Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

898
Eisenbahntarife
mit der III. Klasse verschmolzen werden. Diese Re-
form würde weitgehende Ermäßigungen der Fahr-
preise herbeiführen, die sich für die preuß. Staats-
bahnen nach den angestellten Berechnungen ans
etwa 35 Mill. M. jährlich belaufen würden. Hieraus
fowie aus der beabsichtigten Verschmelzung der
IV. mit der III. Klasse nahmen die meisten preuß.
Bezirkseisenbahnräte, denen die Vorschläge zunächst
vorgelegt wurden, Veranlassung, sich gegen dieselben
auszusprechen, wodurch die Durchführung der Re-
form der Personentarife aufs neue hinausgeschoben
wurde.
In einzelnen Fällen gewähren die Eisenbahn-
Verwaltungen, insbesondere an ihre Beamten und
Arbeiter, ferner auch an das Personal anderer
Bahnen, freie Fahrt. Näheres hierüber f. Frci-
fahrtordnung.
L. Gütertarife. Das Tarifwesen für den
Güterverkehr beruht auf sehr verschiedenen Grund-
sätzen. In Deutschland wurde bei den ersten Eisen-
bahnen der Tarif lediglich nach der zur Beförde-
rung aufgegebenen Gewichtsmenge, der Centner-
zahl, berechnet. Da sich bei der Ausführung bald
große Schwierigkeiten ergaben, so ging man zu
Klassifikationssystemen, Wertsystemen,
über, d.h. es wurden die verschiedenen auf einer be-
stimmten Bahn zur Beförderung gelangenden Gü-
ter nach ihrem Wert in Klaffen eingeteilt und für
jede solche Güterklasse ein bestimmter Einheitssatz
für die Einheit der Bahnlänge festgefetzt. In die
niedrigsten Klassen wurden hierbei die minderwer-
tigen Güter gesetzt, die in großen Mengen beför-
dert werden, wie Steinkohlen, Erze, Rohcifcn,
Baumaterialien u. dgl., und die nur bei einem
verhältnismäßig niedrigen Tariffatz ein weiteres
Absatzgebiet sich erringen können.
Da jede Bahnverwaltung bei Feststellung dieser
Tarife zunächst nur das Verkehrsbedürfnis des
eigenen Gebietes und die Erzielung eines größt-
möglichen Gewinnes aus dem Vahnunternehmcn im
Auge hatte, so kam in die Klassifikation der Güter
und die für die einzelnen Klassen berechneten Nor-
malsätze eine sehr große Verschiedenheit, die sich
für den Verkehr immer störender bemerkbar machte,
je mehr das Eisenbahnnetz der einzelnen Länder
sich schloß und dadurch die Möglichkeit direkter
Sendungen zwischen Stationen verschiedener Ver-
waltungen gegeben wurde. Nm eine Vereinfachung
des Tarifs herbeizuführen, wurde zuerst von der
nassauischen Staatsbahn und demnächst von der
Verwaltung der Reichseisenbahnen in Elsaß-Loth-
ringen das sog. "natürliche"Tariffystem eingeführt,
wobei für die Tarifierung der einzelnen Güter
der von denselben beanspruchte Wagenraum als
wesentlichste Grundlage angenommen wurde. Außer-
dem wurde unterschieden, ob die Wagen bedeckt
oder unbedeckt sind, und für erstere ein höherer
Frachtsatz berechnet. Einen wesentlichen Unterschied
in Bezug auf die Frachtsätze machte es dann noch,
ob Güter in ganzen Wagenladungen oder nur als
Stückgüter zur Beförderung aufgegeben wurden.
