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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Algerien (Geschichte)

einen siegreichen Kampf mit einer alger. Fregatte; 19. Juni wurde ein zweites alger. Kriegsschiff erbeutet. Diese Niederlage nötigte den Dei 30. Juni zu einem Frieden, der die Flagge der Vereinigten Staaten als unverletzlich anerkannte. Um dieselbe Zeit erzwang der brit. Admiral Exmouth von den übrigen Barbareskenstaaten (s. Berberei) die Anerkennung eines völkerrechtlichen Verhältnisses in betreff der Kriegsgefangenen sowie die Aufhebung des Sklavenhandels. Da sich der damalige Dei von A., der wilde Omar, weigerte, auf die letztere Forderung einzugehen, und im Mai 1816 die Mannschaft von über 300 ital. Schiffen, die mit erkaufter Erlaubnis und unter engl. Flagge an der Küste dem Korallenfischfang oblag, niedermetzeln ließ, erschien Exmouth mit einer Flotte von 19 Kriegsschiffen, zu der auch 11 niederländ. Fregatten unter Admiral van der Capellen stießen, 27. Aug. 1816 vor der Stadt Algier. Es begann ein furchtbares Bombardement aus 2000 Geschützen, das die Stadt wie die Befestigungen und die Seemacht des Deis zerstörte. Dieser sah sich 28. Aug. zu einem Vertrage genötigt, wonach die Christensklaven unentgeltlich freigelassen, die bereits für ital. Gefangene entrichteten Lösegelder zurückerstattet wurden und künftig alle Kriegsgefangenen nach europ. Völkerrecht behandelt werden sollten. Der Dei ließ aber die Befestigungen wiederherstellen, und schon 1817 kaperten alger. Seeräuber die Schiffe solcher Staaten, die ihnen nicht Tribut und Geschenke bewilligten. Und dies thaten fast alle, auch England, das bei jeder Ablösung seines Konsuls 600 Pfund an die Kasse des Deis zahlte. Die Gefangenen wurden nach wie vor als Sklaven verkauft.

Nachdem Omar 1817 von den Janitscharen ermordet, sein Nachfolger Ali im Febr. 1818 von der Pest hingerafft worden war, wurde Hussein zum Dei erwählt. Dieser setzte die Plünderung europ. Schiffe und Kaufleute fort und verwickelte sich, namentlich wegen der Korallenfischerei zu La Calle und der Schuldforderung zweier alger. Juden an die franz. Regierung, mit dieser in einen Streit, der das Ende des Raubstaates herbeiführte. Ein Brief des Deis in jener Sache an den König von Frankreich blieb ohne Antwort. Als dann am Bairamfeste 1827 Hussein den franz. Konsul Deval deshalb zur Rede stellte und eine hochmütige Antwort erhielt, schlug er ihn ins Gesicht, schmähte den König und ließ die Niederlassungen franz. Korallenfischer bei Bona zerstören. Darauf stellte Frankreich ein Ultimatum und blockierte, als dessen Annahme verweigert wurde, die Küste. Diese Maßregel führte indes zu keinem Ergebnis, und das Ministerium Polignac beschloß die Eroberung von A. Eine Expedition von 75 Kriegs- und 400 Transportschiffen mit einem Landungsheere von 37 000 Mann ging 25. Mai 1830 unter Segel. Das Landungsheer stand unter Generallieutenant Bourmont, die Flotte unter Viceadmiral Duperré. Am 14. Juni 1830 begann die Landung der Franzosen in der Bai von Sidi Ferrusch ohne Hindernis. Während sie dort ihre Stellung befestigten, wurden sie 19. Juni von 40 000 Mann angegriffen, schlugen diese zurück und nahmen dem fliehenden Feinde Geschütz und Gepäck ab. Am 4. Juli wurde das Geschützfeuer von der Land- und Seeseite zugleich eröffnet, worauf der Dei 5. Juli kapitulierte, unter der Bedingung freien Abzugs für sich und seine Familie und franz. Schutzes