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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dampfschiffahrt
Fulton gelang, mit dem Dampfer Savannah den
Ocean von Savannah bis Liverpool in 26 Tagen
zu durchkreuzen; doch hatte man 8 Tage lang die
Segelkraft mit benutzen müssen, sodaß der Versuch
nicht entscheidend war. Am 18. Aug. 1833 machte
zuerst der Dampfer Royal William die Reise nach
Europa ausschließlich mit Dampfkraft und kam am
12. Sept. 1833 glücklich in Gravesend an; 1838
folgten die brit. Dampfer Sirius und Great Western,
welche die Fahrt von Bristol in England nach Neu-
york in 20 Tagen zurücklegten. Damit war die
praktische Verwertbarkeit des neuen Beförderungs-
mittels über allen Zweifel dargethan, und von nun
an beginnt die großartige Entwicklung der D.,
die dem Weltverkehr einen mächtigen Impuls ge-
geben, und ohne die der gewaltige Umfang, den
er seitdem gewonnen, nicht möglich gewesen wäre.
Fortgesetzt hat die Entwicklung der Technik neue
Mittel für die bessere Verwertung der Dampfkraft
geschaffen. <Hchon 1845 war der Great Britain als
erstes Schraubenschisf über den Ocean gefahren;
seitdem hat die verbesserte Schiffsschraube die Rad-
dampfer fast gänzlich vom hohen Meer verdrängt.
Die Einführung der Compound- (Zwei-Cylinder-)
und fpäter der Triple-Compound- (Drei-Cylinder-)
Maschinen hat infolge der mehrjachen Benutzung
des Dampfs eine außerordentliche Kohlenersparnis
und damit eine entsprechende Verbilligung des Be-
triebes bewirkt. Gegenwärtig ist auch die Vier-
Cylindermaschine, wenn vorerst auch nur vereinzelt,
im Gebrauch. - Mehr und mehr hat das stetig ver-
vollkommnete Dampfschiff, das wegen seiner größern
Schnelligkeit und Unabhängigkeit von Wind und
Wetter an Leistungsfähigkeit für den Frachtverkehr
das Segelschiff etwa um das Dreifache übertrifft,
diefes allmählich zurückgedrängt. Freilich ist in
den letzten Jahren durch zahlreiche Neubauten
großer stählerner Segelschiffe von 1000 bis 2000 Re-
gistertonnen und darüber, welche in der Beförderung
von Massenartikeln (Salpeter, Getreide, Jute) aus
weite Entfernungen wegen der billigern Betriebs-
kosten den Dampfern gewachsen, ja überlegen sind,
eine gewisse Abschwächung eingetreten. Die Zeit
der hölzernen Segelschiffe von mäßiger Größe ist
aber endgültig vorüber; nur unter besondern Ver-
hältnissen und in einzelnen Fahrten (nordische Holz-
fahrt) können sie sich noch einigermaßen halten,
sterben aber immer mehr aus.
Die Entwicklung der D. hat auf die Beteiligung
der verschiedenen Völker und Gegenden an der
Schiffahrt überhaupt einen bedeutenden Einfluß
ausgeübt, ^ie ist in erster Linie England zugute
gekommen, welches als hervorragendster Industrie-
staat in der.Verstellung der Maschinen einen großen
Vorsprung hatte, und durch die, mit dieser Ent-
wicklung in Zusammenhang stehende zunehmende
Verwendung des Eisens als Schiffsmaterial an
Stelle des Holzes einen weitern Vorfprung gewann.
England hat sich denn auch der neuen Erfindung
zuerst und mit größter Energie zugewandt und da-
durch sein Übergewicht in der Schiffahrt weiter ver-
stärkt. Eine verkehrte Zollgesetzgebung war die
Hauptursache, daß die Vereinigten Staaten
von Amerika, welche im Holzschiffsbau Bedeuten-
des geleistet, sich von dem Stoße, den ihre Reederei
durch den Secessionskrieg erlitten, nicht wieder
haben erholen können, daß ihre Schiffe ihre früher
