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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Algerien (Geschichte)

zwei Kabel, die Legung eines direkten Kabels von Marseille nach Bona wurde Ende Juli 1870 vollendet. (S. Sahara.) Große Anstrengungen machte die Regierung im Süden, um durch Artesische Brunnen dem Wassermangel abzuhelfen und die Anpflanzung von Dattelbäumen zu begünstigen; 1887 lieferten die Brunnen 286 216 l in der Minute.

Geschichte. In den ältesten Zeiten finden sich im östl. Teile der heutigen Kolonie A. die Numidier (s. Numidien), die Vorfahren der jetzigen Kabylen, im westlichen die Mauren. Nach der Auflösung des Numidischen Reichs durch Cäsar (46 v. Chr.) wurden diese Gebiete von den Römern dauernd besetzt. Der östl. Teil zwischen den Flüssen Rummel und Zaine (damals Ampsaga und Tusca) bildete einen Teil der röm. Provinz Afrika, seit Konstantin d. Gr. die Provinz Numidia, der westliche die Provinz Mauretania Cäsariensis, später die beiden Provinzen Mauretania Cäsariensis und Mauretania Sitifensis. Das Land zählte viele Städte, war trefflich angebaut und eine der fruchtbarsten Provinzen des Reichs. Allein der Einbruch der Vandalen (s. d.) und später der Araber stürzte es im Laufe von drittehalb Jahrhunderten wieder in die Barbarei zurück. Zwar erhob es sich, nachdem die Araber ihre Herrschaft befestigt hatten, von neuem, doch nicht zu der frühern Blüte. Um 935 soll von dem Fürsten Zori vom Stamme der Beni Mesghanna die Stadt El-Dschesaïr (span. Argel), das heutige Algier, erbaut sein. Seine Nachkommen herrschten über A. bis 1148, nach ihnen die Almohaden (s. Almoraviden) bis 1269; dann zerfiel es in mehrere kleine Gebiete. In Tlemsen bildete sich ein eigenes Königreich unter den Zijjaniden, während sich die Städte Algier, Oran, Bugia, Tenes zu unabhängigen Staaten erhoben, die jedoch in der Folge dem Königreiche Tlemsen zinspflichtig wurden. Die in den letzten Jahren des 15. Jahrh. (1492) aus Spanien vertriebenen Morisken (s. Mauren) ließen sich auch in A. nieder und nahmen durch Seeräuberei Rache an den Christen. Ferdinand der Katholische griff sie an, eroberte 1506 Bugia, 1509 Oran, 1510 die Stadt Algier. Als die Spanier von hier aus selbst den Emir der Metidscha, Selim Eutemi, bedrohten, lud dieser den Renegaten Arudsch (Horuk, s. d.) Barbarossa ein, ihn von den Spaniern zu befreien. Horuk erschien 1515, wandte sich aber bald mit seinem Korsarenhaufen gegen Selim Eutemi selbst, brachte ihn ums Leben und machte sich selbst zum Sultan von A. Gegen ihn brach 1517 ein span. Heer unter Marquis Gomarez von dem damals span. Oran auf und schloß ihn in Tlemsen ein; als er von hier zu entfliehen versuchte, ward er von den Spaniern eingeholt und 1518 enthauptet. Die in A. zurückgebliebenen türk. Seeräuber riefen nun Horuks Bruder, Cheir eddin (s. d.), zum Sultan aus. Dieser stellte 1519 sein Reich unter die Oberherrschaft des türk. Sultans Selim I., der ihn zum Pascha ernannte und bedeutende Verstärkung schickte, mit deren Hilfe er die Spanier vertrieb und Tunis eroberte, von wo er 1533 den Usurpator Mulei Hassan verjagte. Cheir eddin gründete das System der Militärdespotie und des Seeraubes, das bis 1830 in A. seinen Mittelpunkt hatte. Dem immer mehr überhandnehmenden Seeraub suchte Kaiser Karl V. ein Ende zu machen. Nachdem er 1535 gegen Tunis gezogen war, wandte er sich 1541 gegen A. Am 20. Okt. 1541 traf eine kaiserl. Flotte von 370 Segeln mit