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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Elsaß-Lothringen (Industrie)
l. Dez. 1871 auf 204108 Personen. Die Zahl der
mit Entlassungsscheinen Ausgewanderten und der
in den elsah-lothr. Staatsverband Aufgenommenen
hielt sich nahezu die Wage. Ein allmählicher Rück-
gang der Bevölkerung zeigte sich schon früher.
Während sich dieselbe absteigend in den I. 1821
- 36 um 14,85 Proz., 1836 - 51 um 6,59 Proz.,
1861-66 um 1,20 Proz. vermehrte, zeigte sich in den
I. 1866 - 75 eine Verminderung um 4,oW Proz.
Die I. 1875 - 85 weisen eine Vermehrung um
2,125 Proz. auf; in dem Zeitraum 1885-90 beträgt
dieselbe nur 0,95 Proz. Von 1697 Gemeinden hatten
(1890) 1591 weniger als 2000 E., 50 zwischen 2000
und 3000, 23 zwischen 3000 und 4000, 6 zwischen
4000 und 5000, 19 zwischen 5000 und 10 000, 4
(Hagenau, Saargemünd, Gebweiler, Markirch)
zwischen 10000 und 15 000, 4 (Strahburg, Mül-
hausen, Metz, Colmar) über 30 000 E.
Dem Religiousbekenntnis nach waren
(1890) 1227225 Katholiken, 337476 Evangelische,
3757 sonstige Christen, 34645 Israeliten, 7 Ve-
kenncr anderer Religionen und 396 ohne bestimmte
Religionsangabe.
DerStaatsangehörigkeit nach waren (1890)
1349504 Elsaß-Lothringer, 207539 Angehörige
anderer deutscher Staaten, 46463 Ansländer. Die
Militärbevölkerung besteht (mit Ausnahme der als
Freiwillige dienenden Elsaß-Lothringer) aus An-
gehörigen der übrigen deutschen Staaten. Von den
Angehörigen deutscher Staaten kamen (1890) 31689
auf Baden, 13473 auf Württemberg, 30552 auf
Bayern, 115447 auf Preußen u. s. w. Abgesehen
von der Militärbevölkcrung sind Vadener und Würt-
temberger vorzugsweise im Unter- und Oberelsaß,
Bayern und Preußen am stärksten in Lothringen ver-
treten. Von den Ausländern waren 16004 -^ 34,4i
Proz. Franzosen, 11509 ^ 24,77 Proz. Schweizer,
9678 ^ 20,83 Proz. Luxemburger u. s. w. Die Aus-
länder haben ibre stärkste Vertretung in Lothringen
Metz-Stadt (3765) und in Oberch'aß im Kreis Mül-
hausen (9354). Wie die Bodenbeschaffenheit und
Bevölkerungsverhältnisse zeigen auch Volkswesen,
Lebensführung, Mundart, Sitten, Bräuche u. s. w.
einen wesentlichen Unterschied zwischen den über-
wiegend dem alamann. Stamme angehörenden Be-
wohnern des Elsasses und den dem fränkischen an-
gehörenden Lothringens. Volkstrachten baben sich
nur noch vereinzelt (besonders im Unterelsaß) er-
halten. Die natürliche Sprachgrenze, für welche im
Elsaß derWasgau in seinen verschiedenen Bildungen,
in Lothringen die Ausläufer desselben, die zusammen-
hängendern bcdeutendern Wälder und darin liegen-
den großen Weiher maßgebend wurden, fällt mit der
staatlichen Grenze nicht zusammen. Von den 1700 Ge-
meinden können 1277 (533 im Unterelsah, 362 im
Oberelsaß, 382 in Lotbringen) als ganz deutsche, 50
(12 im Elsaß, 38 in Lothringen) als gemisckt, 373
(39 im Elsaß, 334 in Lothringen) als ausschließlich
französisch oder franz. Patois sprechend bezeichnet
werden. Die Gesamtzahl der ausschließlich fran-
zösisch oder franz. Patois sprechenden Einwohner
beträgt etwa 46 000 im Elsaß, 171000 in Lothringen,
dessen westl. Hälfte ganz dem franz. Sprachgebiete
angehört. 1885/86 waren 10,86 Proz. der Rekruten
des Deutschen nicht mächtig, 1892/93 nur 5,44. Vom
Gebrauche der deutschen Geschäftssprache (auf Grund
des §.5 des Gesetzes vom 31. März 1872) sind (1894)
nur noch 309 Gemeinden befreit.
VrocklmuZ' Konvcrsations-Lcxikou.. lt. Aufl. VI.
