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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Colbertismus - Colchagua
waltung und eröffnete alsbald die Periode der großen
Reformen, die Zeit der höchsten innern Leistungen
des franz. Königtums. Ein doppelter Zug erfüllt
diese Arbeit C.s: er vervollständigte und verselb-
ständigte den modernen Staat in Frankreich; er
arbeitete, als erster Vertreter der Monarchie, an
der Hebung des Dritten Standes. Zuvörderst er-
richtete er als Mittelpunkt der Verwaltung einen
Finanzrat und begann die Pächter und treulosen
Beamten durch einen Sondergerichtshof rücksichts-
los zu strafen und zu überwachen. Er führte eine
gleichmäßigere Besteuerung und eine gerechtere Er-
hebung der Steuern ein, beschränkte das Heer der
Beamten und Pensionäre, setzte zur Erleichterung
des Schatzes die Renten herab (Konvertierung der
Anleihen), verminderte aber auch die direktenSteuern
selbst und erließ die Rückstände bis zum I. 1656.
Die Erträge der indirekten steuern mußte er
freilich erhöhen; sie blieben in Pacht, die er nur
besser regelte; doch zwangen die Staatsbedürfnisse
zu C.s Kummer noch zur Steigerung und Ausdeh-
nung dieser Steuern (Salzsteuer, Verbrauchsab-
gaben aller Art), und Aufstände in manchen Land-
schaften waren die Folge. Das Gesamtbudgct ge-
staltete C. klar und regelmäßig; für jede Ausgabe
wurde ein bestimmter Fonds angewiesen und die
Domänen für die Krone zurückgenommen. Daneben
steht C.s staatsbildende Bemühung um die Zoll-
einheit; nur für die nördl. und mittlern Provinzen
(die sog. (^iuci Fi'08s6s t'ei'ml'z) vermochte er sie 1664
herzustellen, die Binnenzölle nicht, wie er gewollt, zu
tilgen. Durch Unterstützung aus Staatsmitteln be-
lebte er in allen Provinzen die Industrie; überall ent-
standen Manufakturen, deren Eristenz er durch pro-
duktive Schutzzölle sicherte. Der Staat lebrte, half,
regelte alles; Fabrikinspektoren vertraten die staat-
liche Einheit, der zugleich auch die Zolltarife dienten.
Zugleich wurde der Handel nach allen Seiten beför-
dert. C. ließ das Straßcnwesen verbessern und gleich-
mähig über das ganze Reich organisieren; erbaute
den Kanal von Languedoc und entwarf den Bau
anderer. Auf seine Veranlassung wurden Marseille
und Dünkirchen zu Freihäfen erhoben, Ausfuhr-
prämien und Assekuranzkammern gestiftet, Handels-
gesetze gegeben und 1664 für 51 st- und Westindien
zum Teil aus Staatsmitteln zwei große Handels-
gesellschaften errichtet. In demselben Jahre über-
nahm er das Direktorium des Handels und Fabrik-
Wesens sowie der Staatsbauten. Den kaufmän-
nischen Unternehmungsgeist mußte C., zum Teil
durch Zwang, nach außen richten. Im franz. See-
wesen und den Kolonialangelegcnhciten mußte (5.
mit anfangs geringen Mitteln und unter großen
Schwierigkeiten, an Heinrich IV. und besonders
an Richelieu wieder anknüpfend, eine neue ^cköpfung
beginnen. Die Kolonien in Canada, ^an Domingo
u.a. wurden neu organisiert, Louisiana erobert, die
^oin^HAuis du 86ii6^1 geschaffen. Bei C.s Tode
war Frankreich die erste Kolonialmacht der Welt. Die
Kriegsflotte hatte er erneuert, Häfen mld zu Brest,
Toulon, Dürckirchen und Havre große ^eearsenale
errichtet. Schon 1662 war unter seiner Leitung die
Flotte auf 69 Linienschiffe und 40 Fregatten ge-
stiegen ; 20 Jahre später besaß Frankreich 193 Kriegs-
sahrzeuge und war siegreich zu Wasser wie zu Lande,
nachdem C. von 1669 an das Marineministcrium
selbst übernommen hatte. Auch die Landwirtschaft
hat C., dessen Merkantilismus ibn vorwiegend auf
Gewerbe und Handel lenkte, nicht eigentlich ver-
nachlässigt. Der Staatsidee und der Wohlfahrt
diente er durch Reinigung und Vereinheitlichung
des Rcchtswesens; er hielt das Parlament bewußt
nieder; er leitete die Gesetzgebung auf der Bahn der
Einheit fort: ein vollständiger Marine-Coder, ein
Handelsrecht, ein Forstrecht, auch der sog. <ll0ä6 uoir
für die Kolonien wurde abgefaßt und die bürger-
liche und peinliche Gesetzgebung (besonders 1667
0i'ä0uimi^6 civil") verbessert. Mit gleichem Glücke
und Eifer wußte er auf die Hebung von Kunst und
Wissenschaft und deren Anknüpfung an das König-
tum einzuwirken. Durch ihn wurde 1663 die Aka-
demie der Inschriften gegründet, 3 Jahre später die
Akademie der Wissenschaften und 1667, 1671 und
1672 die Akademie der bildenden Künste und der
Musik. Er vergrößerte die königl. Bibliothek, den
botan. Garten, baute und dotierte die Sternwarte,
begründete die Vermessung des Landes und schickte
Gelehrte, namentlich auch Naturforscher auf Reisen.
