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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Volksvertretung (Japan, Niederlande, Österreich-Ungarn)
liberalen politischen Anschauungen; die erstern werden als ministerielle Linke, die letztern als oppositionelle Linke oder Pentarchisten (weil sie unter fünf Führern: Zanardelli, Baccarini, Cairoli, Crispi und Nicotera stehen) bezeichnet. Zur Opposition gehören ferner einige kleinere Gruppen, wie die vorgeschrittenen Republikaner oder Sozialisten und die sogen.
Gemäßigten (Uoclki^dog). Doch besteht kein fester Zusammenschluß der oppositionellen Gruppen, daher konnte die ministerielle Linke während der letzten 15 Jahre stets die Führung behalten.
lIapan.1 Die Verfassung vom 11. Febr. 1889 schuf zwei Häuser, ein Ober- und ein Unterhaus. Das Oberhaus, Haus der Pairs, besteht aus 5 Kategorien, 1) aus den majorennen männlichen Mitgliedern der kaiserlichen Familie, 2) aus allen über 25 Jahre alten Fürsten und Marquis, 3) aus den: fünften Teil aller nicht unter 25 Jahre alten Grafen, Viscounts und Barone des Reiches, welche von ihren Standesgenossen auf7Iahreerwähltwerden, 4) aushöchsteus 10 viel lebenslänglich vom Kaiser ernannten, nicht! unter 30 Jahre alten Mitgliedern, als die Zahl der sämtlichen Mitglieder des Adels beträgt, und 5) aus I.? nicht unter 30 Jahre alten, von den höchstbesteuerten männlichen Einwohnern der drei städtischen Bezirke (Tokio, Kioto und Osaka) und der 42 ländlichen Bezirke gewählten Mitgliedern, welche vom Kaiser auf 7 Jahre bestätigt werden. Die Zahl der Vertreter eines jeden Verbandes darf ein Fünftel der Wähler nicht überschreiten. Die Kategorien 4 und 5 zusammengenommen dürfen die Summe der Vertreter der übrigen Kategorien nicht übertreffen.
Dem .vaus der Pairs gehören gegenwärtig 280 Mitglieder an. Das Unterhaus besteht aus 300 nicht unter 30 Jahre alten Mitgliedern, die bezirksweise auf 4 Jahre von allen männlichen Unterthanen, welche das 25. Lebensjahr erreicht haben und 25 Jen (zu 4,i2 Mk.) Steuern zahlen, öffentlich zu wählen sind, und die selbst die gleiche Steuer in den: betreffenden Bezirk seit Jahresfrist gezahlt haben.
Die Mehrzahl der Beamten, alle Priester, die aktiven Militärs und die Häupter der Adelsfamilien sind von der Wahl ausgeschlossen. Niemand kann Mitglied beider Häuser sein. Die Präsidenten und Vizepräsidenten beider Häuser werden vom Kaiser ernannt. Alle Mitglieder erhalten Diäten und Reisespesen. Das Parlament soll jährlich zu einer ordentlichen Sitzungsperiode von 3 Monaten einberufen werden, welche eventuell verlängert werden kann.
Jedes Gesetz erfordert die Zustimmung beider Häuser.
Könnensich dieselben über eine Vorlage nicht einigen, so tritt auf Verlangen eines der Häuser eine Konferenz von Delegierten beider Häuser zusammen, deren Beschlüsse ohne Änderung angenommen oder verworfen werden müssen. Die Disziplinargewalt geht bis zur Ausschließung ungebärdiger Mitglieder. Im Fall der Auflösung des Unterhauses muß das neue Parlament binnen 5 Monaten einberufen werden.
Die Abgeordneten genießen Immunität. Die Wahlen fanden ordnungsmäßig im September 1890 statt, die erste Versammlung wurde im November durch den Kaiser eröffnet. Innerhalb des Parlaments hat sich eine Anzahl von Parteien gebildet. Der Regierungspartei, dem Kyodo-Klub, stehen mehrere Oppositionsparteien gegenüber, von denen die früher Rikken Iiyu-tö, die konstitutionell-liberale Partei, jetzt nur Iiyu-tö, liberale Partei, genannte die mächtigste ist. Eine dritte Partei ist die Fortschrittspartei, Kaishin-t S, welche bis jetzt am geschlossensten gegen die Regierung gekämpft hat.
