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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahn-Radreifenbrüche - Eisenbahnrecht
umfangreiche Linien für Staatsrechnung hergestellt. !
(S. Russische Eisenbahnen.) In den Balkanländern
Serbien, Rumänien und Bulgarien ist das
Staatsbahnprincip vorherrschend, während in der
Türkei durch einseitige Verträge die Entwicklung
der Eisenbahnen lange Jahre gehemmt war, und
der Staat erst jetzt mit Hilfe hauptsächlich deutschen
Kapitals an den Bau neuer Eisenbahnen geht.
lS. Türkische Eisenbahnen.) Ebenso geschieht in
Griechenland der Ausbau des Eisenbahnnetzes
mit Hilfe fremden Kapitals unter Gewährung
von Staatsunterstützung. In Fr a n trci ch sind in
neuerer Zeit ebenfalls Staatsbahnen gebaut wor-
den; von der 1878 beabsichtigten Durchfübrung des
Staatsbahnsystems ist indes später abgesehen und
das Privatbahnsystem im Wesentlichen bis jetzt bei-
behalten worden. (S. Französische Eisenbahnen.)
In Spanien besteht das Privatbahn-, in Portu-
gal das gemischte System, teils Staats-, teils
Privatbahnen. (S. Spanische Eisenbahnen und
Portugiesische Eisenbahnen.) In England, das
zur Zeit nur Privatbahnen besitzt, worden vielfach
Klagen über die Tarifmißwirtschaft der Privat-
bahnen laut, und auch hier haben schon viele Stim-
men gefordert, daß der Staat die Eisenbahnen,
ebenso wie es mit den Posten und Telegraphen
geschehen ist, in eigenen Betrieb nehmen solle.
In den engl. Kolonien dagegen, besonders in Indien
und Australien, finden sich viele Staatsbahnen.
Auch in Nordamerika, wo mehr und mehr der Eisen-
bahnbesitz sich in den Händen einzelner reichbegüter-
ter Männer vereinigt und von denselben oft in rück-
sichtsloser Weise ansgebentet wird, ist der Ruf nach
Übernahme der Eisenbahnen durch den Staat von
dem durch die Eisenbahnkönige (s. d.) geschädigten
verkehrtreibenden Publikum schon mehrfach erhoben
worden, ohne indessen bis jetzt einen Erfolg erzielt
zu haben. - Vgl. von der Leyen, Eisenbahnpolitit
(im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften",
Bd. 3, Jena 1892, S. 172 fg.), wo auch die weitere
Litteratur angegeben ist.
Eisenbahn-Radreifenbrüche, s. Eisenbahn
unfälle (S. 910 fg.).
Gisenbahnrate, s. Eisenbahnbeiräte.
Gifenbahnrecht, der Inbegriff derjenigen
Rechtsgrundsätze, welche die Verhältnisse der Eisen-
bahnen betreffen. (Über Begriff und Einteilung der
Eisenbahnen und die Grundlagen des Eisenbahn-
wesens, s. Eisenbahnen I u. III.)
I. Das E. gehört teils dem Staatsrecht, teils dem
Privatrecht an, je nachdem es sich um öffentliche
oder privatrechtliche Verhältnisse handelt. Man
unterscheidet daher ein Eisenbahnstaats- und
ein Eisenb ahn privatr echt. Einen wichtigen
Teil des Eisenbahnprivatrechts bildet das Eisen-
bahnfrachtr echt, der Inbegriff der Rechts-
grundsätze für die Regelung des Frachtgeschäfts
(s. Frachtvertrag). Äuf beiden Gebieten, dem
öffentlichen und dem Privatrecht, hat die besondere
Natur der Eisenbahnen, ihre hohe wirtschaftliche
und militär. Bedeutung, die monopolistische Art
des Eisenbahnbetriebes, die gefährliche Natur des-
selben und der internationale Charakter der großen
Linien auf die eigentümliche Gestaltung der Rechts-
verhältnisse der Eisenbahnen ihren Einfluß aus-
geübt. Die wirtschaftliche Aufgabe der Eisen-
bahnen, die unentbehrliche stetige Benutzung der-
selben für alle Arten wirtschaftlicher Betriebe,
sowie andererseits die große Gefahr, die mit jeder
Störung der Betriebsordnung naturgemäß ver-
bunden ist, bedingen die Notwendigkeit des staat-
lichen Schutzes durch polizeiliche und strafgesetzliche
Anordnung. Aus der Notwendigkeit einer plan-
mäßigen Entwicklung des Eisenbahnnetzes eines
Landes und der Bestimmung der Eisenbahnen, als
öffentliche Verkehrsanstalten zu dienen, erwächst
dem Staate die Pflicht, sich einen weitgehenden Ein-
fluß auf Anlage und Betrieb der Eisenbahnen nach
den verschiedensten Richtungen zu sichern. Es sind
deshalb anch in allen Staaten auf die Eisenbahnen
bezügliche Gesetze erlassen worden, und überall sind
die Eisenbahnen einer mehr oder minder starken
staatlichen Aufsicht unterworfen worden, und zwar
auch in deu Staaten, in denen sonst, wie in Eng-
land und den Vereinigten Staaten von Amerika,
der freien Privatthätigkeit der weiteste Spielraum
gelassen wird. Von wesentlichem E'mstuß aus die
Gestaltung des E. in den verschiedenen Staaten ist
die Eisenbahnpolitik (s. d.) desselben gewesen.
