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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Eheschließung; Ehestatistik

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Eheschließung - Ehestatistik

weniger als die gesetzliche Abfindung, so erhält der Unschuldige eine Quote vom Vermögen des Schuldigen (§§. 785, 792-797). Die Höhe der Quote wird nach dem Maße der Schuld bemessen. Statt der Abfindung kann die unschuldige Ehefrau standesmäßige Verpflegung bis an ihren Tod aus den Mitteln des schuldigen Ehemanns fordern (§. 798). Den Standpunkt, daß der unschuldige Ehegatte für die ihm durch die Scheidung entzogenen Vorteile entschädigt werden soll, nehmen auch das Württemb. Landr. II, 32, §. 1, das Bayrische Landr. I, 6, §. 43, das Gothaische, Altenburgische und Schwarzburg-Sondershausensche Gesetz ein. Wo weder deutsche Partikulargesetze noch ein Gewohnheitsgesetz das röm. Recht beseitigt oder modifiziert haben, gilt dasselbe noch heute. Dieses faßte die den schuldigen Ehegatten treffenden Nachteile aus dem Gesichtspunkte einer Strafe. Der schuldige Ehegatte verliert den vierten Teil seines Vermögens, in gewissen Fällen den dritten Teil an die Kinder, den Nießbrauch an den unschuldigen Ehegatten; wenn Kinder nicht vorhanden sind, erhält der unschuldige Ehegatte auch das Eigentum. Daß statt dieses Vermögensteils die Dos (s. Mitgift), wenn solche gegeben war, und die Donatio propter nuptias (s. d.) verwirkt sein sollte, ist heute bei dem andern Charakter der Ausstattung und der Beseitigung der donatio propter nuptias fast überall unpraktisch.

Eheschließung, s. Ehe und Civilehe.

Ehestatistik, neben der statist. Erhebung der Geburten (s. Geburtsstatistik) und der Sterbefälle (s. Sterblichkeitsstatistik) ein Hauptteil der Darstellung der sog. Bewegung der Bevölkerung (s. d.). Die Kirchenbücher und in neuerer Zeit die bürgerlichen Civilstandsregister liefern in zuverlässiger Weise das Urmaterial (s. Personenstand). Es kommt für die Statistik, außer der Gesamtzahl der Trauungen hauptsächlich in Betracht: die Jahreszeit der Eheschließung, das Alter und der bisherige Familienstand der Brautleute.

Neben der absoluten Zahl der Eheschließungen interessiert zunächst das Verhältnis derselben zur Gesamtbevölkerung, welches durch die sog. allgemeine Verehelichungs- oder Heiratsziffer zum Ausdruck gelangt. Für das Deutsche Reich ergeben sich folgende Zahlen:

Jahr Mittlere Bevölkerung Eheschließungen Auf 1000 E. entfallen Eheschließungen

1881 45426000 338909 7,46

1882 45717000 350457 7,67

1883 46014000 352999 7,67

1884 46334000 362596 7,83

1885 46705000 368619 7,89

1886 47132000 372326 7,90

1887 47628000 370659 7,78

1888 48166000 376654 7,82

1889 48715000 389339 7,99

1890 49239000 395356 8,03

1881/90 47108000 367791 7,81

1891 49738232 399398 8,03

1892 50286974 398775 7,93

Wenn hiernach auch die Zahl der Eheschließungen im allgemeinen eine große Beständigkeit aufweist und mit der Zunahme der Bevölkerung im wesentlichen gleichen Schritt gehalten hat, so ist doch die Heiratsziffer im einzelnen bemerkenswerten Schwankungen unterworfen. Will man die Zahl der Eheschließungen als ein Kennzeichen des größern oder geringern Wohlbefindens einer Bevölkerung gelten lassen, so scheint in der allmählichen Steigerung der Heiratsziffer eine fortschreitende Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Deutschen Reichs im Laufe des letzten Jahrzehnts zum Ausdruck zu gelangen. Größere Schwankungen zeigen sich bei einem Rückblick auf die frühern Jahrzehnte. Die allgemeine Heiratsziffer betrug 1841-50: 8,0, 1851-60: 7,8, 1861-70: 8,5, 1871-80: 8,6, 1881-90: 7,81. Indessen tritt in diesen Zahlen der Heiratsdrang der Bevölkerung nur unklar hervor, da ja nur der noch unverheiratete Teil für die Verehelichung in Betracht kommt. Das Verhältnis dieser heiratsfähigen Bevölkerung zur Zahl der Eheschließungen, welches als die besondere Heiratsziffer bezeichnet werden kann, ist deshalb ein weit zutreffenderer Ausdruck für die Heiratsfrequenz als die allgemeine Ziffer und verdient namentlich bei einem Vergleich verschiedener Staaten den Vorzug vor dieser. Betrachtet man alle nicht verheirateten männlichen und weiblichen Personen im Alter von über 15 Jahren als heiratsfähig, so ergiebt sich für das Verhältnis der Heiratsfähigen und Eheschließungen zur Gesamtbevölkerung im Durchschnitt der Jahre 1871-85 folgendes Bild:

Staaten Auf 100 E. entfallen Heiratsfähige Auf. 1000 E. entfallen Eheschließungen Auf 1000 Heiratsfähige entfallen Eheschließungen

Deutsches Reich 31,15 8,3 26,7

Preußen 30,53 8,5 27,8

Bayern 30,60 7,8 23,3

Sachsen 28,87 9,3 32,4

Württemberg 31,52 7,5 23,9

Baden 33,28 7,5 22,4

Elsaß-Lothringen 35,13 7,1 20,3

Schweiz 36,17 7,4 20,5

Österreich 31,50 8,1 26,2

Ungarn 23,05 10,1 38,1

Frankreich 32,54 7,8 24,0

Italien 31,51 7,8 24,6

Belgien 34,98 7,2 20,5

Norwegen 33,44 7,1 21,1

Schweden 34,14 6,7 19,5

England u. Wales - 7,8 -

Schottland - 7,0 -

Irland - 4,5 -

Für die Beurteilung dieser Zahlen ist zu beachten, daß die Heiratsfrequenz außer von der ökonomischen Lage der Bevölkerung auch von ihren nationalenEigentümlichkeiten, dem Charakter der Volkswirtschaft und dem geltenden Recht abhängt.

Auf die einzelnen Monate des Jahres verteilen sich die Eheschließungen sehr ungleich. Bei einem Tagesmittel von 1000 Eheschließungen für das ganze Jahr entfielen im Deutschen Reich 1872-90 auf den Januar 955, Februar 1170, März 610, April 1069, Mai 1249, Juni 918, Juli 841, August 648, September 906, Oktober 1307, November 1525, Dezember 766. Die Unterschiede werden teils durch natürliche Einflüsse (Witterung und davon abhängige Landarbeiten), teils durch sociale (Landessitte und Herkommen, kirchliche Satzungen und Gewohnheiten) bedingt.

Nach dem Familienstand befanden sich unter 100 Heiratenden: