin, Tuberkulinkuren und Lungenchirurgie. In seiner die Verhandlungen einleitenden Rede charakterisierte Curschmann-Leipzig das Stadium, in welches wir nach einer Zeit des anfänglichen, alles Maß überschreitenden Enthusiasmus und einer darauf folgenden ebenso unberechtigten Depression gelangt sind, als das der beginnenden ruhigen Arbeit. Mehr und mehr wird es klar, daß die große Frage, die völlig ungerechtfertigt als zu früh von Koch in die Welt gesetzt bezeichnet wurde, am wenigsten im Reagenzglas und am Versuchstier, sondern nur am Krankenbett Weiterreisen kann, und zwar unter steter Beihilfe und Kontrolle der pathologischen Anatomie. Festzustellen, was in dieser Beziehung bereits geleistet und gewonnen ist, weitere Angriffspunkte zu gewinnen der so unendlich vielseitigen Krankheit gegenüber je nach Sitz und Ausbreitung, Alterund Geschlechtund Komoinationen mit andersartigen Krankheitserregern, das werden die nächsten Aufgaben sein. Sie werden sich verknüpfen mit dem Streben im allgemeinen wie im Einzelfall, die größten Erfolge ohne oder mit den geringsten schädlichen Nebenwirkungen zu erreichen, andre bereits erprobte Vehandlungswelsen wirksam mit der Kochschen zu verbinden, je nach Umständen diese zurücktreten und jene die Hauptrolle spielen zu lassen. Von untergeordneten Schattierungen abgesehen, sind wohl alle heute darin einig, daß uns in dem Kochschen Mittel zum erstenmal ein Stoff gegeben ist, welcher auf tuberkulös angegriffene lebende Gewebe und ihre nächste Umgebung eine spezifisch zerstörende Wirkung ausübt, eine fundamentale Entdeckung und sicher eine der größten, welche die Heilkunde aufzuweisen hat. Diesen Thatsachen gegenüber gibt es kein Deuteln und Schwanken. Wenige der heute unentbehrlichen Heilmittel sind dem Arzte so gediegen vorbereitet in die Hand gegeben wordeil.
Seine Aufgabe, nicht die der Theoretiker, ist es, das Weitere fruchtbringend Zu gestalten. Die Frage befindet sich heute noch im Kindesalter, nur den einfachsten Aufgaben, der Therapie der experimentellen Tiertuberkulose und beim Menschen derjenigen gewisser äußerer und innerer umschriebener, unkomplizierter Prozesse, können schon heute gewisse Erfolge Zugeschrieben werden. Auch verwickeltern Aufgaben werden erweiterte Kenntnis und ausgebildetere Methoden genügen. Wie weit wir bommen werden, wie weit namentlich auf dem Gebiete der Heilung der
Lungentuberkulose, welche Formen und Stadien unzugänglich bleiben, was wir bei den sicher sehr bedeutungsvollen Mischinfektionen mit der Tuberkulinbehandlung erzielen werden, das muß der Zukunft anheimgestellt bleiben. Dieser Standpunkt Cursch-manns, der ebensoweit von übergroßem Enthusiasmus wie von unfruchtbarem Skeptizismus entfernt ist, dürfte als der heute maßgebende zu betrachten sein.
Dabei können hinsichtlich dessen, was an wirklichen Heilerfolgen heute schon von den einzelnen Beobachtern mitgeteilt werden kann, die allergrößten Differenzen zu Tage treten. Lauten z. B. in dieser Hinsicht die Erfahrungen von v. Ziemssen-München, Fürbringer und Guttmann-Berlin, v. Lenhartz-Leipzig, Stintzing-Iena außerordentlich ermutigend, so haben ebenso gewichtige Forscher, wie Naunyn-Straßburg, Schultze-Bonn u. a., so wenig günstigen Eindruck gewonnen, daß der letztere z. B. bekennen mußte, er habe seit Mitte Februar die Injektionsspritze nicht mehr anzurühren gewagt. Diese großen Abweichungen in den Erfahrungen mögen wesentlich aus den Verschiedenheiten des Krankenmaterials, aus den Verpflegungsverhältnissen und ähnlichen Umständen zu erklären sein. Daß diese nicht alles erklären, geht anderseits wieder daraus hervor, daß aus zwei Anstalten, die nach ganz ähnlichen Grundsätzen geleitet werden, die ein so gleichartiges Krankenmaterial haben wie Falkenstein und Görbersdorf, ganz entgegengesetzte Resultate berichtet werden. Während Dettweiler-Falkenstein so weit geht, zu erklären, daß das Tuberkulm in seiner heutigen Anwendungsweise kline wesentliche Bereicherung unsers Arzneischatzes zur Bekämpfung der bacillären Lungenschwindsucht ist, hat Wolfs-Görbersdorf ganz entgegengesetzte Eindrücke gewonnen, und auch aus Davos werden beachtenswerte Ergebnisse einer Kombination der Anstaltsbehandlung mit dem Injektionsuerfahren berichtet. Bei der Erklärung so großer Verschiedenheiten der Heilerfolge kommt wohl auch, wie von den verschiedensten Seiten hervorgehoben worden ist, die Dosierungssorm des Mittels in Betracht. Koch hat bekanntlich in seiner Publikation bestimmte Vorschriften über die Dosierung gegeben.
Es gewinnt aber den Anschein, als ob dieselben zu hoch gegriffen sind, und als ob das Ausgehen von viel kleinern Anfangsgaben und eine viel langsamere Steigerung derselben und zwar in weit größern Zeitintervallen den richtigen Weg bedeuten, um viele unzweifelhaft bestehende Gefahren vermeiden zu lassen und bessere Heilerfolge zu erzielen.
Am dritten Sitzungstage sprach Fränkel-Berlin über Brust br äune (^n^iiiH i)6ewri8). Das Leiden gehört im wesentlichen der zweiten Lebenshälfte an und kommt vorzugsweise in denjenigen Jahren zur Beobachtung, in welchen sich arteriosklerotische Veränderungen am Gefäßapparat zu entwickeln pflegen.
Ferner kommen in Betracht gewisse Herzklappenfehler, besonders die Insuffizienz oder Stenose der Aortenklappen, endlich aneurnsmatische Erweiterung der Aorta, speziell des aufsteigenden Schenkels. Gicht und Diabetes sind als Ursachen der Angina wohl nur insofern anzusprechen, als sie in entschiedener Weise zur Entwickelung arteriosklerotischer Gefäßveränderungen disponieren. Eine größere Rolle aber spielen jedenfalls die Erblichkeit und nachhaltig einwirkende Gemütsbewegungen. Die anatomischen Befunde haben gezeigt, daß echte Angina in weitaus den meisten Füllen, ja man kamt sagen stets, sich auf Grund einer bereits vorhandenen Affeknon des Gefüßapparcüs entwickelt. Die Anfälle sind charatten-