Autorenkollektiv,
F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien,
14. Auflage, 1894-1896
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Bakteriologie (Geschichtliches)
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Bakteriologie (Geschichtliches)'
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sich das Untersuchungsmaterial durch Aufgüsse [Infusa] auf Heu, Schlamm u. s. w. herzustellen).
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2) Otto Friedrich Müller in Kopenhagen (1786): erste sehr exakte Systematik der Infusorien; 10 Arten von Monas, 81 von Vibrio, darunter
Bacillus, Spirillum u. s. w.; vorzügliche Abbildungen. Sein Werk «Animalcula infusoria fluviatila et marina»
(Hanau 1786)) ist die Grundlage aller spätern Forschungen geworden. Er rechnet alle beobachteten Infusorien zum Tierreich, wobei
namentlich die ausführlichen Beobachtungen der Bewegungsformen maßgebend gewesen sein mögen; einzelne Formen aber schienen ihm
bereits Übergänge zwischen Tier und Pflanze zu repräsentieren.
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3) Christian Gottfried Ehrenberg, er erweitert in seinem Werke «Die Infusionstierchen als vollkommene Organismen» (Lpz. 1838) das
System durch Hinzufügung zahlreicher neuer Arten, deren physiol. Thätigkeit durch Fütterungsversuche mit Farbstoffkörnchen bestimmt wird.
Das wesentliche Einteilungsprincip für die Unterarten sind die morpholog. Verhältnisse und die Biegsamkeit der Leiber; so wurden Bakterium
(geradlinig, unbiegsam), Vibrio (geradlinig, biegsam), Spirillum (gekrümmt, unbiegsam) und Spirochäte (gekrümmt, biegsam) unterschieden;
die Hauptarten Monas und Vibrio werden nach der Fortpflanzungsform (Fädenbildung durch Aneinanderreihen) unterschieden. Alle Formen
gelten als Tiere.
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4) Nägeli; er faßt 1849 alle Organismen, welche keinen Farbstoff besitzen, keinen Sauerstoff produzieren und in ihrer Existenz auf die
Gegenwart höherer zusammengesetzter tierischer oder pflanzlicher Stoffe angewiesen sind, weil sie nicht den Kohlenstoff der Kohlensäure
assimilieren, als Schizomyceten zusammen, trennt sie von den eigentlichen Pflanzen und rechnet sie
zu den Pilzen, läßt aber auch die Möglichkeit ihrer tierischen Natur offen.
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5) Perty (1852); er betont wegen der Ähnlichkeit mancher Infusorien mit niedersten Algenformen die Berechtigung, diese (Spirillina und
Bacterina) zu den Pflanzen zu rechnen.
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6) Hallier (1866); er behauptet die intimste Verwandtschaft zwischen Bakterien und Pilzen, und zwar derart, daß die einzelnen Formen
(Morphen) der Schimmelpilze aus einzelnen Kokkenformen, je nach dem Nährboden, auswachsen; als Zwischenform entwickeln sich
Vegetationsreihen der sich teilenden Kokken.
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7) Ferdinand Cohn; er rechnet die Bakterien zu den niedersten Algen und ordnet sie, in scharfem Gegensatz zu Hallier, in ein System nach
morpholog. und physiol. Gesichtspunkten, indem er jeder Einzelform volle Selbständigkeit zuerkennt, wenn auch morpholog. Gleichheit
bisweilen die Identität zweier verschiedener Arten vortäusche. Er unterscheidet vier Tribus:
Sphäro-(Kugel-) und Mikro-(Stäbchen-)Bakterien, beide in
Zooglöa als Zellfamilien vegetierend, Dermo-(Faden-) und
Spiro-(Schrauben-)Bakterien (beide ohne Zooglöa). Nach der Funktion finden sich
chromogene (farbbildende), zymogene (fermentbildende) und
pathogene (krankheiterzeugende) Bakterien. Später erweiterte er das System, indem er die Bakterien
mit den Algen vereinigt als Schizophyten zusammenfaßte und je nach ihrer Anordnung (frei, in Zooglöa oder in Fäden) als Glöogenen und
Nematogenen mit zahlreichen Unterarten schied.
