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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Italien (Industrie, Handel, Finanzen, Heerwesen)
garnspinnereien in Ligurien entstanden. Eine Statistik der in I. bis Ende 1889 aufgestellten Dampfmaschinen (mit Ausschluß der Lokomotiven) ergab eine Ziffer von 9983 Maschinen von 156,680 Pferdekräften. Im Verhältnis zum Jahre 1876 hat sich die Zahl der Maschinen mehr als verdoppelt, die der Pferdekräfte fast verdreifacht, woraus man jedenfalls auf einen bedeutenden Aufschwung der italienischen Industrie im letzten Dezennium schließen kann. Die der Steuerkontrolle unterliegenden Industrien, wie die Erzeugung von Branntwein, Bier, Zucker, Glykose und Zichorien, zeigten im Betriebsjahre 1889/90 (im Vergleich zum vorausgegangenen Jahre) folgenden Stand: Branntweinbrennereien waren 2129 im Betrieb (gegen das Vorjahr 274 mehr), die 265,500 hl Branntwein (gegen das Vorjahr 122,000 hl mehr), hauptsächlich Sprit aus stärkehaltigen Substanzen, erzeugten. Bierbrauereien waren 142 (gegen 139) im Betriebe, welche 157,600 hl Bier (gegen 137,700 im Vorjahr) erzeugten. Zuckerraffinerien waren von7 vorhandenen nur 2 im Betrieb; dieselben erzeugten 6358 metr. Ztr. raffinierten Zucker. Endlich wurden von 7 Fabriken 32,485 metr. Ztr. Glykose und von 229 Unternehmungen 19,460 metr. Ztr. Zichorie produziert. Die Fabrikationssteuer für alle diese Produkte ergab 18,8 Mill. Lire (gegen 15,6 Mill. im Vorjahr).
[Handel.] Der auswärtige Warenverkehr Italiens ergab 1890, verglichen mit dem Vorjahre, folgenden Wert (in Millionen Lire):
1889 1890
Einfuhr 1391,2 1316,6
Ausfuhr 950,6 875,8
Sowohl die Einfuhr wie die Ausfuhr zeigt hiernach eine Verminderung um je ca. 75 Mill. Lire. Die Handelsbilanz ergibt wie im Vorjahr ein Überwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr um 440,8 Mill. Lire, ist aber bei der Verminderung des Gesamtverkehrs verhältnismäßig noch ungünstiger geworden. Der Edelmetallverkehr weist einen Einfuhrwert von 57,6 und einen Ausfuhrwert von 66,0 Mill. Lire auf (gegen 49,6, bez. 55,1 Mill. im Vorjahr). In der Wareneinfuhr ist die größte Abnahme gegen 1889 in der Getreide- und Mehleinfuhr (197,9 gegen 244,2 Mill. Lire) als eine Folge der nicht ungünstigen letztjährigen Ernte sowie der erhöhten Weizenzölle eingetreten. Zurückgegangen ist ferner die Einfuhr von Seide, bez. Seidenwaren (87,1 gegen 113,8 Mill. Lire), von Metallen und Metallwaren (168,4 gegen 194,8 Mill. Lire), von Tieren und tierischen Produkten (109,5 gegen 114,6 Mill. Lire). Dagegen haben in der Einfuhr zugenommen: Steine und Erden und daraus erzeugte Waren (143,5 gegen 135,2 Mill. Lire, wobei insbesondere die Steigerung der Einfuhr von Mineralkohlen von 4 auf 4,35 Mill. metr. Ztr. in Betracht kommt), chemische Erzeugnisse (46,2 gegen 29,7 Mill. Lire), Baumwolle und Baumwollwaren (178,3 gegen 172,3, Kolonialwaren und Tabak (87,1 gegen 83,7), Getränke, mineralische und vegetabilische Öle (35,8 gegen 34,2), Hanf, Flachs, Jute und Waren daraus (26,3 gegen 24,6), Häute und Felle (45,4 gegen 42,6), Papier und Bücher (12,6 gegen 11,6 Mill. Lire). Die Abnahme der Ausfuhr trifft in erster Reihe den Hauptartikel des italienischen Handels, nämlich Seide, deren Ausfuhr sich von 353 auf 300,3 Mill. Lire verringerte. Die Quantität der ausgeführten Seide hat sich übrigens nicht vermindert, vielmehr ist der Minderwert dem Rückgänge der Seidenpreise zuzuschreiben. Bedeutend gesunken ist ferner die Ausfuhr von