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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenindustrie
Entwicklung eines Landes anzusehen. Nach den
Berechnungen von Rentzsch ("Schriften des Vereins
deutscher Eisen- und Stahlindustrieller") ergiebt sich
für 1890 unter Berücksichtigung der einbeimischen
Produktion, der Ein- und Ausfuhr die nachstehende
Übersicht, die freilich nicht ganz durchgeführt werden
konnte, da in manchen Ländern die Ein- und Aus-
suhr nicht dem Gewichte, sondern nur dem Werte
nach angegeben werden. Es entfallen auf:
Staaten
Eigene Produktion pro Kupf
Einheimischer Verbrauch

überhaupt in je 1000 t
pro Kopf in kg
Teutschland.... Großbritannien. . Frankreich..... Österreich-Ungarn. Belgien...... Schweden..... Italien...... Rußland...... Schweiz...... Ver. St. v.Amerika
95,1 214,i 50,8 22,6 138,3 85,9
0,7 6,8 0,3
147,2
3 921
1017 412
__ 880 180 10151
80,0
24,3 68,7
8,0
60,0 159,8
Für Großbritannien wird schätzungsweise der ein-
heimische Verbrauch pro Kopf zu etwa 120 KZ, für
Frankreich zu 70, für Schweden 25, Italien 30 K3
anzunehmen sein.
Nicht alle der vorstehend genannten Länder sind
in der glücklichen Lage, eine lebens- und leistungs-
fähige einheimische E. zu besitzen, da sich dieselbe
zunächst auf eine bodenwüchsige Roheisenproduktion
und auf vorhandene oder leicht zu beziehende mine-
ralische Brennstoffe stützen muß. Beides fehlt zu-
nächst in Italien und der Schweiz, und wenn hier
Beachtenswertes im Maschinenbau, in Italien
neuerdings in der Herstellung von Eisenbahn- und
Schiffsmaterial geleistet wird, so geschieht dies meist
nur durch Beschaffung ausländischen Eisens und
fremder Kohlen zu teuren Preisen, auch nur unter
dem Schutz hoher Zölle. Ahnlich liegen die Dinge
in Rußland, das zwar die geeigneten Rohmateria-
lien besitzt, aber meist viel zu weit voneinander ent-
fernt. Schweden erzeugt ein recht gutes Roheisen,
es fehlen aber für dessen Weiterverarbeitung die
mineralischen Brennstoffe, und wenn man sich zur
Zeit noch mit billigen Holzkohlen behelfen kann,
so werden selbst die größten Waldbestände doch auf-
gebraucht werden. Zur Zeit sind daher die Länder,
die über eine grohentwickelte E.,in allen oder nahezu
allen Branchen erhebliches leistend, verfügen, in
Europa: Großbritannien, Deutschland, Belgien,
Frankreich, Österreich-Ungarn, in Amerika: die Ver-
einigten Staaten. In oft recht großen Hüttenwerken,
die nicht fetten viele Tausende von Arbeitern be-
schäftigen (s. Deutschland, S. 131a), wird das
Roheisen oder der daraus gewonnene Stahl zu
Stab- und Faconeisen, Blechen und Platten, Draht,
Schienen, Schwellen, Achsen, Rädern, Bandagen,
Schmiedestücken, Kriegsmaterial u. s. w. durch
Puddeln, Hämmern, Walzen u. s. w. verarbeitet.
