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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Spanische Litteratur (Drama; katalanische Litteratur; wissenschaftl. Litteratur)
Pardo de Bazan, Pereda, Perez Galdos etc. sagen konnten; in seinen Schilderungen ging er auch nicht über die der spanischen und französischen Naturalisten hinaus, blieb freilich auch nicht weit hinter ihnen zurück. Als litterarisches Kunstwerk betrachtet, war der Roman ziemlich schwach; die Charakteristik war stellenweise recht dürftig, ja selbst falsch, vielfach übertrieben und karikiert, aber jedermann wußte, daß ein solches Werk nur mit Vorwissen der Leiter des in Spanien allmächtigen und von der konservativ-klerikalen Regierung auf jede Weise protegierten Ordens geschaffen und veröffentlicht sein konnte, und dieser Umstand bedingte den ganz unverdienten Erfolg des Buches. Die Kritik spaltete sich, schließlich mußten aber selbst manche der eifrigsten Verfechter der vermeinten ungewöhnlichen litterarischen Begabung des Verfassers zugeben, daß er der Vervollkommnung als Novellist noch fähig sein dürfte.
Das Drama hat in den letzten Jahren wenige bedeutende Neuheiten aufzuweisen gehabt. »Un crítico incipiente« von José Echegaray, »Las personas decentes« von Enrique Gaspar, »Raquel« von Vicente Garcia de la Huerta sind eigentlich die einzigen erwähnenswerten Werke. Besonders bevorzugt sind immer die leichtern dramatischen Gattungen, namentlich die »Zarzuela«, die echt spanische Operette, und hier werden auch beständig eine große Zahl von Novitäten geschaffen, die sich so lange auf dem Repertoire erhalten, bis das Publikum derselben müde ist, und bis sie durch andre prickelnde Neuheiten verdrängt werden. Es wird auf diesem Gebiet viel Gutes geschaffen, aber auch dieses hat doch nur wenig Lebensfähigkeit.
Wir müssen nun noch einen Blick auf die stetig wachsende und völlig selbständigen, unabhängigen Charakter annehmende katalonische Litteratur werfen, die der kastilischen, allgemein spanischen, mehr und mehr den Rang streitig zu machen sucht, und die in der That sehr viel Schönes und Bedeutendes aufzuweisen hat. Hier seien zunächst die 1887 und 1888 erschienenen Gedichtsammlungen des Verfassers der »Atlantida«, Jacinto Verdaguer, erwähnt. Sie sind meist religiösen, mystischen Charakters, ebenso die »Nazareth« betitelten, 1890 herausgegebenen Gedichte. Es überwiegen auch im übrigen die Gedichtsammlungen der hervorragendsten katalanischen, balearischen, valencianischen Lyriker, wie die »Posías catalanas« von Dolores Monserdá de Maciá, von Angel Guimerá, Miguel Costa y Llobera, Apeles Mestres. Von größern Werken müssen hervorgehoben werden die epische Dichtung: »Mallorca cristiana« von Damas Calvet und namentlich das von der spanischen Akademie in Madrid 1888 preisgekrönte Drama »Las batalla de Reinas« von Frederich Soler. Auch sonst sind eine Reihe Dramen geschaffen, die über die Grenzen Kataloniens hinausgedrungen sind.