Auch dieses System entsprach indes nicht allen An-
forderungen und wurde deshalb durch das sog.
gemischte System ersetzt, das die Grundsätze
des natürlichen und des Klassifikationssystems
vereinigt. Auf dem gemischten System beruht der
deutsche Reform-Gütertarif, der 1876 von den
deutschen Eisenbahnverwaltungen beraten und am
12./I3. Febr. 1877 von der durch den preuh. Minister
der öffentlichen Arbeiten berufenen Generalkonferenz
der deutschen Eisenbahnen festgestellt wurde.
Nach diesem System unterscheidet man Eilgut,
eine allgemeine Stückgutklasse und einen
Specialtarif für bestimmte Stückgüter,
ferner zwei allgemeine Wagenladungsklas-
sen (für Güter aller Art in Wagenladungen von
mindestens 5000 k^ - Klasse ^ - und von min-
destens 10000 kF - Klasse L) und die sog. Spe-
cialtarifklaffen I, II und III für bestimmt be-
zeichnete Güter für Sendungen in Wagenladungen
von mindestens 10000 k^. Bei Aufgabe von Sen-
dungen der Güter der Specialtarife I und II unter
10000 kF, aber von mindestens 5000 K3, wird
die Specialtarifklasse ^, bei Gütern des Special-
tarifs III unter gleichen Voraussetzungen der Satz
des Specialtarifs II angewendet. Daneben bestehen
für einzelne Güter Ausnahmetarife mit ermäßigten
Sätzen, zu deren Einführung in Preußen die befon-
dere Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforder-
lich ist. In die allgemeinen Wagenladungsklassen
gehören die in der Klassifikation der Specialtarife
nicht benannten höherwertigen Güter, während die
Specialtarife I, II und III die weniger wertvollen
Güter, und zwar stufenweife abfallend enthalten,
sodaß der Specialtarif I im wesentlichen Fabrikate,
SpecialtarifII hauptsächlich Halbfabrikate und Spe-
cialtarif III die geringwertigen Rohprodukte und
Massengüter umfaßt. Außerdem finden sich im
Neformtarif noch besondere Vorschriften und Sätze
für a. explodierbare Gegenstände, d. Edelmetalle
u. s. w., o. sperrige Güter, ä. Fahrzeuge, 6. ge-
brauchte Emballagen, l. Flüssigkeiten in Kessel- und
andern Gefähwagen, F. Langholz u. dgl., K. Fische,
i. Bienensendungen, k. frisches Fleisch, 1. Brief-
tauben. In Bezug auf die Höhe der Sätze für die
einzelnen Klassen wurden den Privatbahnen in
Preußen " Maximalsätze" vorgeschrieben, über die
sie nicht hinausgehen dürfen; für die preuh. Staats-
bahnen wurden die zu erhebenden Einheitsfätze ein
für allemal festgefetzt ("Normaltransportgcbühren"),
zu deren Erhöhung es gesetzlicher Genehmigung be-
darf. Nachstehend sind die Normaltransportgebührm
der prcuß. Staatsbahnen mitgeteilt, die auch von
den übrigen deutschen Staatsbahnen und einer
großen Zahl der Privatbahnen angenommen sind:
Streckensätze für die Tonne und das Kilometer:
für Stückgut..............11 Pf.
Specialtarif für Stückgut....... 8 "
für die Wagenladungstlasse ^i .... 6,7 "
" " " 13..... 6,0 "
" den Specialtarif ^2........ 5,o "
" " " 1......... 4,5 "
" " " II......... 3,5 "
" " " III-. bei Entfer-
nungen bis 100 km....... 2,6 "
von mehr als 100 km. . . 2,2 "
" Eilstückgut.............22 "
" Eilgut in Wagenladungen der doppelte Satz
der allgemeinen Wagenladungsklasscn ^1 bez. L.
ExpeditionsMfertigungs-)gebühren für 100 KZ:
1) Für Stückgut und die Wagenladungs-
tlasse^:
bis 10 km..........10 Pf.
von 11 bis 20 km......11 "
" 21 " 30 "......12 "
" 31 " 40 "......13 "
" 41 " 50 "......14 "