bedeutende Rolle im allgemeinen Frachtvcrkehr ein-
gebüßt haben und fast nur noch am Verkehr an der
amerik. Küste beteiligt sind. - In Deutschland
haben die Nordseestädte sich frühzeitig der D.
zugewandt; 1847 wurde die Hamburg-Amerika-
nifche Paketfahrt-Aktiengesellschaft (s. d.), 1857 der
Norddeutsche Lloyd (s. d.) zu Bremen gegründet.
Während sich in letzterm Platze der Unterneh-
mungsgeist hauptsächlich auf die Vergrößerung
der Reederei konzentrierte, welche ihre Fahrten
außer auf die verfchiedenen Häfen Nordamerikas
auch auf Brasilien und Argentinien und 1885,
infolge des Subventionsvertrags mit dem Reich,
auch auf Oftasien und Australien ausdehnte, wur-
den in Hamburg, namentlich anfangs der siebziger
und Ende der achtziger Jahre, eine Anzahl einzel-
ner Linien nach den verschiedenen Gegenden ge-
gründet. Neben den Reederei-Gesellschaften hat sich
auch die Privatreederei in beiden Häfen stetig aus-
gedehnt. Dagegen hat die übrige deutfche, und be-
sonders die früher bedeutende Ostfee-Reederei, die
zur Abstoßung der Segelschiffe und zum Übergänge
zu den kostspieligen Dampfschiffen weniger in der
Lage war, schwer unter dieser Entwicklung gelitten
und einen immer weitern Rückgang erfahren, der
erst neuerdings zum Stillstand gekommen ist. An-
fang 1894 bezifferten sich die deutschen Dampfer
auf 779 Schiffe mit 1144199 Registertonnen, wo-
von beinahe die Hälfte in Hamburg und ein Sechstel
in Bremen zu Haufe waren. Die deutsche Dampfer-
flotte ist zur Zeit die zweitgrößte der Welt und z. B.
der französischen um 221 Schiffe mit fast 300 000
Registertonnen überlegen.
Frankreich beteiligte sich schon früh ziemlich er-
heblich an der D., hauptsächlich aber mit wenigen
großen, vom Staate start subventionierten Reede-
reien, während die Beteiligung freier, nicht unter-
stützter Reedereien verhältnismäßig gering blieb.
Mehr und mehr überwog der Abgang der Segel-
schiffe den Zugang der Dampfer. Um den Rück-
gang der Reederei aufzuhalten, wurde 1881 ein
Gesetz beschlossen, welches auf zehn Jahre einerfeits
für den heimischen Schiffbau, andererseits für die
heimische Schiffahrt bedeutende Prämien einführte.
Letztere betrugen im ersten Jahre 1,50 Frs. für je
1 netto Registertonne und je 1000 durchlaufene See-
meilen, und nahmen jedes Jahr bei eisernen Schissen
um 0,05 Frs., bei hölzernen schiffen um 0,075 Frs.
ab. Diefes Gesetz, das mehrfach verlängert wurde,
ist jetzt durch ein neues ähnliches ersetzt worden,
nach dem die Schiffahrtsprämien auch noch ferner
bezahlt werden. Die franz. Handelsflotte ist im
ganzen stationär geblieben, die Dampferflotte ist
von der zu Beginn der Periode noch fchwächern
deutfchen Handelsflotte weit überholt worden.
Der Bestand an Dampffchiffen der wichtigsten
Staaten betrug (in 1000 netto Registertonnen):
Staaten
1850
1860
1870
1880
1890
1894
Britisches Reich . .
187
500
1202
2949
5214
5887
Darunter Vereinig-






tes Königreich . .
167
452
1111
2720
5038
5503
Deutschland . .

! __
__
82
216
72-l
802
Darunter Hambu
rg
! 2
10
32
99
357
416
" Breme
n

8
41
59
179
203
Frankreich . . .

13
68
154
278
500
481
Nurwegen . . .




13
58
178
260
Schweden . . .





81
141
157
Dänemark . . .




10
52
113
121
Holland .....
! 2
10
19
64
147
207
Italien.....


32
77
190
204
Österreich-Ungarn
! __

50
63
87
129
Vereinigte Staaten '





(einschl. Küstcnsahrt
)
44
97
192
147
194
447