Auf andern, oft auf denselben Werken wird das
Stabeisen zu Eisenkonstruktionen, eisernen Brücken
u. dgl. vorgeria)tet, der gewalzte Draht in Zieh-
bänken dünner gezogen, das Blech verzinkt oder
verzinnt (Weißblech), zu groben Eisenwaren von
Hunderters Art als Anker, Ketten, Ambose, Nägel,
Drahtstifte, Drahtseile weiter verarbeitet. Daran
schließt sich wiederum die sog. Kleineisenindustrie
mit ihren Tausenden von Artikeln für den täglichen
Bedarf an Messern, Scheren, Nadeln, Waffen, Be-
schlägen, Nieten, Schrauben, Griffen, Knöpfen,
Stempeln, Drahtwaren, Werkzeugen u. s. w. an,
während anderes Stabeisen, Bleche, Rohstahl,Drabt,
Schmiedestücke von den Maschinenfabriken zu Ma-
schinen aller Art, Dampskesseln, Apparaten, von
den Schiffswerften zu Schiffen, von den Wagen-
bauanstalten zu Waggons, von den Mechanikern
zu Instrumenten, zu Uhren, Federn u. s. w. ver-
arbeitet werden. Eine gewissermaßen selbständige
Branche bildet sodann die Eisengießerei (s. d.) mit
ihren weitern Hunderten von Gegenständen. End-
lich der Handwerksbetrieb der Eisengewerbe, der
Schlosser, Schmiede, Klempner, Messer- und Zirkel-
schmiede, der Graveure, Metalldreher u. s. w. Das
alles gehört zur E. und läßt die Ausstellung des
Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller be-
rechtigt erscheinen, daß in der deutschen Eisen-
industrie bis zu 800000 Personen beschäftigt, an
Anlagekapitalien mindestens 4000 Mill. M. vor-
handen sind und im Laufe eiues Jahres diese hohe
Summe wahrscheinlich einmal umgesetzt wird.
Den ersten Rang nimmt zur Zeit Nordamerika
ein, dessen E. indessen (von einzelnen kleinern Ma-
schinen und Gegenständen des Hausbedarfs ab-
gesehen) zur Zeit nur den inländischen Bedarf deckt
und als Mitbewerber auf dem Weltmarkt nicht
auftritt, was indessen nur eine Frage der Zeit sein
dürfte. In den fchweren Artikeln des Stabeisens,
den Schienen, Blechen, Platten, Reifen, Bändern,
groben Eisenwaren, besonders auch des Weißblechs
übertrifft die Ausfuhr Englands die aller andern
Länder, während Deutschland, bei einer sehr nen-
nenswerten, aber doch geringern Ausfuhr in den-
selben Artikeln, in Draht, den Gegenständen seiner
großartig entwickelten Kleineisenindustrie, in feinen
Eisenwaren und Instrumenten das Übergewicht be-
hauptet. Für die Ausfuhr kommt sodann noch Bel-
gien in Betracht, während Frankreich und Österreich-
Ungarn znrückstehen. 1893 betrug sür Eisen- und
Etahlfabrikate (ohne Maschinen und Instrumente):
Staaten
Großbritannien. <
Deutschland . . . <
Belgien......
Frankreich.....
Österreich-Ungarn.
74 755
58 946
31411
49 307
34 748
Ausfuhr
2 857 743
985 754
358 023
108 388
45 665
In Deutschland sind die wichtigsten Bezirke für
die E. die Provinzen Rheinland-Westfalen mit den
Kreisen von Essen, Bochum, Dortmund, Düsseldorf,
Siegen, Aachen und dem Saarbezirk, fodann Ober-
schlesien, Deutsch-Lothringen, Hessen-Nassau, König-
reich Sachsen (Chemnitz,Plauenscher Grund). Außer-
dem finden sich namhafte Werke in allen Landesteilen.
Der Hauptsitz der Kleineisenindustrie ist in dem Be-
zirk Arnsberg in den Umgebungen von Hagen, Iser-
lohn, Lüdenscheid bis nach dem Kreis Siegen.
Unter Großeisenindustrie versteht man die
Erzeugung der schweren (großen), groben Erzeug-
nisse der Hüttenwerke an Roheisen und Walzproduk-
ten als Stabeisen, Blechen, Platten, Draht, Schie-
nen, Achsen, Rädern, und die Eisengießerei. Klein-