Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chinesisches Heerwesen'
sich für den Kriegsfall allerdings eine Gesamtstärke von etwa 1 Mill. Streitern für das Chinesische Reich.
Die reorganisatorischen Bestrebungen haben zur Zeit in der Armee des Generalgouverneurs von Pe-tschi-li ihren Höhepunkt erreicht. Bei der anscheinend planlosen
Beschaffung modernen Kriegsmaterials giebt der der abschließenden chines. Behörde erwachsende finanzielle Nutzen vielfach den Ausschlag. Die Armee von Pe-tschi-li,
etwa 40000 Mann, umfaßt Infanterie, Artillerie, Kavallerie ohne Scheidung der einzelnen Waffen; die Pferde sind mongol. Doppelponies, sehr ausdauernd, bei der
Artillerie zur Bewältigung der Zuglast zu schwach. Die Bekleidung hat den Schnitt der bauschigen Nationalkleidung, hindert am Gebrauch der Glieder und Waffen. Die
Ausrüstung der Mannschaften besteht in Patronentasche am Leibriemen, auch Seitengewehr. Die Zugpferde sind nach europ., die Reitpferde nach chines. Muster
ausgerüstet. Die gesamte Ausrüstung ist, wenn vorhanden, im Verfall. Die Infanterie hat österr. Mausergewehr, die Artillerie Kruppsche Kanonen; die Feldgeschütze
entsprechen dem preuß. 7,85 Feldgeschütz. Die Gebirgsgeschütze sind zerlegbar. Die Kavallerie hat Winchester-Repetierkarabiner.
Daneben bestehen noch viele andere Modelle. Die Munitionsfrage ist noch ungeregelt. Untergebracht sind die Mannschaften je 500 in quadratisch gebauten Lagern, die
von einem krenelierten Lehmwall umschlossen sind. Besoldung und Beköstigung erfolgt durch die Lagerkommandanten; Unregelmäßigkeiten aus gewinnsüchtiger Absicht
sind an der Tagesordnung. Während die Kavallerie in ihren Fechtspielen die nationalen Überlieferungen wahrte, dienen für die andern Waffen einzelne Abschnitte aus
dem preuß. Exerzierreglement als Grundlage und Ausschmückung für den grotesken Waffentanz, der als höchstes Ziel des Drills gilt; jahraus jahrein mit den nämlichen
Mannschaften geübt, täuscht die Präcision der Aufführung den Laien über den wahren Wert der Truppe. Von einer sachgemäßen Behandlung der Waffen und Schießausbildung
ist wenig die Rede. Die niedern Führer gehen aus der Truppe nach langer Dienstzeit hervor; höhere gelangen durch Protektion zu diesen einträglichen Stellen. In
ganz vereinzelten Fällen haben europ. Lehrmeister Augenblickserfolge erzielt. Der Militärschule in Tien-tsin liegt der Lehrplan einer preuß. Kriegsschule zu
Grunde. Ebenda befinden sich ein Arsenal und eine Pulverfabrik.
II. Kriegsflotte. Die Pe-jang-, Shang-hai-, Fu-tschou-, Kanton-Flotten stehen in Diensten einzelner Generalgouverneure.
Ihre Stärkeverhältnisse sind (1893) folgende:
| | | | Geschütze | Be- |
Flotte | Zahl | Tonnen- | Pferde- | bis | unter | man- |
| | gehalt | stärken | 10 cm Kaliber | nung |
Pe-jang | 19 | 36 250 | 50 760 | 56 | 195 | 2600 |
Fu-tschou | 12 | 18 920 | 16 910 | 70 | 33 | 1865 |
Shang-hai | 8 | 8 668 | 7 790 | 51 | 26 | 905 |
Zur Flotte von Shang-hai gehören 6 schwimmende Batterien mit zusammen 18 und 3 Transportdampfer mit 15 Geschützen. Die Flotte von
Kanton hat 3 Torpedokreuzer (63 Geschütze), 16 Kanonenboote (62), 22 Torpedoboote (54), 4 kleinere Torpedoboote (Stettin) und
5 kleinere Schichauboote. Die Armierung bilden Kruppsche und Armstrongsche Revolverkanonen, Torpedolanzierapparate. ↔
Die Befestigungen werden an den Flußmündungen aus mit Häcksel vermischtem Moorschlamm hergestellt, zum Teil cementiert. Ihre Armierung bilden alte chines.
