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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bremen

einer Vereinigung des reform. Gymnasium illustre (seit 1584) und des luth. Athenäums (seit 1681); reorganisiert wurde sie 1857. Sie besteht aus Gymnasium (Direktor Dr. Henke, 46 Lehrer, 30 Klassen, 680 Schüler) und Handelsschule (von Michaelis 1893 an Oberrealschule, Direktor Dr. Kasten, 23 Lehrer, 15 Klassen, 352 Schüler). Ferner bestehen 2 städtische Realschulen ohne Latein, eine Privatrealschule (Debbe), die Jansonschen und Kippenbergschen Bildungsanstalten (höhere Mädchenschule, Lehrerinnenseminar mit Gouvernanteninstitut und Fortbildungsanstalt für erwachsene Töchter), ein Schullehrerseminar, zwei evang. Privatvorschulen, sechs höhere Privatmädchenschulen, eine Privattaubstummenanstalt mit Internat, gewerbliche Schule, Zeichen- und Fortbildungs-, Seefahrtsschule, Volks-Freischulen und ein Gewerbemuseum. Die Stadtbibliothek (Dr. Bulthaupt, s. d.) hat 120 000 Bände. Die naturhistor. Sammlungen des Staates sind in Bezug auf Ornithologie und Ethnographie sehr reich. Die Kunsthalle hat eine Galerie meist moderner Bilder und einige Skulpturen sowie eine beachtenswerte früher Klugkistsche Sammlung Dürerscher Handzeichnungen, älterer Stiche und Holzschnitte. Ein städtisches Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde ist im Bau begriffen. Von Vereinen sind zu nennen: der Künstlerverein mit seinen Abteilungen, der histor. und litterar. Gesellschaft, der Naturwissenschaftliche Verein, die Geographische Gesellschaft, der Kaufmännische, der Gewerbe- und Industrie- und der Gewerbeverein. B. hat ein Stadttheater und ein Sommertheater im Tivoli.

In B. erscheinen 6 polit. Zeitungen, darunter die Weserzeitung (liberal).

Freimaurerlogen sind: "Zum Ölzweig" (1788) und "Friedrich Wilhelm zur Eintracht" (1374).

Wohlthätigkeitsanstalten. Das Haus "Seefahrt", über dessen Portal der bekannte Spruch "Navigare necesse est, vivere non necesse est", 1876 durch ein neues Gebäude ersetzt, bietet den Witwen von Seeleuten Unterkunft (vgl. Kohl, Das Haus Seefahrt zu B., 1862); in dessen großem Saale wird jährlich nach alter Sitte die "Schaffermahlzeit" begangen. Ferner bestehen ein Armenhaus, ein Siechenhaus (Kahrwegs Asyl), die allgemeine Krankenanstalt (485 Betten), verbunden mit einer Irrenanstalt (174), das Kinderkrankenhaus (130), drei andere Krankenhäuser (172) sowie das Mannhaus, 7 Witwenhäuser, 3 Stifte, 3 Waisenhäuser", u. a.

Industrie und Gewerbe. Die Industrie der Stadt ist infolge der erst 1888 gefallenen Zollschranken noch nicht sehr entwickelt; größere Unternehmungen befinden sich in den Nachbarorten, so eine Wollwäscherei in Burg-Lesum, Wollkämmerei in Blumenthal, Wollkämmerei und -Spinnerei in Delmenhorst, Baumwollspinnerei und -Weberei in Grohn-Vegesack, Jutespinnerei in Delmenhorst, Jutespinnerei und -Weberei in Hemelingen, Cigarrenfabrikation in Hemelingen; doch wird sich fernerhin auch das Bremer Gebiet mehr an industriellen Unternehmungen beteiligen, wie auch schon länger Eisengießereien, Schiffswerften, Maschinenfabriken, sehr bedeutende Reismühlen, Bierbrauereien (1888 und 1889: Export im Werte von je etwa 5,5 Mill. M.) und Silberwarenfabriken bestehen.

