Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chinesische Sprache, Schrift und Litteratur'
v.Chr. tritt eine neue Form auf, die tá-tschwén, die große Tschwen-Schrift, der sechs
Jahrhunderte später die kleine Tschwen-Schrift, eine gefälligere Form der vorigen, folgte. Beide Formen sind auf zahlreichen
alten Bronzen erhalten. Zur Zeit der Han-Dynastie, um den Beginn unserer Zeitrechnung, kamen zwei neue Schriftformen auf, in denen sich der Einfluß des inzwischen
eingeführten Schreibpinsels deutlich geltend macht: die Kurialschrift, lí-schū, und die
Kursivschrift, tshào-schu, «Grasschrift», genannt. Die erstere wird nur noch als
Zierschrift in Vorreden u.dgl. angewandt, während die letztere im brieflichen und Geschäftsverkehr noch allgemein verbreitet ist. Seit dem 4. Jahrh. unserer
Zeitrechnung endlich ist die Normalschrift, khiài-schu, die allgemein übliche, besonders
auch als Druckschrift verwendete, geblieben. Die Schriftzeichen sind teils einfach, teils zusammengesetzt. Die erstern gehen größtenteils auf alte Bilder und
Symbole zurück, während die letztern in symbolische und phonetische Zusammensetzungen zerfallen. Unter symbolischen Zusammensetzungen versteht man solche, deren
Teile sich derart zu einem Ganzen verbinden, daß der Bedeutungswert des zusammengesetzten Zeichens einem tertium comparationis
der komponierenden Elemente entspricht. So bedeutet die Zusammensetzung der Zeichen für Sonne und Mond: Licht; die der Zeichen für Mensch und Wort: wahr, treu.
Weitaus die Mehrzahl der zusammengesetzten Zeichen besteht aus sog. phonetischen Zusammensetzungen, bei denen der eine Teil die Bedeutungs- oder Begriffskategorie
des Wortes, der andere seinen Lautwert andeutet. Die so gebildeten Zusammensetzungen sind für sprachgeschichtliche und sprachvergleichende Untersuchungen vom
größten Werte, da sich durch sie in vielen Fällen die ältern Lautwerte wenigstens annäherungsweise wiederherstellen lassen. Vgl. Edkins,
Introduction to the study of the Chinese characters (Lond. 1876); Grube, Die sprachgeschichtliche Stellung des Chinesischen
(Lpz. 1881). In den Wörterbüchern werden die Schriftzeichen entweder encyklopädisch (nach Bedeutungskategorien) oder graphisch oder phonetisch (nach den
phonetischen, den Lautwert angebenden Elementen) angeordnet. In den graphisch geordneten Wörterbüchern ist der ganze lexikalische Bestand unter 214 sog.
Klassenhäupter oder Radikale verteilt, welche in der Regel die Begriffskategorie des Wortes andeuten. Innerhalb der Klassenhäupter sind die Zusammensetzungen nach
der Zahl der Striche, aus denen der hinzutretende Bestandteil besteht, angeordnet.