für die Janitscharen. Die Flotte von 17 Kriegsschiffen, 1500 Kanonen und der Staatsschatz von 50 Mill. Frs. in der Kasba (Citadelle) fielen in die Hände der Sieger. Nach dem Falle der Stadt gingen zwei franz. Flottenabteilungen nach Tunis und Tripolis und zwangen beide Raubstaaten, der Seeräuberei zu entsagen. Franz. Landtruppen hatten 20. Juli bis 2. Aug. die Seeplätze Bona, Oran und Bougie (Bugia) besetzt. Nach der Julirevolution trat Bourmont zurück, und Clauzel wurde zu seinem Nachfolger ernannt, um eine regelmäßige Verwaltung einzuleiten und eine vollständige Eroberung des Landes bis zum Atlas auszuführen. Zunächst wurde Blida besetzt und Medea erstürmt. Clauzels Kolonisationspläne fanden jedoch bei der Regierung Ludwig Philipps keine Annahme und ein unpolit. Vertrag mit dem Bei von Tunis hatte im Febr. 1831 seine Abberufung zur Folge. Die Juliregierung hätte die lästige und gefahrvolle Eroberung gern wieder aufgegeben, schon um mit England in guten Beziehungen zu bleiben, das sie von Anfang an mit scheelen Augen ansah, doch wagte sie dies wegen der öffentlichen Meinung nicht, die eine thatkräftige äußere Politik forderte. Clauzels Nachfolger Berthezène ward wegen arger Mißgriffe 1. Dez. 1831 durch Savary (Herzog von Rovigo) ersetzt, der vier befestigte Lager und einige Straßen erbaute, dabei aber mit Willkür und Härte gegen die Araber verfuhr und 1832 den ganzen Stamm El-Uffia niedermachen ließ. Allenthalben erhob sich die einheimische Bevölkerung, während die Pariser Regierung sich erst im März 1833 entschloß Savary abzurufen. Der gefährlichste Feind erstand den Franzosen in Abd el-Kader (s. d.). Nach hartnäckigen Kämpfen schloß die franz. Regierung mit ihm den Frieden vom 26. Febr. 1834, der ihm die Herrschaft über alle arab. Stämme des Westens bis zum Flusse Scheliff unter der Lehnshoheit des Königs der Franzosen zuerkannte. Trotzdem brach, nachdem durch Verordnung vom 22. Juli 1834 ein "Generalgouvernement der franz. Besitzungen in Nordafrika" geschaffen und im Sept. 1834 der schwache General Drouet d'Erlon als erster Generalgouverneur eingetroffen war, der Kampf bald wieder aus. Nach einer Niederlage der Franzosen an der Makta (28. Juni 1835) wurde Drouet d'Erlon zurückberufen und Clauzel im Aug. 1835 wieder nach A. geschickt. Zwar gelang diesem die Eroberung von Mascara (6. Dez. 1835), dem Mittelpunkte von Abd el-Kaders Macht; allein der verfehlte Zug von Tlemsen aus nach der Tafna und die Niederlage des Generals d'Arlenges 25. April 1836 an diesem Flusse steigerten das Ansehen des Emirs gewaltig und fachten den Aufstand auch in andern Teilen des Landes an. Ein Sieg des Generals Bugeaud glich jene Schlappen nur unvollkommen aus. Im Nov. 1836 zog Clauzel mit 8000 Mann von Bona zur Eroberung von Constantine aus. Die Expedition scheiterte aber so vollständig, daß kaum ein Drittel der Truppen vor Hunger, Krankheit und dem Feinde gerettet wurde. Darauf ward Clauzel im Febr. 1837 abberufen und General Damrémont Generalgouverneur. Dieser schloß mit Abd el-Kader den Frieden an der Tasna (30. Mai 1837), der dem Emir den ganzen Westen von A. mit Ausnahme einiger Küstenplätze überließ, während Frankreich einen ansehnlichen Teil Orans erwarb. Anfang Okt. 1837 brach der Gouverneur gegen Constantine auf, das, nachdem er selbst gefallen war, 13. Okt. unter dem Oberbefehle des Grafen Valée genommen wurde. Dieser wurde nun 1. Dez. 1837 Generalgouverneur. Mit den letzten Erfolgen