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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Geschichte 1815-66)

langten sie von Dänemark (16. Jan. 1864) die Aufhebung der Novemberverfassung und drohten, falls dieselbe nicht sofort erfolge, mit Abbruch der diplomat. Beziehungen. Als die Dänen die Forderung ablehnten, rückten Österreicher und Preußen rasch in Holstein vor, um an Stelle der Exekution zur Occupation zu schreiten.

Inzwischen bereitete sich in dem Auftreten Österreichs und Preußens die von Bismarck vorausgesehene Wendung vor. England beantragte Ende Januar, die beiden Mächte sollten von Besetzung Schleswigs abstehen, falls Dänemark sich gegenüber den Unterzeichnern des Londoner Protokolls verpflichte, die Aufhebung der Novemberverfassung seinem Reichsrate zu empfehlen. Österreich und Preußen lehnten es 31. Jan. ab, allerdings noch unter vorläufiger Anerkennung der dän. Integrität, aber mit der Erklärung, sich im Falle fernerer Weigerung Dänemarks, nicht daran gebunden zu fühlen. Am 30. Jan. verlangte Wrangel, der Oberbefehlshaber der Österreicher und Preußen, die Räumung Schleswigs und überschritt, als die Dänen sich weigerten, 1. Febr. die Grenze. In einem siegreichen Feldzug (s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864) wurde Schleswig, Jütland und selbst die Insel Alsen erobert. Am 15. Juli ward von Österreich und Preußen ein Waffenstillstand gewährt, dem sofort eine Unterhandlung über Friedenspräliminarien folgen sollte. Nachdem diese 25. Juli in Wien eröffnet worden, ward daselbst 1. Aug. ein Vertrag geschlossen, in welchem Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen abtrat, und 30. Okt. 1864 der definitive Frieden in Wien unterzeichnet. Das künftige Schicksal der Herzogtümer jedoch lag noch im Dunkel. Während die öffentliche Meinung in Deutschland und den Herzogtümern dem Herzog von Augustenburg zugewandt blieb, hatte sich noch vor dem Ende des Krieges, auf angebliche alte Rechte und einen russ. Verzicht gestützt, Oldenburg als Prätendent erhoben und seine Ansprüche auch beim Bunde begründet. Neben diesen streitenden Prätendenten trat nun auch die feste Absicht Preußens hervor, wenigstens die unbedingte Verfügung über die Land- und Seemacht der Herzogtümer zu erhalten. Die Spannung Preußens mit den Mittelstaaten führte zu einigen Konflikten, bis endlich 5. Dez. der Bundestag den Abmarsch der Exekutionstruppen aus den Herzogtümern beschloß. Österreich aber begann, im Hinblick auf Preußens Absichten in den Herzogtümern, wieder Fühlung mit den Mittelstaaten zu suchen; freilich war noch die Situation nicht so beschaffen, daß es die preuß. Bundesgenossenschaft leichthin missen konnte. Seine Stellung in Italien blieb nach wie vor eine gespannte, und auch mit Ungarn war keine Verständigung hergestellt, die finanzielle Lage ließ noch immer nicht die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben absehen, während die innern Reformen auch noch zu keiner Beruhigung führten. Inzwischen zogen sich die Verhandlungen zwischen Österreich und Preußen über das Schicksal der Elbherzogtümer von Monat zu Monat hin. Preußen sprach (22. Febr. 1865) seine Forderungen für den Fall einer selbständigen Konstituierung der Herzogtümer aus: außer den militärischen und der Abtretung von Friedrichsort und Sonderburg-Düppel noch Eintritt in den Zollverein und Abgabe des Post- und Telegraphenwesens an Preußen. Österreich erklärte vor allem die militär. Forderungen für gänzlich unannehmbar. Daß Preußen sich dauernd in den Herzogtümern festzusetzen entschlossen war, zeigte die 24. März verfügte Verlegung der preuß. Marinestation von Danzig nach Kiel und die Erklärung des preuß. Kriegsministers im Abgeordnetenhause, daß Preußen den Kieler Hafen niemals aufgeben werde. Wieder erhob Österreich Protest, ohne die Thatsache selbst aufzuhalten. Die früher schon gemachte und 24. Juni wiederholte Andeutung Österreichs, die Annexion der Herzogtümer zu gestatten gegen Abtretungen schles. Bezirke, wurde abgelehnt. Im Juli bereitete die preuß. Regierung ernstlich den Krieg vor und ließ in Italien anfragen, ob es bereit fei, mitzukämpfen. Von Napoleon wurde ihr, freilich nicht in bindender Form, wohlwollende Neutralität in Aussicht gestellt. Doch gab Österreich diesmal nach, durch eine Verfassungs- und Finanzkrisis im Innern bedrängt. Es gelang, in der Konvention von Gastein 14. Aug. einen vorläufigen Ausweg zu finden (s. Gasteiner Konvention).

Indes hatte Preußen nach wie vor die Fortdauer des innern Konflikts zu beklagen. Dagegen war es der Regierung gelungen, auf dem handelspolit. Gebiete große und tiefgreifende Erfolge zu erringen. 1863 schien die Auflösung des Zollvereins bevorzustehen. Bayern und die gleichgesinnten Staaten, namentlich Hannover, Württemberg, die beiden Hessen und Nassau, wollten erst die Unterhandlung mit Österreich erledigt wissen, ehe sie dem franz. Handelsvertrage zustimmten; Preußen forderte vor allem die Wiederherstellung des Zollvereins. Dahin drängten auch in den Mittelstaaten die Handelsinteressen der Bevölkerung. Es gelang Preußen, im Laufe des J. 1864 erst Sachsen, die thüring. Staaten, Baden, Kurhessen, Braunschweig, Oldenburg, Frankfurt, dann auch Hannover zu einer Wiederherstellung des Zollvereins auf den neuen Grundlagen zu vereinigen und dadurch endlich auch Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Nassau zu bestimmen, daß sie noch vor der festgestellten Frist (1. Okt.) ihren Beitritt erklärten. Die Einführung der neuen Tarife wurde auf 1. Juli 1865 festgestellt. Nun begannen neue Unterhandlungen mit Österreich; nach langem Kampfe kam 11. April 1865 ein Handelsvertrag zwischen Österreich und dem Zollverein zu stande, der dem frühern Vertrage von 1853 im wesentlichen nachgebildet war. Hieran reihten sich Unterhandlungen des Zollvereins mit den auswärtigen Staaten, die zunächst zur Abschließung von Handelsverträgen mit Belgien, England und Italien gediehen. Eine neue wirtschaftliche Epoche war damit für Deutschland angebrochen.

Der durch die Gasteiner Konvention nur mit Mühe beschwichtigte Konflikt loderte schon in den ersten Monaten des J. 1866 mit aller Gewalt wieder auf. Der österr. Statthalter in Holstein duldete, im Einverständnis mit seiner Regierung, sehr bald wieder die offenen Kundgebungen der Bewohner für Augustenburg. Bismarck forderte 26. Jan. die österr. Regierung dringend zur Abstellung dieses Systems auf. Die Antwort des Grafen Mensdorff vom 7. Febr. gab an Entschiedenheit nichts nach. Man sprach gegenseitig bereits offen von dem Bruch des Bündnisses, und in Berlin wie in Wien wurde die Kriegsfrage erörtert. Beide Teile suchten Bundesgenossen zu gewinnen. Österreich fand sie in den Mittelstaaten, denen zu Liebe es, im Widerspruch zu seinen Verträgen mit Preußen, die Entscheidung der schlesw.-holstein. Sache wieder dem Bunde zu-^[folgende Seite]