etwa 30 000 Mann beim Vorgebirge Metafuz in der Bai von Algier ein; allein ein Sturm zerstörte 25. Okt. den größten Teil der Flotte und des Lagers. Das Landheer mußte ohne Lebensmittel, Obdach und Verschanzungen mehrere Tage an der feindlichen Küste lagern und konnte sich nur mit der äußersten Anstrengung der fanatischen Moslems erwehren. Mit großen Verlusten gelang es dem Kaiser, sich 27. Okt. einzuschiffen; doch wurde die Flotte durch einen neuen Sturm zerstreut, Karl mußte in Bugia Schutz suchen und traf erst 25. Nov.in Cartagena ein. Bald hatten sich die Beglerbegs (s. Beg) von A. das ganze westl. Land bis zur Grenze von Marokko, mit Ausnahme Orans, unterworfen. Bugia, 35 Jahre lang spanisch, wurde 1554 erobert, und im Süden dehnten sie ihr Gebiet bis an die Wüste aus. Wiederholte Versuche der Spanier gegen die westl. Provinzen des Raubstaates fielen unglücklich aus; 1561 wurde ein span. Heer vernichtet. Damals war von A. auch die Eroberung Marokkos und die Gründung eines großen nordafrik. Reichs schon geplant; doch machten die Spanier den Sultan von Marokko auf die Gefahr aufmerksam, und den Franzosen gelang es, den Großherrn in Konstantinopel so eifersüchtig auf die Beglerbegs zu machen, daß er sie 1587 durch Paschas mit dreijähriger Amtsdauer ersetzte. In jener Zeit verfügten die Korsaren A.s über mehr als 200 Schiffe, mit denen sie bis in den Atlantischen Ocean hinausstreiften. 1600 wirkte sich die türk. Janitscharenmiliz von A. in Konstantinopel das Recht aus, einen Dei (s. d.) aus ihrer Mitte zu erwählen, der mit dem Pascha die Gewalt teilen und insbesondere ihr Befehlshaber sein sollte. Die Folge dieser Doppelgewalt waren häufige innere Kämpfe; trotzdem widerstand A. den Angriffen der Engländer und Holländer im 17. Jahrh. Die Engländer schlossen sogar seit 1662 mit den Deis Verträge, nachdem diese sich 1659 von der Gewalt der Paschas frei gemacht hatten. Eine ernstere Gefahr drohte ihnen von Frankreich her. Als die Algierer sogar die Küsten der Provence anfielen, unternahm es Ludwig XIV. sie zu züchtigen. Doch hatte ein dreimaliges Bombardement von Algier durch die franz. Flotte (1682, 1683, 1687) keine nachhaltige Wirkung. Der Dei Ibrahim bemächtigte sich 1708 des bis dahin span. Orans. Sein Nachfolger, Baba Ali, machte sich unabhängig vom Sultan und entrichtete der Pforte keinen Tribut mehr. A. bildete fortan eine Art Soldatenrepublik, an deren Spitze der von den Janitscharen gewählte Dei stand, den ein Diwan (s. d.) von 60 Beamten beriet. Die Spanier, die 1732 Oran und Mers el-Kebir wieder erobert hatten, unternahmen 1775 die letzte große Expedition gegen A. mit einer bedeutenden Flotte und 25 000 Mann Landtruppen; allein das Unternehmen war so schlecht vorbereitet, daß sich die Spanier mit Zurücklassung von 1800 Verwundeten und ihres sämtlichen Geschützes wieder einschiffen mußten. So trotzte A. fortwährend den christl. Mächten und machte sich die schwächern tributpflichtig. 1791 traten die Spanier Oran wieder an A. ab. Erst die Anwesenheit großer Kriegsflotten im Mittelmeere während der franz. Revolutions- und Kaiserzeit that der Seeräuberei Abbruch. Als nach Wiederherstellung des europ. Friedens 1814 jene Flotten abgerüstet wurden, vermehrten sich die Räubereien wieder, so daß die christl. Mächte zu Gewaltmaßregeln gezwungen wurden. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika gingen hierin voran. Am 17. Juni 1815 bestand der Kommodore Decatur