III. Litteratur. Die chines. Litteratur ist in ihren meisten Zweigen eine der selbständigsten, die es giebt. Dabei ist sie
unstreitig die umfangreichste, in geogr., ethnogr. und geschichtlicher Beziehung auch die wichtigste des ganzen Morgenlandes. Ohne alle Unterbrechung läßt sie
sich bis ein halbes Jahrtausend vor Christi Geburt zurückverfolgen. Der Bücherdruck ward in China 860 Jahre früher erfunden als in Europa, nämlich unter den Sui
593 n.Chr. Er verbreitete sich unter den Thang (618–904) und gelangte zur Vollkommenheit unter den Sung (960–1278). Zwischen 1041–49 ward von einem Schmied der
Druck mit beweglichen Typen (wörtlich «lebendigen Tafeln», hŏ pan) aus feiner Thonerde erfunden. Doch scheint derselbe damals
nicht in Aufnahme gekommen zu sein. Das gewöhnliche Vervielfältigungsmittel in China ist der ↔ Holztafeldruck, der 1205 in Japan eingeführt wurde
und sich auch nach Tibet und Hinterindien verbreitete. Der Kaiser Khang-hi ließ zwar auf Veranlassung der Missionare kupferne Typen gießen und auch ein großes
encyklopäd. Werk von 5000 Bänden mit denselben drucken, doch wurden dieselben bald darauf wieder eingeschmolzen. Mit andern beweglichen Typen, die Khien-lung 1777
herstellen ließ, wurde in Peking bis auf die neuere Zeit herab gedruckt. Die erwähnten Holztafeln (viereckig, 1,5 cm dick und zwei
chines. Druckseiten enthaltend) sind aus Kirsch-, Birn- oder Brustbeerbaumholz. Die Blätter werden mit der Bürste abgedruckt. Ein geschickter Arbeiter zieht deren
täglich 2000 ab. Die Bücherpreise sind in China weit billiger als in Deutschland; nur auf Staatskosten gedruckte Werke sind selten und teuer. Viele Bücher werden
auf Subskription gedruckt, andere auf Kosten der Buchhändler, deren es in allen bedeutendern Städten giebt. Ein Hauptplatz für Buchdruck und Buchhandel war bisher
Su-tscheu. Große Bibliotheken finden sich überall im Reiche, besonders in Peking und Nan-king; jeder Gebildete besitzt eine mehr oder minder umfangreiche
Büchersammlung. Die Zahl der vorhandenen Bücher ist unberechenbar. Der gedruckte Katalog der Bibliothek des Kaisers Kjan-long besteht aus 122 Bänden, und eine
Auswahl der klassischen Litteratur Chinas, mit Kommentaren und Scholien, die auf Befehl desselben Kaisers veranstaltet wurde, sollte 163000 Bände umfassen, von
denen bis 1818 wirklich 78731 erschienen.
Die Chinesen ordnen ihren Bücherschatz unter vier Gruppen:
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1) kīng, kanonische Bücher; doch werden unter dieser Rubrik auch Werke der taoistischen und buddhistischen Litteratur,
wie z.B. alle buddhistischen Sutras und Werke philol. Inhalts aufgezählt;
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2) ssè, Geschichte; doch hat Ma-twan-lin auch den histor. Roman unter diese Rubrik aufgenommen;
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3) tsè, Philosophie;
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4) tsih, schöngeistige Litteratur.
Die im engern Sinne klassische Litteratur der Chinesen besteht aus den ngù-kīng, den fünf kanonischen Büchern, und den
ssé-schū, den vier klassischen Büchern. Die fünf kīng oder
kanonischen Bücher sind:
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1) Jih-kīng, das Buch der Wandlungen, das von den Chinesen für das älteste Denkmal ihrer Litteratur und Philosophie
gehalten wird. Seinen Grundtext bilden 64 Hexagramme, deren Grundelemente die 8 kwa oder Trigramme bilden,
Kombinationen von geraden und gebrochenen Linien, deren Erfindung dem mythischen Kaiser Fu-hi zugeschrieben wird. Diesen Hexagrammen ist ein erklärender
Text, Twán genannt, beigefügt, für dessen Verfasser König Wen-wang gilt (lebte im 12. Jahrh. v.Chr.). Hierauf folgt
eine Erklärung der einzelnen Bestandteile jener Hexagramme, welche den Tscheu-kung, den Sohn des Wen-wang, zum Verfasser haben soll, und den Beschluß
bilden die Schih-jih oder «Zehn Flügel», ausführlichere Kommentare, die, jedenfalls mit Unrecht, dem Confucius
zugeschrieben werden. Vgl. Y-king, antiquissimus sinarum liber, quem ex latina interpretatione P. Regis edidit J. Mohl
(2 Bde., Stuttg. 1834-39).
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2) Schū-kīng, das kanonische Buch der Bücher, das Überlieferungen über die Reden und Thaten der Herrscher der drei
ersten Dynastien enthält. Es erstreckt sich über einen Zeitraum von nahezu 1500 Jahren, vom 23. Jahrh. bis zum Jahre 721 v.Chr. Vgl. Gaubil,
Le Chou-king (in franz. Übersetzung,
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 226.
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