Der Darstellung des E. werden gewöhnlich die
einzelnen Entwicklungsstufen der Eisenbahnen
(Entstehung, Verwaltung, Staatsaufsicht, Verhält-
nis zu andern Verwaltungszweigen und Ende) zu
Grunde gelegt, da die im Anschluß an das System
des allgemeinen Rechts sonst naheliegende Schei-
dung in öffentliches und Privatrecht insofern große
Schwierigkeiten bietet, als sich die Grundsätze des
öffentlichen und des Privatrechts im E. gegenseitig
so mannigfach durchdringen und durchkreuzen, daß
ein Auseinanderhalten beider kaum möglich ist.
Neuerdings hat Gleim, "Das Recht der Eisenbahnen
in Preußen" (Berl. 1891/92), den erfolgreichen Ver-
such gemacht, das öffentliche und das private E.
gesondert zu behandeln.
II. 1) Deutschland. Hinsichtlich der Eisenbahn-
gesetzgebung ist Preußen, das anfänglich dem Bau
von Eisenbahnen in seinem Gebiet sehr kühl gegen-
überstand , allen Ländern vorangegangen. Bereits
3. Nov. 1838 erschien das Gesetz über die Eisen-
bahnunternehmungen, das trotz seines über fünfzig-
jährigen Bestehens im wesentlichen noch heute die
rechtliche Grundlage für das gesamte preuß. Eisen-
bahnwesen bildet und später nur in einzelnen Tei-
len durch besondere Gesetze, wie z. B. das Deutsche
Handelsgesetzbuch (1861) mit dem 18. Juli 1884
hierzu ergangenen Reichsgesetz über die Aktien-
gesellschaften, die Norddeutsche und Deutsche Reichs-
verfassung, das Rcichshaftpftichtgesetz vom 7. Juni
1871, das Enteignnngsgesetz vom 11. Juni 1874
u. s. w. abgeändert und ergänzt wurde. Neuer-
dings hat Preußen die Verhältnisse der dem
Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838 nicht unter-
stehenden öffentlichen Bahnen aller Art, gleich-
viel mit welcher Kraft sie betrieben werden (Klein-
bahnen), sowie die Verhältnisse derjenigen für
den Privatverkehr bestimmten Bahnen, die zwecks
Übergangs der Betriebsmittel (s. d.) an öffentliche
Bahnen anfchließen (Privatanschlußbahnen) durch
Gesetz vom 28. Juli 1892 geregelt, das 1. Okt. 1892
in Kraft getreten ist. Der Mangel jeglicher gesetz-
licher Bestimmungen auf diesem Gebiete hatte sich
immer fühlbarer gemacht, je dringender das Be-
dürfnis hervortrat, neben dem Ausbau des allge-
meinen Zwecken dienenden Eisenbahnnetzes auch
die Entwicklung der kleinen, ausW^eßlvch örtlichen
Verkehrsinteressen dienenden Bahnen energisch zu
fördern. Preußen war in dieser Beziehung unver-
kennbar zurückgeblieben, besonders im Verhältnis