C. war kein Theoretiker: die Übertreibungen seines
Systems, des sog. Colbertismus (vgl. Merkantil-
system), fallen nicht ihm zur Last. Er war ein arbcits-
kräftiger und ideenreicher Genius der Verwaltung,
absolutistischer Diener seines Königs, auch in allem
Persönlichen mebr sich einordnend, aber nicht
minder schöpferisch und eher noch schöpferischer als
Richelieu. Dennoch vernichteten die Kriege die
Früchte seiner Arbeit, und er hatte das Schicksal, noch
selbst die Unvereinbarkeit des äußern polit. Systems
Ludwigs mit seinem ökonomischen zu erleben. Als
er, gebrochen durch diesen Mißerfolg, durch den
Kampf mit Louvois und in halber königl. Ungnade,
6. Sept. 1683 starb, war das Volk durch neue
steuern auf die Lebensmittel so erbittert, daß es
den Leichenzug angriff, um an dem Toten, der im
Leben allezeit hingebend dem Staatswohl gedient
hatte, Rache zu nehmen. Auf Anordnung NaM-
leons 111. unternahm Element die Herausgabe der
<cl^6tti'63, iu8ti'ucti0H8 6t in6moii'65 ä6 0." (8 Bde.,
Par. 1868-82). - Vgl. Ioubleau, ^Wä6 sur 0.
(2 Bde., Par. 1856); Element, Ui8toii'6 äe 0. 6t ä6
30U lttlmiuisti'Htiou (2 Bde., ebd. 1874); Neymarck,
(^. ,6t 80U t6in^s (2 Bde., ebd. 1877); Farnam, Die
innere franz. Gewerbepolitik von C. bis Turgot
(Lpz. 1879); Dussieur, ^tuä6 dic)Ai'9p1ii(iu6 8ui- (^.
(Par. 1886); de Cosuac, Na^i-in 6t l^. (2 Bde.,
ebd. 1892). - C.s Familie blieb, mit der Lou-
vois' ringend, von der Maintenon unterstützt, im
Amte: sein Bruder, Marquis C. de Croissy <gest.
1696), war, nach längerm diplomat. Dienste, von
1679 an Minister des Äußern; er war an den
Reunionen beteiligt. Sein Sohn, Marquis de
Torcy (s. d.), folgte ihm 1696 im Amte nach.
Eolbertismus, das zuerst von Colbert (s. d.)
planmäßig in Frankreich eingeführte handelspolit.
System, das im wesentlichen mit dem Merkantil-
systcm ls. d.) zusammenfällt.
Colchagua (spr. -tschahgwa), Provinz der süd-
amerik. Republik Chile, grenzt im N. an Santiago,
im S. an Curico, hat 9829 (ikm und (1889) 159216
E. In den Anden erhebt sich der Vulkan Tinguiri-
rica zu 4480 m Höhe. Das Längenthal wird im
W. durch die Cordillera von Taguatagua abgeschlos-
sen, dann folgt das Thal eines Zuflusses des Rapel
und die Küsten-Cordillere. Von zahlreichen Bächen
durchflossen, welche während der Schnceschmelze in
den Cordilleren zu reißenden Strömen werden, bie-
tet das Land eine unvergleichliche Fruchtbarkeit; die
Bohne giebt im ungünstigsten Falle angeblich
Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.