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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Aktie und Aktiengesellschaft

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aktie und Aktiengeseelschaft I. Begriff und rechtliche Struktur'

auferlegt, den Gründungshergang im Interesse der Gesellschaft zu prüfen – erster Vorstand und Aufsichtsrat, sowie Emissionshäuser (s. das Nähere bei Emission und Gründung) –, der Gesellschaft die den gegebenen Versicherungen zuwider am Grundkapital fehlenden oder auf verhüllte Gründerbelohnungen hin wieder entgehenden Beträge, sowie bei frivoler Veranschlagung des Wertes von Sacheneinlagen zu einem zu hohen Grundkapitalsbetrage die Summen, um welche hinter diesem Betrage der wahre Wert zurücktritt, zu ersetzen. Die Prüfung seitens des Registerrichters behufs des Eintrags ist eine nur formale. Er kontrolliert, ob alle vom Gesetz erforderten Erklärungen in der vorgeschriebenen Form abgegeben sind. Die Abweichung dieser Erklärungen von der Wirklichkeit sollen die bezeichneten Verantwortlichkeiten decken. Die für das Publikum wesentlichen Festsetzungen werden vom Registerrichter unverzüglich nach der Eintragung im Auszuge veröffentlicht. Die Gesellschaft gelangt in den Besitz ihres Grundkapitals, soweit es nicht bereits zur Zeit ihrer Entstehung eingezahlt ist, mittels der Haftung jedes Aktionärs für den Nominal- oder normierten höhern Ausgabebetrag seiner Aktie. Da aber auch während des Zeitraums bis zur Vollzahlung die Möglichkeit der Weiterübertragung des Aktienrechts nicht ausgeschlossen werden soll, so ist diese Haftung zuvörderst Haftung des letzten im Aktienbuche eingetragenen Aktienerwerbers und zeitlich beschränkte Nachhaftung der eingetragenen Rechtsvorgänger. Vor der Vollzahlung soll, da eine Unterpariemission (s. d.) unzulässig ist, die Aktienurkunde nicht ausgegeben werden. Die Übertragung wird daher durch von der Gesellschaft ausgegebene provisorische Anteilsurkunden, Interimsscheine (s. d.), die als solche gekennzeichnet sein müssen und nur auf die namentlich bezeichnete Person, nicht auf den bloßen Inhaber, lauten dürfen, vermittelt. Die Übertragung kann durch eine nach ihrer Form dem im Wechselrecht vorgesehenen Indossament (s. d.) entsprechende Erklärung auf dem Interimsschein erfolgen. Solange aber der Übergang nicht unter Vorlegung des Interimsscheins zum Aktienbuche, welches die Gesellschaft zum Zwecke der Eintragung der Interimsscheine und ihrer Inhaber hält, angemeldet ist, gilt der Gesellschaft gegenüber nur der bisher Eingetragene und daher, sofern noch gar kein Übergang angemeldet ist, der zuerst einzutragende ursprüngliche Übernehmer oder Zeichner der Aktie als Aktionär. Bei der Ausschreibung der ausstehenden Aktienbeträge zur Einzahlung ist daher der letzte bei der Aktie im Aktienbuche eingetragene Inhaber der unmittelbar Verpflichtete. Bei Säumnis in der Zahlung, deren Betrag durch Verzugszinsen und statutengemäße Konventionalstrafen vermehrt werden kann, erfolgt dessen Ausschließung unter Kraftloserklärung (Kaduzierung) der bisher ausgegebenen Anteilsurkunde, an deren Stelle behufs Übernahme des Anteilsrechts seitens eines der nachhaftenden Rechtsvorgänger oder eines Käufers des Anteilsrechts eine neue, auch die früher bereits geleisteten Teilzahlungen umfassende Anteilsurkunde tritt. Von der Nachhaftung ist ein Rechtsvorgänger befreit, wenn von dem Zeitpunkt der Anmeldung des im Aktienbuche auf ihn folgenden Erwerbers bis zur Einforderung des in Rede stehenden Betrages bereits zwei Jahre verstrichen sind. Der Regreß gegen die danach haftbaren Rechtsvorgänger ist der Reihenfolge nach, also immer zunächst gegen den nächsten Vormann rückwärts zu ↔ richten. Ist auf diese Weise die Zahlung nicht zu erlangen, so kann das Anteilsrecht öffentlich verkauft werden. Der unmittelbar haftbar gewesene Ausgeschlossene bleibt wegen des Ausfalls sowohl an dem zur Zahlung stehenden Betrage, wie an den später eingeforderten der Gesellschaft haftbar. Aus keiner dieser Verbindlichkeiten können die Verpflichteten entlassen werden. Behufs Vermeidung dieser Wirkung darf die Aktiengesellschaft ihre eigenen noch nicht vollgezahlten Aktien auch im geschäftlichen Betriebe weder erwerben noch zum Pfande nehmen. Die Einforderung der Aktienbeträge erfolgt entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft unter Einhaltung der hierfür im Statut getroffenen Bestimmungen. Bei Versicherungsaktiengesellschaften pflegt ein Teil der Aktienbeträge nicht zur Verwendung im gewöhnlichen Geschäftsbetriebe, sondern nur zur Heranziehung behufs Deckung der entstehenden Verpflichtungen bestimmt zu sein. Der betreffende Teil des Grundkapitals wird Garantiekapital genannt. Um die schleunige Erlangung dieser Beträge im Bedarfsfälle zu sichern, ist hier die Verpflichtung der Aktionäre üblich, über dieselben der Gesellschaft Sichtwechsel auszustellen.

