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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schlagende Wetter (Entstehungsursachen; Verhütung von Unglücksfällen).

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Schlagende Wetter'

ausblasenden, den Staub aufwirbelnden Sprengschuß wird eine starke Erhitzung des Kohlenstaubes herbeigeführt, die Kohlepartikelchen entwickeln entzündliche Gase, welche sich der Luft beimischen und mit dieser explodieren. Über das Verhältnis, in welchem diese verschiedenen Ursachen der Bildung schlagender Wetter zur Geltung kommen, läßt sich wenig sagen, zumal man bis in die jüngste Zeit die durch Kohlenstaub verursachten Explosionen andern Ursachen zuschreiben mußte. In den Jahren 1861 - 84 sind in Preußen 75 Proz. aller Schlagwetterexplosionen durch langsames stetiges Austreten der Gase aus der anstehenden Kohle veranlaßt worden.

Zur Verhütung der Unglücksfälle durch s. W. sind nur zwei Mittel anwendbar: gute Ventilation und Vorsicht. Alles andre ist hinfällig, unpraktisch, unausführbar oder sogar schädlich. Schafft ein Ventilator aus einer Grube in der Minute 2000 cbm Luft, welche 1 Proz. Methan enthält, so beträgt das Gewicht des Methans im Jahre 7,5 Mill. kg. Nach Ermittelungen der preußischen Schlagwetterkommission betrug die Menge des in 24 Stunden mit der Wetterströmung ausziehenden Grubengases 7000, 16,000, selbst 25,000 cbm. Solchen Mengen gegenüber versagen selbstverständlich die vorgeschlagenen Absorptionsmittel in einer weit ausgedehnten, oft mehrere Meilen langen Grube, in der an zahllosen Stellen die Gase austreten, hier langsam in geringen, dort plötzlich in kolossalen Mengen. Hier kann nur eine kräftige Ventilation wirksame Hilfe gewähren.

Wirkt die Explosion der schlagenden Wetter durch den Druck der Gase, durch die Flamme, durch herabstürzendes Gestein, so bietet der Nachschwaden noch eine große Gefahr. Nach der Explosion ist die Luft für die Atmung zu arm an Sauerstoff, enthält oft auch noch giftiges Kohlenoxyd, und die von der Explosion verschont Gebliebenen müssen ersticken, wenn nicht für schleunige Zufuhr frischer Luft gesorgt wird. Letzteres aber ist oft unmöglich, da durch Explosion häufig genug die Wetterwege zerstört sind und die Ventilation an vielen Punkten unterbrochen ist. Die Verbrennungsprodukte eines zwölfprozentigen Gasgemisches bestanden nach Verdichtung des Wasserdampfes aus 4,8 Proz. Kohlensäure, 3,9 Proz. Kohlenoxyd, 2,5 Proz. Methan und andern Kohlenwasserstoffen, 3,5 Proz. Wasserstoff und 82,2 Proz. Stickstoff. Kohlenoxyd scheint bei schlagenden Wettern von weniger als 9,5 Proz. Gasgehalt, wie sie auf Steinkohlengruben in der Regel vorkommen, nur dann zu entstehen, wenn Kohlenstaub vorhanden gewesen ist.

Seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts hat man in England die Beobachtung gemacht, daß Kohlenstaub an der Entstehung und an den Wirkungen der Schlagwetterexplosionen oft in hohem Grade beteiligt sei. Faraday und Lyell sprachen im J. 1844 zuerst aus, daß bei einer Explosion in einer englischen Steinkohlengrube der Kohlenstaub entgast worden sei und dadurch eine Vergrößerung und Weiterfortpflanzung der Explosion stattgefunden habe. Weitere Untersuchungen durch französische und andre Forscher ergaben schwankende Resultate, Galloway fand, daß zur Erzeugung einer Explosion durch manche Kohlenstaubsorten gleichzeitige Anwesenheit von wenig Methan erforderlich ist, während andre Sorten von Kohlenstaub auch ohne Mithilfe von Methan explosionsfähig sind. Auch englische Versuche (1876-82) wollten dem Kohlenstaub bei Abwesenheit von Methan keine besonders große Gefährlichkeit beimessen. Weitere Untersuchungen, namentlich auch die von Hilt im Auftrage der preußischen Schlagwetterkommission ↔ auf Grube König bei Neunkirchen (Saarbrücken) 1884/85 angestellten, haben dann gezeigt, daß sich allgemein Gültiges kaum sagen läßt, daß die Ereignisse vielmehr von dem Zusammentreffen sehr mannigfacher Verhältnisse abhängig sind. Als feststehend kann nur Folgendes gelten: Die Mitwirkung des Kohlenstaubes ist in der Hauptsache auf die bei plötzlicher Erhitzung desselben sich entwickelnden Kohlenwasserstoffe zurückzuführen. Je nach der Beschaffenheit und Menge des Staubes (am gefährlichsten sind nicht etwa die gasreichsten Kohlen, sondern solche, welche nur 16-24 Proz. flüchtige Bestandteile enthalten) können diese Gase für sich eine Explosion herbeiführen (Staubexplosionen), oder sie vermögen vorhandene, aber noch nicht explodierbare Grubengasgemenge zur Explosion zu bringen (gemischte Explosionen). Daneben bildet der aufgewirbelte und erhitzte Staub noch den Vermittler, um die an einer Stelle der Grube erfolgte Entzündung einer Gas- und Staubansammlung fast auf unbegrenzte Entfernungen hin nach andern derartigen Ansammlungen fortzupflanzen (Doppelexplosionen). Soll indes der Kohlenstaub überhaupt eine gefährliche Rolle spielen, so müssen die Umstände zusammenwirken: das Vorhandensein einer gewissen Menge von Staub, lebhaftes Aufwirbeln desselben und eine Feuererscheinung, welche fähig ist, den aufgewirbelten Staub zur Abgabe von Gasen zu erhitzen und diese auch sofort zu entzünden. Die erste Bedingung ist auf allen einigermaßen trocknen Gruben erfüllt, die beiden andern hingegen eigentlich nur bei einem ausblasenden Sprengschuß von Schwarzpulver oder bei einer auf gewöhnliche Art entstandenen Grubengasexplosion. Dynamit und andre brisante Sprengstoffe sowie auch offenes Licht zünden nur dann, wenn stärkere, mehr als 4 Proz. Methan enthaltende Grubengasgemenge als viertes Erfordernis vorhanden sind.

Bei der großen Rolle, welche die Sprengstoffe hinsichtlich der Erzeugung von Explosionen spielen, hat man sich vielfach bemüht, solche Sprengstoffe aufzufinden, die vollkommene Sicherheit darbieten. Die brisanten Sprengstoffe sind minder gefährlich als das alte schwarze Sprengpulver. Während aber letzteres die Kohle in großen Blöcken liefert, erzeugen die brisanten Sprengstoffe sehr viel Kohlenklein. Die theoretisch größte Sicherheit beim Schießen an gefährlichen Punkten würde erzielt werden bei Anwendung eines sehr brisanten Sprengstoffes, möglichst starken Zündhütchens und elektrischer Zündung. Da aber an die Praxis Konzessionen zu machen sind, so steht die Sprengstofftechnik vor einer sehr schwierigen Frage, die bis heute noch nicht völlig befriedigend gelöst ist. Als relativ sicherster Sprengstoff kann wohl das Roburit angesprochen werden.

Den Schwankungen des Luftdruckes schrieben Scott und Galloway einen sehr großen Einfluß auf die Entstehung von Explosionen zu, die französische Schlagwetterkommission will denselben höchstens eine untergeordnete Bedeutung zugestehen. Die preußische Kommission hat unter Bestätigung gleichzeitiger Untersuchungen von Walchers festgestellt, daß auf ein Steigen des Barometers stets eine Abnahme, auf ein Fallen desselben stets eine Zunahme des Gehaltes der ausziehenden Wetter an Grubengas und Kohlensäure und zwar in einem mäßigen, niemals mehr als einen Tag betragenden Abstände folgt; je rascher das Steigen und Fallen des Luftdruckes vor sich geht, um so größer sind auch die Schwankungen im Gasgehalt. Besonders hat sich dies hinsichtlich der alten Baue gezeigt, in denen bei Ände-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 812.