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8) de Bary («Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze», Lpz. 1884) und Hueppe («Die Formen der Bakterien», Wiesb. 1880); sie
vervollkommnen das Cohnsche System durch die Einführung der Fruktifikationsform als oberstes ↔ Teilungsprincip; je nach
der Entwicklung der Sporen innerhalb des Zellleibes (Endospore) oder aus ganzen Zellen (Arthrospore) werden die einzelnen Arten getrennt.
Daß die rein morpholog. Principien des Cohnschen Systems nicht vollständig maßgebend sein könnten, bewiesen zahlreiche
Beobachtungen über die Formdifferenzen der Einzelbakterien wie ihrer Zooglöen je nach ihren äußern Lebensbedingungen und
Wachstumsstadien (Pleomorphismus, schon von Dujardin betont); immerhin sind diese Differenzen so unbedeutend und so genau
bestimmbar, daß sie die Benutzung des morpholog. Systems, das vielfach, z. B. von Nägeli, auf das lebhafteste angegriffen wurde und
gegenwärtig noch wird, zur Trennung der Unterarten als maßgebend gestatten.
Die pathologische Forschung hat, von den Einzelfragen der Systematik absehend, sich meist mit der
übersichtlichen Gruppierung der Bakterien in Kokken-, Stäbchen-
und Schraubenformen als monomorphen Formen gegenüber der Gruppe der pleomorphen begnügt,
natürlich ohne dem botan. System damit Eintrag zu thun.
In der Erforschung der biologischen Eigenschaften der Bakterien treten neben den bereits genannten
noch folgende Namen besonders hervor.
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1) Spallanzani (1776) widerlegt experimentell (durch Abtöten der Keime durch Kochen) die weitverbreitete, namentlich von Needham
vertretene Anschauung, daß die niedersten Organismen durch Urzeugung (Generatio aequivoca)
entständen, d. h. nicht regelmäßig von belebten frühern Generationen, sondern auch von unbelebten Stoffen abstammen könnten.
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2) Perty findet (1852) die Fortpflanzung durch Sporenbildung (Gattung Sporonema) und damit die Verwandtschaft mit den sporenbildenden
niedern Pflanzen.
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3) Schwann und Cagniard de Latour (1837) entdecken gleichzeitig die Bedeutung des Hefepilzes für die Gärung.
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4) Pasteur (seit 1857) verfolgt die Gärungsbildung und findet für Milchsäure-, Weinsäure-,
Buttersäuregärung specifische Pilze; entdeckt, daß der Buttersäurepilz anaerob ist. Er findet ferner
Vibrionen als Ursache der Fäulnis.
5) Schröter und Cohn finden im Anfang der siebziger Jahre die Specifität der einzelnen farbstoffbildenden (zuerst von Fuchs beschriebenen)
Pilzarten. Cohn beobachtet weiterhin das Auswachsen der Sporen zu Bakterien direkt sowie auch deren Widerstandsfähigkeit. Gleiche
Resultate erhält Robert Koch (1876) bei dem Bacillus des Milzbrandes.
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6) Paul Bert und Pasteur finden die Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen komprimierten Sauerstoff, welcher die ausgewachsenen
Bakterien abtötet.
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7) Robert Koch lehrt durch seine Kulturmethoden die Differenzen der Zooglöabildungen und sonstigen Wachstumseigenschaften kennen
und ermöglicht durch dieselben das eingehende biologische Studium der Einzelarten, auf welchem die Anschauungen der neuesten Zeit im
wesentlichen beruhen.
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8) Panum, Nencki, Schmiedeberg, Brieger u. a. lehren die Eigenschaften der von den Bakterien erzeugten Stoffe (namentlich alkaloidartiger
Stoffe, der sog. Ptomaine, Toxine u. s. w.) durch chem.
Reindarstellung kennen.
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9) Nägeli, Büchner, Zopf, Pasteur, Toussaint und viele andere beobachten die Umzüchtung einzelner Arten in gewissem Grade durch
Variation der Lebensbedingungen (Nährboden, Licht, Temperatur); für die pathogenen Pilze wurde diese Umzüchtungslehre deshalb
besonders wertvoll, weil die Erfahrung über die Abschwächung der Viru-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 314.