Unter der erforderten dauernden Erhaltung des Grundkapitals ist, da dieses im Geschäftsbetriebe umgesetzt wird, Erhaltung des Gesellschaftsvermögens in der Werthöhe des ursprünglichen Grundkapitals zu verstehen. Deshalb dürfen den Aktionären, abgesehen von den sog. Bauzinsen (s. d.), für die von ihnen gezahlten Aktienbeträge keine festen Bezüge, Zinsen, gewährt werden. Vielmehr darf unter dieselben nur der gemäß dem Abschluß der jährlichen Geschäftsperioden nach erfolgter Wiederergänzung des durch Verluste verminderten ursprünglichen Grundkapitals verbleibende Gewinn verteilt werden. Um entsprechend diesem Grundsatze die Verteilung von Grundkapital oder von zu dessen Wiederergänzung erforderlichen Beträgen als Gewinn zu verhüten, muß in der auf den Schluß jedes Geschäftsjahres nach dessen Ablauf zu ziehenden und nach ihrer Genehmigung zu veröffentlichenden Bilanz (s. d.), der nach Konten erfolgenden Vermögensaufstellung, unter den Passiven stets der Betrag des ursprünglichen Grundkapitals angesetzt werden. Demselben Zwecke dienen bestimmte Bewertungsvorschriften. Danach dürfen nur wirkliche Wertgegenstände, nicht durch Ausgaben erzielte bloß ideelle Vorteile (s. Organisationskosten) als Aktiva und die Vermögensgegenstände nur zu ihrem derzeitigen Werte, welcher für marktgängige Objekte ihr Realisierungswert ist, aber auch nicht über ihren geringern Anschaffungspreis angesetzt werden. Nur die im Gegensatz zur Weiterveräußerung dauernd zum Geschäftsbetriebe bestimmten Gegenstände dürfen ohne Rücksicht auf einen derzeitigen Minderwert zum Anschaffungspreise unter Abschreibungen (s. d.) auf Abnutzung angesetzt werden. Aber auch von dem so ermittelten Jahresreingewinn muß mindestens ein Zwanzigstel zur Vermehrung des Grundkapitals durch Bildung eines Reservefonds (s. d.) bis zur Erreichung eines Zehntels des Grundkapitals zurückgelegt werden. Der verteilungsfähige Gewinn, Dividende (s. d.), wird, abgesehen von diesem obligatorischen Reservefonds, bei vielen Gesellschaften auch noch durch andere auf dem Statut oder bei freiem Ermessen der Gesellschaft über die Höhe der Dividende auch auf bloßen Gesellschaftsbeschlüssen beruhende Bildungen besonderer Rück-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 291.