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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Geschichte 1815-66)

besetzt, 14 Tage später das ganze Land occupiert bis auf die Festung Rastatt, die 23. Juli kapitulierte.

Als nach der Niederwerfung der republikanischen Partei Preußen den Regierungen die Hand bot, auf der Grundlage der zu revidierenden Frankfurter Verfassung den engern Bundesstaat zu errichten, wagten wenigstens Sachsen und Hannover nicht, sie auszuschlagen. Sie einigten sich mit Preußen 26. Mai, dem deutschen Volke eine Verfassung zu gewähren und deren Entwurf "einer zu diesem Zwecke berufenen Reichsversammlung vorzulegen". Dieser Entwurf schloß sich in den Grundzügen an die Frankfurter Verfassung an, nur waren in den Grundrechten sowohl als in den Befugnissen der Reichsgewalt und in der Wahlordnung die demokratischen Bestimmungen durch konservative ersetzt, der Kaiser in einen Reichsvorstand umgewandelt und diesem ein Fürstenkollegium an die Seite gestellt. Die in Gotha (26. bis 29. Juni) zusammengetretenen Mitglieder der erbkaiserl. Partei des Parlaments beschlossen, die dargebotene Verfassung anzuerkennen. Die militär. Stellung, die Preußen damals einnahm, die Bedrängnis Österreichs, das zur Bewältigung des ungar. Aufstandes die Russen zu Hilfe rief, die Isolierung der Mittelstaaten und die Bereitwilligkeit der kleinern versprach dem preuß. Einigungsversuche Erfolg, wenn die Lage rasch und nachdrücklich benutzt ward. Geschah dies nicht, so war auch auf Sachsen und Hannover kein Verlaß.

Von dem Maße der zu erwartenden Energie gab freilich der Verlauf der schlesw.-holstein. Sache eine bedenkliche Probe. Die Friedensverhandlungen während des Winters auf der Basis der selbständigen Konstituierung Schleswigs hatten noch zu keinem Ergebnis geführt, und im Frühjahr benutzte Dänemark die durch die Haltung Rußlands, Frankreichs und Österreichs ihm günstige diplomat. Lage, um den Malmöer Waffenstillstand zu kündigen. Der Krieg begann wieder. Die Reichsgewalt hatte eine ansehnliche Macht abgesandt, und die Anfänge waren günstig. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1848 bis 1850.) Dann traten ähnliche diplomat. Lähmungen ein wie im Jahre zuvor. Doch drang man allmählich in Jütland ein, schlug die Dänen bei Gudsöe und begann Fredericia zu belagern. Aber die Diplomatie begleitete überall die Bewegungen der Armee. Während die neuen Unterhandlungen dem Abschluß nahe waren, überfielen die Dänen mit Übermacht das Belagerungsheer bei Fredericia und brachten ihm (6. Juli) empfindliche Verluste bei. Am 10. Juli schloß Preußen, von Rußland und England gedrängt, zu Berlin einen Waffenstillstand mit Dänemark auf 6 Monate, wonach eine Demarkationslinie gezogen, Jütland geräumt, die Blockade der Häfen aufgehoben, Schleswig von 6000 Preußen und 2000 Schweden besetzt und durch eine Landesverwaltung regiert werden sollte.

In seinen Bemühungen für die Erweiterung des Bündnisses vom 26. Mai war Preußen nicht glücklicher, besonders seit Österreich Frieden mit Sardinien geschlossen und mit Görgeis Kapitulation bei Világos (13. Aug.) den Widerstand Ungarns gebrochen hatte. Da die Voraussetzungen weggefallen waren, die die Reichsverweserschaft und das Reichsministerium ins Leben gerufen, so schlossen Österreich und Preußen (30. Sept.) einen Vertrag über ein sog. Interim, wonach bis zur definitiven Ordnung "der deutschen Frage eine gemeinschaftliche Kommission die Verwaltung der Bundesangelegenheiten übernehmen sollte. Für Preußens Absichten verhängnisvoll war, daß hierbei in gewissem Sinne die Gültigkeit des alten Bundesrechts wieder anerkannt wurde. Am 20. Dez. trat diese Kommission in Thätigkeit; 1. Jan. 1850 verließ der Reichsverweser Frankfurt. Die veränderte Situation gab sich deutlich in der Entwicklung des preuß. Bundesstaatsprojekts kund. Hannover und Sachsen beriefen sich auf einen beim Abschluß des Vertrags gemachten Vorbehalt und wollten, bevor nicht alle Staaten außer Österreich beigetreten seien, keine weitern Schritte unternommen wissen. Als gleichwohl (Okt. 1849) die Einleitungen zu einem zu berufenden Reichstag in Erwägung gezogen wurden, traten die beiden Mitglieder des Dreikönigsbundes dem entschieden entgegen, und als man die Wahlen wirklich anordnete, enthielten sie sich der Teilnahme. Ihre Opposition fand an den Verwahrungen Österreichs eine wirksame Ermutigung. Am 20. März 1850 sollte das Parlament der "Union", wie der künftige Bundesstaat in der Additionalakte genannt ward, in Erfurt zusammentreten.

Bevor das Unionsparlament zusammenkam, hatten Bayern, Württemberg und Sachsen in München 27. Febr. einen Vertrag abgeschlossen, der, wesentlich im Einklang mit Österreichs Wünschen, eine Direktorialregierung und eine aus den Landständen aller deutschen Staaten gebildete Nationalvertretung mit beschränkten Befugnissen verhieß. Die Mehrheit des in Erfurt versammelten Parlaments bestand teils aus den Anhängern des Bundesstaates, die zu Gotha getagt hatten, teils war sie durch eine Anzahl konservativer preuß. Mitglieder gebildet, die dem Bundesstaate geneigt waren und an deren Spitze Bodelschwingh stand. Das Parlament nahm (das Volkshaus am 13., das Staatenhaus am 17. April) die Verfassung im ganzen an und schritt dann zu einer kurzen Revision. Nachdem die Versammlung (29. April) geschlossen war, berief der König von Preußen die Mitglieder des Bundes zu einem Kongreß nach Berlin, der fruchtlos verlief. Man erklärte zwar die Union als zu Recht bestehend, allein im übrigen stockte die Unionssache, während die Gegner sich zum Angriff rüsteten. Sachsen und Hannover waren bereits ausgeschieden, beide Hessen unsicher geworden, während Österreich eine offensivere Haltung annahm, die Suspendierung der Union verlangte, 26. April auf Grund der Bundesverfassung Vertreter der Regierungen nach Frankfurt berief und schließlich offen heraus in einem Rundschreiben vom 14. Aug. sämtliche frühern Bundestagsmitglieder einlud, auf den 1. Sept. den Bundestag wieder zu beschicken. Der König von Preußen war durch dieses einseitige und formell sehr anfechtbare Vorgehen schwer gekränkt, aber er stand fast ganz allein: viele Unionsfürsten folgten dem Rufe Österreichs, und Kaiser Nikolaus von Rußland sprach sich bei einer Zusammenkunft, die Ende Mai 1850 der Prinz von Preußen und Fürst Schwarzenberg mit ihm in Warschau hatten, für die Rückkehr zum alten Bundestage aus, die seinem reaktionären System und den russ. Interessen weit mehr entsprach als ein unter Preußens Führung geeinigtes Norddeutschland mit konstitutioneller Verfassung. Die Lockung Napoleons, gegen Abtretung deutschen Gebietes Preußen zu unterstützen, wurde mit Entschiedenheit abgewiesen.

Unterdessen hatten sich die deutschen Angelegenheiten durch die schlesw.-holstein. Sache und durch