Die Wissenschaften haben nach wie vor wenige wirklich bedeutende originelle Leistungen aufzuweisen. Hervorragendes wird ausschließlich auf den Gebieten der Geschichte und der Jurisprudenz geschaffen. Verdienstlich ist es ferner, daß überall nach den bessern, für das Verständnis und die Aufhellung der frühern Geschichte und Kulturgeschichte wichtigen Quellenwerken geforscht, und daß diese publiziert werden. Derartige Sammlungen sind nachgerade so massenhaft geworden und haben so riesigen Umfang angenommen, daß sie zum Teil kaum minder schwer zu übersehen sind, wie die Originalschätze der Bibliotheken. Aus dem Gebiete der Geschichte sind zu verzeichnen: das große von der königlichen Akademie der Geschichte in Madrid herausgegebene und von ihren Mitgliedern geschriebene allgemeine Geschichtswerk über Spanien, das in der That verdienstvoll zu werden verspricht, da es auf den neuesten Quellenforschungen begründet ist. Ferner das von der jetzigen jungen Herzogin von Alva herausgegebene Werk: »El archivo de la Casa de Alba«; die »Actas de las Cortes de Castilla«; die »Colleccion de documentos inéditos para la historia de España«, wovon kürzlich Bd. 101 erschien; die »Coleccion de documentos inéditos relativos al descubrimiento, conquista etc. de Ultramar«. Überhaupt sind im Hinblick auf die bevorstehende 400jährige Feier der Entdeckung Amerikas eine beträchtliche Zahl von darauf bezüglichen Quellensammlungen, Monographien etc. erschienen, und sehr viel mehr derartiges ist in nächster Zeit zu erwarten. Die »Coleccion de documentos inéditos para la historia de America« wächst ebenfalls ins Ungeheure. Der Jesuit José Moret setzt seine »Anales del Reino de Navarro« fort, wovon kürzlich Bd. 6 erschienen ist. José Fernandez Montaña hat ein Werk: »Nueva luz y juicio verdadero sobre Felipe II« herausgegeben.
Von juristischen Werken sind zu erwähnen: die »Biblioteca jucicial«; ferner Nobles Pozo, »Derecho procesal de España«; Leon Medina y Manuel Marañon, »Leyes penales de España«; das neue Gesetzbuch von Alonso Martinez; das »Derecho penal« von Francisco Silvela; »Historia de la legislacion española desde los tiempos mas remotos hasta nuestros dias« von José Maria Antequera; »Legislacion de ferrocarriles« von Emilio Bravo y Moltó; »Origen de la personalidad individual en el derecho« von Enrique Miralles y Prats; »El dereocho électoral en España« von D. Ambrosio Tapia y Gil; »Historia de la propriedad comunal« von Rafael Altamira y Crevea. Von theologischen Werken ist das des Kardinals Gonzalez, »La bilia y la Ciencia«, zu nennen; von philosophischen Perojos Übersetzung von Kants »Kritik der reinen Vernunft«; Daurella y Rull, »Instituciones de metafísica«; von encyklopädischen das »Diccionario encyclopédico hispano-americano«, das bei Montaner y Simon in Barcelona erscheint; das biographische von Ossorio y Bernard; das von A. E. de Molins, »Diccionario biográfico y bibliográfico de escritores y artistas catalanes«. Die Litteraturgeschichte hat in Menendez y Pelayo ihren eifrigen Vertreter, der unermüdlich neue Werke schafft. Von Blanco Garcia ist »La literatura española en el Siglo XIX« (1. Teil, Madrid 1891) zu erwähnen; ferner Javier Garrigo, »Estudio de la novela picaresca española« (das. 1891); ferner Melchor de Palau, »Acontecimientos literarios«; Vicente Barrantes, »El teatro Tagalo« (1890). Von deutschen Werken sind zu nennen: Schäffer, »Geschichte des spanischen Nationaldramas« (Leipz. 1891, 2 Bde.); Joh. Fastenrath, »Katalanische Troubadoure der Gegenwart« (das. 1890).
Die Bibliographie, welche bis vor wenigen Jahren eine in Spanien beinahe unbekannte Wissenschaft war, wird jetzt auf das lebhafteste gepflegt. Erwähnen wollen wir: Picatoste y Rodriguez, »Apuntes para una biblioteca española del Siglo XVI«; Allende Salazar, »Biblioteca del bascófilo«; Arboli, »Biblioteca columbina 1888-91«; Fern. Duro, »Coleccion bibliográfico-biográfica de noticias refer. á Zamora« (1891); Gallardo, »Ensyo de una biblioteca española de libros raros y curiosos«, ein von der Nationalbibliothek gekröntes und