Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

441

Brasilien (Finanzen. Heerwesen. Flotte. Verfassnng und Verwaltung)

gen B.s sind ziemlich zahlreich; regelmäßige Postdampfschifflinien bestehen zwischen B. und engl., deutschen (hamburgischen), belg., franz. und ital. Häfen in Europa. Dieselben berühren meist mehrere europ. Häfen und die Kap Verdischen Inseln und legen dann in den brasil. Häfen Pernambuco, Bahia, Rio de Janeiro und Santos an, und gehen bis Montevideo und Buenos-Aires. Einige derselben setzen ihre Fahrten durch die Magalhãesstraße fort und berühren die Häfen von Chile und Peru. Außerdem besteht eine Dampfschiffahrtsverbindung zwischen Rio und Neuyork. Die Zahl der Postbureaus betrug 1890 nur 2733. Zur Hebung des Handels in den Küstenprovinzen haben die Telegraphenlinien beigetragen, mit deren Erbauung man 1863 begann und deren im J. 1890 25 898 km bestanden mit 2324 Stationen. Da diese Linien teilweise durch ganz unbewohnte Gebiete ziehen, so macht ihre Unterhaltung nicht geringe Schwierigkeit. Mit Europa besteht eine direkte Kabelverbindung, die sich bei St. Thomas an das von den Vereinigten Staaten kommende Kabel anschließt.

Finanzen. Trotz einer sehr schlechten Kolonialregierung war B. wegen seines unermeßlichen natürlichen Reichtums ehemals ein finanziell reiches Land. Die Bedürfnisse des von Lissabon geflohenen Hofs Johanns VI. erzeugten jedoch Finanzspekulationen, und diese hatten die Folge, daß bei Rückkehr des Hofs nach Europa 1822 Gold und Silber verschwanden, Papier- und Kupfergeld, dem man durch nachträgliche Stempelung doppelten Wert geben wollte, allein vorhanden waren. Die Finanzen B.s stellten lange Zeit ein jährliches Deficit von mehrern Millionen Milreïs heraus. Die Ursachen dieses Zustandes sind zahlreich. Die wesentlichsten sind die Kriege mit den Platastaaten und den aufständischen Provinzen, das Aufhören einträglicher Zölle auf die jetzt verbotene Einführung afrik. Sklaven, der frühere verderbliche Handelsvertrag mit England und die 1823 abgeschlossene Anleihe von ursprünglich 2½ Mill. Pfd. St. Erst seit Aufhören des Krieges hat sich das Verhältnis gebessert und ist alljährlich ein Überschuß herausgekommen. Nach dem Voranschlag beliefen sich die Gesamteinnahmen für 1890 auf 378 049 300 Frs. (à 400 Reïs), die ordentlichen Ausgaben auf ebensoviel. Seit der Gründung der Republik ist aber infolge argen Gründungsschwindels ein Rückschlag eingetreten, sodaß für 1892 der Voranschlag betrug: 180 440 000 Milreïs Einnahmen gegen 240 724 558 Milreïs Ausgaben. Die Einnahmen setzten sich zusammen aus: Eingangszölle 98 829 000 Milreïs, Ausgangszölle 25 020 000 Milreïs, Hafenabgaben ½ Mill. Milreïs, innere Einnahmen (Eisenbahnen, Posten, Besitzübertragung, Gebäudesteuer) 51 984 000 Milreïs, außerordentliche Einnahmen 4 120 000 Milreïs. Die Ausgaben verteilen sich folgendermaßen: Ministerium des Innern 7 790 072, Finanzen 62 661 315, Justiz 5 031 197, Äußeres 1 809 725, Marine 15 131 351, Krieg 33 231 478, Ackerbau 99 100 875, Unterricht 15 968 545 Milreïs. Die Staatsschuld betrug am 1. Jan. 1889 1 146 512 926 Frs., davon äußere Schuld 184 663 176 Frs., innere 961 849 750 Frs. Dazu kommen noch Schulden der frühern Provinzen im Betrage von (1888) 55 Mill. Milreïs. Es giebt nur in 8 Staaten Bankanstalten, Rio de Janeiro zählt 13, außerdem bestehen 3 englische und eine deutsche Bank mit mehrern Filialen, sowie 14 Versicherungsanstalten. Die Münzeinheit bildet der Real (Plural Reïs), eine nominelle Münze, deren zehnfacher Wert durch die kleinste Scheidemünze des Landes, das 10-Reïsstück, auch Halber Vintem genannt, dargestellt wird. 20 Reis in Kupfer ausgeprägt nennt man einen Vintem, 100 Reis in Nickel ausgeprägt einen Tustão, 1000 Reis in Silber ausgeprägt oder als Staatsschuld oder Bankschein in Umlauf einen Milreïs. Auch Silbermünzen von 2 Milreïs, welche man Patacães nennt, sind im Verkehr. Daneben laufen aber auch noch immer kleine ausländische Münzen um, deren Werte bedeutenden Schwankungen unterworfen sind, z. B. der Boliviano im ungefähren Werte von 720 und der Balastraca im ungefähren Werte von 440 Reis. 1000 Milreïs bilden ein Conto de Reïs. An einheimischen Goldmünzen sind in Umlauf Münzen von 20 Milreïs und 10 Milreïs neben verschiedenen fremden Münzen, z. B. alten span. Unzen, franz. 20-Franksstücken und engl. Sovereigns. An Papiergeld giebt es Scheine von 1, 2, 5, 10, 50, 100, 200, 500 und 1000 Milreïs Wert. B. hat eigentlich Goldwährung, wenn auch thatsächlich gegenwärtig Papiervaluta herrscht. Für Maße und Gewichte ist seit 1874 das metrische System gesetzlich eingeführt.