Getränken (von 128,5 auf 92,7 Mill. Lire); insbesondere ist die Ausfuhr von Wein in Fässern, welche 1887 noch 3,6 und 1888 1,8 Mill. hl betrug, neuerdings von 1,408,977 hl im J. 1889 auf 904,327 hl im J. 1890, an Olivenöl von 552,680 auf 378,318 metr. Ztr. herabgegangen. Die außerordentliche Abnahme der Weinausfuhr ist bekanntlich fast ausschließlich durch die Absperrung des Hauptabsatzgebietes, Frankreich, hervorgerufen. Letzteres Land, welches 1886: 1,85 Mill. hl (vier Fünftel der gesamten italienischen Weinausfuhr) bezog, nahm 1890 nur 19,234 hl (d. h. 2 Proz. der Ausfuhr Italiens) auf. Allerdings hat I. sich andre Märkte erschlossen, doch erreichen alle zusammen nicht die Aufnahmefähigkeit des französischen Marktes. Eine Abnahme der Ausfuhr zeigen ferner die Warengruppen: Papier und Bücher (10,7 gegen 15,3 Mill. Lire), Holz- und Strohwaren (34,6 gegen 37,5), Häute und Felle (20,8 gegen 22,9), chemische Erzeugnisse (43,5 gegen 45,6), Hanf, Flachs und Waren daraus (40,9 gegen 41,3 Mill. Lire). Eine Ausfuhrzunahme weisen hingegen insbesondere auf: Getreide und andre landwirtschaftliche Produkte (89,2 gegen 74,6 Mill. Lire, obgleich die Ausfuhr von Agrumen von 1,942,524 metr. Ztr. im J. 1889 auf 1,905,711 metr. Ztr. im J. 1890 gesunken ist), Tiere und tierische Produkte (96,6 gegen 92,8 Mill. Lire), Steine und Erden (52,2 gegen 50,9 Mill. Lire, obwohl die Ausfuhr des wichtigsten Artikels, Schwefel, von 3,32 auf 3,29 Mill. metr. Ztr. zurückgegangen ist), Mineralien und Metalle (27,9 gegen 26,5 Mill. Lire). Die Zölle trugen im J. 1890: 256,3 Mill. Lire ein (gegen 1889 um 12 Mill. weniger).
[Staatsfinanzen.] In der Lage der italienischen Staatsfinanzen zeigt sich in den letzten Jahren immerhin eine Besserung und namentlich seit dem letzten Ministerwechsel das energische Bemühen, wieder zum Gleichgewicht zwischen den Staatseinnahmen und -Ausgaben zu gelangen. Das Defizit, welches im Finanzjahre 1888/89: 234 Mill. Lire betragen hatte, fiel 1889/90 auf 74 Mill.; 1890/91 wurde es ursprünglich auf 25 Mill. veranschlagt, erhöhte sich aber infolge Ausfalles in den Einnahmen auf 45 Mill., wozu noch 12,5 Mill. Lire Staatszuschuß für Rom hinzuzufügen sind. Zur Deckung der Fehlbeträge sind 132 Mill. Lire aus der verkauften Rente der Pensionskasse verwendet worden, wogegen von nun an die Pensionen mit jährlich 216 Mill. Lire durchaus auf dem Budget lasten. Für 1891/92 wurden die wirklichen Einnahmen vom Finanzminister Grimaldi mit Rücksicht auf das voraussichtliche Zurückbleiben der Steuererträge auf 1578,5, die Ausgaben auf 1605,5 Mill. Lire veranschlagt, so daß mit Einschluß der 11 Mill. betragenden Unterbilanz in dem Titel »Kapitalbewegung« ein Defizit von 38 Mill. Lire angenommen wurde. Grimaldi hoffte dieses Defizit durch Ersparnisse auf 29 Mill. Lire zu vermindern. Sein Nachfolger, Luzzatti, acceptierte diese Vorschläge, überreichte aber noch Abänderungen zum Voranschlag, wodurch weitere 36 Mill. erspart werden sollen, von denen 10,8 Mill. auf das Armeebudget und 6,5 Mill. auf das Marinebudget entfallen. Auch sollen die Eisenbahnbauauslagen erheblich vermindert werden. Den hiernach berechneten Überschuß von 7 Mill. will der Minister in Verbindung mit weitern 3 Mill., welche von der Reorganisierung der Emissionsinstitute erwartet werden, dazu verwenden, um den möglichen Ausfall von 10 Mill. Lire bei den Einnahmen zu decken.
[Heerwesen.] Zum stehenden Heere gehören das bei den Fahnen befindliche Heer und die zur Reserve