Geschütze oder solche von Krupp Armstrong und de Bange. Der Kriegshafen Port Arthur kann, weil bei Anlage wie Ausführung Fachleute wenig zu Worte kamen, seinen
Zweck nicht erfüllen; ein neuer Kriegshafen Wei-hai-wei ist unter gleichen Vorbedingungen in Angriff genommen.
Chinesisches Meer, seltene zusammenfassende Bezeichnung für das große Randmeer zwischen Korea, dem ostasiat. Inselkranze von Kiu-siu bis
Borneo, Malaka, Hinterindien und der Ostküste Chinas. Es zerfällt in 3 Teile: das Gelbe Meer, das
Ostchinesische Meer und südlich des Wendekreises das
Südchinesische Meer (s. die Einzelartikel).
Chinesische Sprache, Schrift und Litteratur. I. Sprache. Das Chinesische gehört zu dem indochines.
Sprachstamme, soweit sich über die Verwandtschaftsverhältnisse dieses großen und bisher sprachwissenschaftlich noch ziemlich ungenügend durchforschten Gebietes
urteilen läßt, und ist daher mit dem Tibetischen, Birmanischen, Siamesischen verwandt. Man bezeichnet diese Sprachen auch als isolierende, weil die
grammatischen Beziehungen unter den an sich unveränderlichen Wörtern nur durch die Wortstellung und durch gewisse Hilfswörter ausgedrückt werden. Ein
charakteristisches, obwohl freilich keineswegs überall mit gleicher Konsequenz auftretendes Merkmal der indochines. Sprachen ist ferner ihr einsilbiger Bau.
Aus diesem Grunde werden sie auch als monosyllabische Sprachen bezeichnet. Man hat aus dieser morpholog. Eigentümlichkeit den voreiligen Schluß zu ziehen
versucht, daß das Chinesische den ältesten Typus menschlicher Sprache darstelle, ohne zu bedenken, daß es sich wie jede Sprache im Laufe mehrtausendjährigen
Lebens entwickelt, mithin verändert haben muß. In der That drängen denn auch innere und äußere Gründe verschiedener Art zu dem entgegengesetzten Schlusse, daß
man in dem Monosyllabismus des Chinesischen den Abschluß einer langen Entwicklungsreihe anzunehmen habe, daß er als eine verhältnismäßig moderne Erscheinung
(dem annähernden Monosyllabismus des Englischen ähnlich) anzusehen sei und höchstwahrscheinlich auf einen ältern mehrsilbigen Zustand zurückgehe. Soweit sich
die Geschichte des Chinesischen an der Hand einer vier Jahrtausende alten Litteratur zurückverfolgen läßt, sind drei deutlich geschiedene Phasen der
Sprachentwicklung erkennbar:
-
1) Die vorklassische Periode (scháng-kù-wên), vom Ende des dritten Jahrtausends
bis zum Auftreten des Confucius, mithin bis zum 6. Jahrh. v.Chr.
-
2) Die klassische Periode (tschūng-kù-wên), welche die Blütezeit der
klassischen Litteratur umfaßt und in ihrer Reinheit bis zum Beginne unserer Zeitrechnung herrschte. Ihr schließt sich der sog. nachklassische Stil
(hià-kù-wên), der noch jetzt die ernste Litteratur beherrscht, auf das engste an.
-
3) Die moderne Umgangssprache, zugleich die Sprache der Belletristik; sie tritt zuerst in der dramat. Litteratur
zur Zeit der Mongolenherrschaft (1206-1368) auf.
Die neuchinesische Sprache zerfällt in eine Anzahl von Dialekten und Mundarten, von denen bisher nur die wenigsten
erforscht worden sind. Die bekanntesten sind:
-
1) Der sog. Mandarinendialekt, kwān-hoá, der in einen
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 224.
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