ImI. 1889 gab es 145 Kranken-, Siechen-, Armen-
und Waisenhäuser, Taubstummen-, Blinden- mi5
Irrenanstalten mit 14817 Betten und einem Warte-
personal von 1342 Personen, in welchen 24550
Kranke, 6572 Pfründner, Sieche und Arme, 2238
Waisenkinder Verpflegung fanden, ferner 4 Taub-
stmnmenanstalten,darunter eine staatliche,iBlinden-
anstalt (Illzach), 2 Irrenanstalten (Stephansfeld-
Hördt für Elsaß, Saargemünd für Lothringen). 1892
bcstanden588Krankenkassenmit214417Mitglicdern.
Industrie. In Hinsicht auf die gewerbliche
Thätigkeit wird E. nur von wenigen Staaten des
Deutschen Reichs übertroffcn. Sie ernährt etwa
ein Drittel der Gesamtoevölkerung. Die Gewerbe-
zählung vom 5. Juni 1882 ergab 121216 Gewerbe-
betriebe mit 275955 gewerbthätigcn Personen und
zwar 101906 Hauptbetriebe (davon 2411 mit mehr
als fünf Gehilfen) und 19310 Nebenbetriebe. Auf
10000 E. kamen 787,Z Betriebe und 1792,4 gewerb-
thätige Personen. Auf die Textilindustrie entfielen
14264 Betriebe, es folgen Bergbau, Hütten- und
Salinenbetrieb, Gewinnung von Steinen und Er-
den, Fabrikation von Maschinen und Werkzeugen
u. s. w. Von den Hauptbetrieben benutzten stehende
Triebwerke bewegt durch Wind 12, Wasser 1813,
Dampf 848, Gas oder Heißluft 73. Von denselben
benutzten ferner 102 Dampfkessel ohne Kraftüber-
tragung, 124 Lokomobilen. In der Hausindustrie
waren 16114 Personen thätig, darunter 3116 in
Weberei und Flechtcrei von Holz, Stroh, Bast u. s. w.,
2109 in Baumwollwebcrei, 1855 in Näherei und
1743 in Häkelei und Stickerei. Mit dem 1. Jan.
1889 ist die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich
auch in E. eingeführt worden.
Die Textilindustrie beschäftigt nahezu ein
Drittel aller Gewcrbthätigen. Ihre Hauptsitze sind
Mülhausen, Colmar, die Thaler der Thür, der
Lauch, der Fecht, der Leber, deren künstlich geregelte
Wasserkraft Fabrikzwecken dienstbar gemacht ist; im
Untcrelsaß besonders das Vreuschthal. Die Baum-
wollind ustrie ist der ausgedehnteste Gewerbs-
zweig des Reickslandes. Der Großbetrieb über-
wiegt in allen Bezirken. Im Oberelsaß gelangte
das Gewerbe um die Mitte des 18. Jahrh, zu Be-
deutung. Aus der Herstellung bedruckter Vaum-
wollzeuge (Indienne) entwickelte sich die Baumwoll-
weberei (erster fabrikmäßiger Betrieb 1750 in Senn-
Heim; erste mechan. Weberei 1821), die Baumwoll-
spinnerei (erste Fabrik 1803 in Wesserling), Färberei,
Fabrikation chem. Produkte, Maschinenbaufabriken
u. s. w. Die erste Dampfmaschine fand in Mül-
haufen 1812 Verwendung. Baumwollweberei findet
sich als Fabrikbetrieb hauptsächlich in Mülhausen,
als Hausindustrie namentlich im Unterelsaß. Die
Wollindustrie ist gleichfalls bemerkenswert und
bat den Hauptsitz im Unterelsaß; voran stehen die
Tuchfabriken von Vischweiler. Die Kammgarnspin-
nerei ist am stärksten im Oberelsaß (Müldausen und
Malmersbach) vertreten; dagegen beschäftigt die
Garnwcberei mehr Arbeiter im Unterelsaß. Woll-
färberei, -Druckerei und -Appretur findet sich bei-
nahe ausschließlich im Oberelsaß. Von der Lei neu-
industrie wird Flachsspinnerei hauptsächlich in
gröhern Unternehmungen (im Oberelsaß), Weberei
viel im kleinen als Hausindustrie (namentlich in
Lothringen) betrieben. Seidenspinnereien sind nur
im Oberclsaß, größere Seidenwebereien daselbst
und in Lothringen (Seidenplüschfabriken in Pütt-
lingen und Eaargcmünd).