^Niederlande.) Nach der Verfassung vom 24. Aug.
1815, mehrmals ergänzt, zuletzt 30. Nov. 1887, zerfällt die gesetzgebende Versammlung, die Generalstaaten (8t^t6ii 66N6i'tla1), in eine Erste und eine Zweite Kammer. Die Mitglieder der Ersten Kammer werden durch die Provinzialräte (kroviueialO steten) gewählt, und Zwar aus den in Bezug auf die direkten Steuern Höchstbesteuerten, von denen in jeder Provinz nur einer auf 1500 Einw.^ kommen darf, sowie aus denjenigen, welche hohe Ämter bekleiden oder bekleidet haben. Sie erhalten ihr Mandat auf 9 Jahre, alle 3 Jahre scheidet ein Drittel aus, doch können die Abtretenden wiedergewählt werden. Von den 50 Mitgliedern waren in der Legislaturperiode 1888-92 34 Liberale, 10 Katholiken und 6 orthodoxe Protestanten. Die Zweite Kammer wird durch die eingesessenen Niederländer gewählt, welche das 23. Lebensjahr zurückgelegt haben, im vollen Genuß der bürgerlichen Rechte sind und je nach den örtlichen Verhältnissen 24-100 Guld. Miete zahlen. Die Mitglieder werden auf 4 Jahre gewählt. Von den 100 Mitgliedern der für 1888-92 gewählten Kammer sind 45 Liberale und 55 Antiliberale. Letztere zerfallen in 28 orthodoxe Protestanten oder Konservative, 26Katholiken und 1 Sozialisten. Bei den am 14. Juni 1892 stattgefundenen Wahlen gewannen die Liberalen in der Kammer 60 Sitze, im Senat 30, die Klerikalen in der Kammer 92, im Senat 46. Das jetzige Ministerium ist ein antiliberales.
lÖsterreich-Unssarn.1 Für die beiden Staatsgebieten gemeinsamen Angelegenheiten (Vertretung nach außen, Kriegsmacht, Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina) steht das Gesehgebungsrecht den Delegationen, Ausschüssen von je 60 Mitgliedern (20 der ersten,40der zweiten Kammer) des Reichsrates der cisleithanischen Länder in Wien und des Reichstags der ungarischen Länder in Budapest, zu, welche jährlich abwechselnd nach Wien und nach Budapest berufen werden. Jede Delegation hat ihren Präsidenten und ihren Vizepräsidenten.
Österreich. Für alle Länder des österreichischen Staatsgebietes bildet der Reichsrat die Gesamtvertretung. Derselbe ist nach dem Staatsgrundgesetz vom 21. Dez. 1867 zusammengesetzt aus dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Das Herrenhaus zählt gegenwärtig 229 Mitglieder. Davon sind 21 großjährige Prinzen des kaiserlichen Hauses, 68 großjährige Häupter durch großen Grundbesitz hervorragender Adelsgeschlechter, welchen der Kaiser die erbliche Reichsratswürde verliehen hat, l OErzbischöfe und 9 Fürstbischöfe und 121 vom Kaiser wegen ihrer Verdienste um den Staat, die Kirche. Wissenschaft oder Kunst auf Lebenszeit ernannte Männer. Viele derselben gehören keiner der jetzt bestehenden Parteien des Herrenhauses an. Davon zählt die Rechte, die feudale Partei, unter ihrem Obmann, dem Fürsten Karl Schwarzenberg, 70; die Verfassungspartei unter Ritter v. Schmerling bildet die Linke und zählt 50, die Mittelpartei unter dem Fürsten Metternich bildet das Zentrum und zählt 40 Mitglieder. Das Haus der Abgeordneten zählt nach dem Gesetz vom 2. April 1873: 353 Mitglieder, welche auf die Dauer von 6 Jahren gewählt werden und zwar von den 4 Wählerklassen 1) des Großgrundbesitzes (in Tirol des adligen Großgrundbesitzes), der Abte und Pröpste, in Dalmatien der Höchstbesteuerten-, 2) der Städte, Märkte und Industrieorte; 3) der Handels- u. Gewerbekammern; 4) der Landgemeinden. Zur Wahlberechtigung sind 24, zur Wählbarkeit 30 Lebensjahre erforderlich. Die Wahlen sind in den Landgemeinden indirekt, sonst