Heerwesen. Die Kriegsmacht mußte früher infolge der häufigen Feindseligkeiten, besonders mit den Platastaaten und in den eigenen Provinzen, und wegen der vielfach nötigen Militärkordons gegen die uncivilisierten Indianerstämme und die Grenzen stets gut gerüstet sein. 1891 zählt die aktive Armee auf dem Friedensfuße nur 1600 Offiziere und 28 877 Mann; und zwar besteht dieselbe an Infanterie aus 36 Bataillonen, 1 Transportcompagnie, 1 Instruktions-Depotcompagnie; an Kavallerie aus 12 Regimentern, 2 Kavalleriekorps zu 4 Compagnien, 5 Garnisoncompagnien und 1 Garnisonschwadron; an Artillerie aus 5 Regimentern reitender Artillerie und 5 Bataillonen Fußartillerie; an Genie aus 2 Bataillonen Pionieren. Hierzu kommt ein Gendarmeriekorps von 15 000 Mann, wovon 2000 in Rio de Janeiro. Durch das Gesetz vom 27. Febr. 1875 ist die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden. Die Dienstzeit beläuft sich auf drei Jahre bei der Fahne und drei Jahre in der Reserve. Die Nationalgarde ist in Neubildung begriffen.

Die Flotte zählte 1891 55 Schiffe (10 Panzerschiffe, 5 Kreuzer, 18 Kanonenboote, 2 Dampfer, 5 Schulschiffe, 13 Hilfsfahrzeuge, Torpedofahrzeuge und 2 Schleppdampfer, von 37 180 Pferdekräften mit 232 Kanonen). An Personal der Marine waren darauf 13 Offiziere vom Generalstab, 443 Offiziere, 79 vom Sanitätskorps, 86 Beamte, 300 Maschinisten, 4012 Mann, 990 Seesoldaten, 3000 Kadetten und Schiffsjungen, zusammen 8923 Mann.

Verfassung und Verwaltung. Bis 1808 war B. ganz und gar als portug. Kolonie verwaltet. Nachdem König Johann VI. nach B. übergesiedelt war, wurde das Land durch Dekret vom 16. Dez. 1815 zu einem mit Portugal verbundenen Königreiche, 9. Jan. 1822 zu einem selbständigen konstitutionellen Kaisertum erhoben. Die 9. Jan. 1824 beschworene Verfassung vom 11. Dez. 1823 mit Zusatzakten vom 16. Aug. 1834 und 12. Mai 1840 war bis 15. Nov. 1889 in Wirksamkeit.

Seit Annahme der neuen Verfassung durch den außerordentlichen Kongreß (24. Febr. 1891) ist B. ein Staatenbund von 20 Staaten und einem Bundesdistrikt Rio de Janeiro (mit der gleichnamigen