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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Troja (Nekropolenstreit)

niere assyro-babylonienne« (Louvain 1389) und »Hissarlik, wie es ist« (Berl. 1890), die Ansicht vertrat, daß Hissarlik eine Feuernetropole gewesen sei. Die Auffindung wirklicher Feuernekropolen in Babylonien sowie die nicht zu leugnende Unklarheit und Ungenauigkeit in Schliemanns ersten Berichten bewirkten es, daß Böttichers Ansicht eine ganze Anzahl Anhänger fand; und in der That, wären Schliemanns erste Berichte wirklich richtig, so müßte Hissarlik wenigstens zeitweise eine Nekropole gewesen sein. Schliemann nannte zu Beginn seiner Ausgrabungen jedes gefundene Gefäß eine Aschenurne und betrachtete allen Schutt als Holzasche. Da also in seinen ersten Berichten von massenhaften Aschenurnen und massenhafter Holzasche die Rede war, so war der Schluß richtig, daß hier längere Zeit Leichen verbrannt und beigesetzt worden seien. Der Streit wurde so heftig, daß Schliemann sich zu einer neuen Ausgrabung entschloß und Hauptmann Bötticher selbst nach Troja einlud, um in Gesellschaft Dörpfelds, des Architekten Niemann und des Majors Steffen sowie Schliemanns selbst das Ruinenfeld zu studieren. Bötticher hat sich zwar nicht besiegt gegeben, aber doch von seinen frühern Meinungen so viel zurückgenommen, daß seine Hypothese als gefallen zu betrachten ist. Aber auch Schliemann mußte Belehrung annehmen und die sämtlichen, ganz unberechtigt

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von ihm so bezeichneten Aschenurnen als gewöhnliche, zum Gebrauche der Bewohner bestimmte Gefäße bezeichnen und in seiner Holzasche zum großen Teil verbrannten Ziegelschutt erkennen. Namentlich aber wurden bei der neuen Ausgrabung neue Exemplare jener großen Gefäße gefunden, in welchen Botticher die Verbrennungsöfen, resp. die Särge suchte, in denen aber nicht etwa Asche oder Skelette sich befanden, sondern allerlei Feldfrüchte, wie dies von vornherein von seinen Gegnern vorausgesetzt worden war. Noch andre Gründe, z. B. das Vorhandensein hölzerner Thürbekleidungen, sprachen gegen die Annahme der Feuernekropole.

Die Hypothese beruhte auf Irrtümern, die noch durch eigne Irrtümer Böttichers vermehrt wurden, und mußte denn schließlich in sich selbst zerfallen. Einen ruhigen, objektiven Bericht hat der Baudirektor Durm, welcher 1890 Hissarlik besuchte, über die ganze Frage geschrieben: »Zum Kampfe um Troja« (Berl. 1890). Hätten von vornherein wissenschaftliche Ausgrabungsberichte vorgelegen, so wäre die ganze Frage nicht entstanden; heute ist sie in dem Sinne Schliemann-Dörpfelds erledigt: Hissarlik war nicht eine Feuernekropole, sondern eine Burg.

Der Thatbestand.

Eine scheinbare Stütze für Bötticher war die Kleinheit der ganzen Anlage; die Burg von Troja ist

^[Abb.: Fig, 1. Plan von Troja-Hissarlik nach Schliemanns letzten Ausgrabungen 1890. Nach Dörpfeld.]