B. ist Sitz der Bremischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und folgender Berufsgenossenschaftssektionen: der 3. der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-, der 3. der Töpferei-, der 6. der Norddeutschen Holz-, der 4. der Hannoverschen Baugewerks-, der 5. der Speicherei- und Kellerei-, der 37. der Fuhrwerks-, der 2. der See-, der 4. der Westdeutschen Binnenschiffahrt- und der 4. der Tabakberufsgenossenschaft.

Handel. B. ist nächst Hamburg der bedeutendste Seehandelsplatz Deutschlands. Die weite Entfernung von der See sowie die geringe Tiefe der Weser, welche den größern Schiffen nicht mehr gestattete, bis Vegesack hinaufzufahren, endlich das Bestreben Oldenburgs, den Handel von B. nach Brake zu ziehen, ließen in Bürgermeister Smidt den Plan reifen, an der Geestemündung von Hannover Gebiet für eine eigene bremische Hafenanlage zu erwerben, ein Gedanke, der zu der Gründung Bremerhavens führte (1827-30). Doch brachte die Trennung der Handelsstadt von der Hafenstadt große Übelstände mit sich. Namentlich belastet der Zwischentransport mittels Leichterfahrzeuge oder Eisenbahn den entwicklungsfähigen europ. Verkehr, der nur ein verhältnismäßig geringes Maß von Gesamtkosten tragen kann. Endlich machte der Anschluß B.s an das Zollgebiet (15. Okt. 1888) die Anlage eines großen Freihafens notwendig, der aber ohne genügende Verbindung mit der See wertlos war. Aus diesen Gründen wurde 1887 beschlossen, ein vom Oberbaudirektor Franzius ausgearbeitetes Projekt der Unterweserregulierung auszuführen. Nach Vollendung der Arbeiten, deren Kosten auf 30 Mill.M. veranschlagt sind, sollte es Schiffen bis zu 5 m Tiefgang möglich werden, B. zu erreichen. Nach einem März 1892 zwischen Preußen und B. geschlossenen Vertrage soll nördlich von Bremerhaven ein Gebiet von 114,67 ha von Preußen an B. abgetreten werden zur Herstellung von Hafenanlagen, für die 16 Mill. M. bewilligt sind. Eine Kammerschleuse von 26 m Breite und 7 m Tiefe unter Niedrigwasser wird den größten Kriegsschiffen der Reichsmarine sowohl wie den demnächst zu erbauenden Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyds die Einfahrt ermöglichen. Zugleich wird im Interesse der Marine statt des beabsichtigten hölzernen Docks ein massives für Schiffe von 9,5 m Tiefgang erbaut. Die dadurch entstehenden Mehrkosten trägt das Reich.

Dem Zollgebiete wurden angeschlossen der Bahnhof Sebaldsbrück mit einem kleinen benachbarten Gebiet 1854, die rechts der Wumme und links der Ochtum gelegenen Ländereien 1856, Zabenhausen, Arsten, Buntenthorssteinweg, das neue Land und die Stadt Vegesack 1875, der Stadtwerder 1879, die Stadt selber mit Ausschluß des Freihafens 1888.

B. ist seit längerer Zeit der erste Tabakmarkt der Welt, neuerdings auch, seit es Liverpool überflügelt hat, der erste Welthandelsplatz für Reis, abgesehen von dem Hauptausfuhrhafen Rangun. Für Baumwolle ist B. der zweitwichtigste Einfuhrplatz und wird nur von Liverpool übertroffen. Auch der Handel mit Schafwolle hat sich in letzter Zeit so außerordentlich entwickelt, daß dieser Artikel dem Wertbetrage nach die nächste Stelle nach der Baumwolle einnimmt. Neuerdings gehen auch bedeutende Mengen Zucker über B. In den letzten Jahren betrug die Ein- und Ausfuhr in Tonnen:

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Zucker Einfuhr 1891 Ausfuhr 1891 Einfuhr 1892 Ausfuhr 1892

Roher 25 995 25 517 29 119 28 755

Raffinierter 13 438 10 594 20 834 18 043

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