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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Englische Verfassung

mon Pleas und Exchequer haben jeder seinen eigenen Wirkungskreis, und auch das Richterpersonal ist nunmehr in drei Kollegien eingeteilt. Das Amt des Justiciar (s. Ⅰc, α), der früher sämtlichen Gerichten vorstand, bestand nicht mehr, und es wurden nunmehr regelmäßig Oberrichter mit dem Titel Chief Justice of the King’s Bench und Chief Justice of the Common Pleas ernannt, seit Eduard Ⅱ. auch Chief Barons of the Exchequer. Damit sind die drei gemeinrechtlichen Gerichtshöfe endgültig konstituiert und bestehen bis 1875 ohne wesentliche Veränderungen fort (s. Court). Wenn auch die Magna Charta nur die Lokalisierung der Common Pleas verlangt, wurde es doch bald Gebrauch für alle Gerichtshöfe, in Westminster zu tagen. Die Richter wurden aber außerdem auf Rundreisen in die Provinzen geschickt. Das Institut der reisenden Richter, dessen Spuren sich bereits unter Heinrich Ⅰ. finden, wird definitiv eingeführt durch den thatkräftigen Heinrich Ⅱ., dessen Streben es war, die Macht des Adels, der in den County Courts großen Einfluß hatte, zu schwächen. Durch den 19. Artikel der Magna Charta wird das Institut von neuem befestigt, indem bestimmt wird, daß zwei Richter jede Grafschaft viermal im Jahre besuchen sollen. Die reisenden Richter bilden das Bindeglied zwischen den königl. Gerichten und den Volksgerichten (County Courts), fungieren aber weiter, nachdem letztere bedeutungslos geworden sind, und machen es noch heute für die Bewohner der Provinzen möglich, ihre Streitigkeiten den hervorragendsten Justizbeamten des Landes zur Entscheidung zu unterbreiten, ohne die Grafschaft zu verlassen (s. Court). Nachdem die gemeinrechtliche Gerichtsbarkeit des Königs auf die erwähnten Gerichtshöfe übergegangen war, suchte er weiter durch Vermittelung des Kanzlers in die Rechtsprechung einzugreifen. Es ist bereits erwähnt worden, daß sich auch hieraus eine regelmäßige von der persönlichen Willkür des Königs unabhängige Gerichtsbarkeit, die sog. Billigkeitsgerichtsbarkeit entwickelte, und es ist ebenso erwähnt worden, daß sodann der König mit Hilfe des Privy Council eine über den regelmäßigen Gerichten stehende richterliche Macht zu behaupten suchte. 1641 wurde jedoch der Court of Star Chamber (s. Sternkammer) und überhaupt die Gerichtsbarkeit des Königs und des Privy Council definitiv beseitigt, jedoch nur in Bezug auf England und auf die weltliche Gerichtsbarkeit. Für Berufungen aus den Kolonien und aus den geistlichen Gerichtshöfen ist das Privy Council noch immer die höchste Instanz, aber auch hier hat sich jetzt in dem Judicial Committee ein regelmäßiger Gerichtshof ausgebildet, der von dem persönlichen Einfluß des Souveräns ebenso unabhängig ist wie die andern Gerichtshöfe. Die Act of Settlement (s. d.) befestigte die Stellung der Richter, indem sie vorschrieb, daß sie nur auf Grund einer von beiden Parlamentshäusern ausgehenden Adresse an den Souverän entlassen werden können.

Ⅱ. Das Parlament. Die Versammlung, die zur Zeit der normann. Könige und der Plantagenets vor Eduard Ⅰ. von dem Könige bei den größern Regierungshandlungen zu Rate gezogen wurde, bestand in der Regel aus den Prälaten, den höchsten Beamten und den großen Grundherren. Der Name Parlament für diese Versammlung wird von einem Zeitgenossen zuerst 1246 angewandt; im Gegensatz zu dieser Versammlung stehen die Versammlungen der Kronvasallen für die Zwecke der Besteuerung. Die Gesamtheit der Kronvasallen ist die Communitas Regni, die nach der Magna Charta die außerordentlichen lehnsrechtlichen Abgaben zu billigen hat. Sie entwickelt sich später zu einem der Reichsstände (Estates of the realm), ebenso wie die Geistlichkeit, die ebenfalls als getrennte Körperschaft tagt und Steuern bewilligt. Da sich die Prälaten sowohl, wie auch die weltlichen Magnaten bereits im eigentlichen Reichsrate vereinigten, bestanden die andern Versammlungen nur aus der niedern Geistlichkeit und aus den kleinern Kronvasallen, die im 13. Jahrh. nicht mehr Barones minores, sondern Knights (Ritter) of the Shire genannt werden. Die Knights of the Shire tagen häufig gleichzeitig mit dem eigentlichen Parlamente und werden auch hier und da zu polit. Beratungen zugezogen. So erscheinen bereits 1213, also vor der Magna Charta, «vier verständige Ritter» aus jeder Grafschaft, die mit dem wankelmütigen Johann über die Entschädigung an die Bischöfe nach Beendigung des großen kirchlichen Streits, aber auch im allgemeinen über die Lage des Landes beraten sollen. So werden 1254, während der Abwesenheit Heinrichs Ⅲ. in Frankreich, zwei «rechtliche und verständige» Ritter aus jeder Grafschaft nach Westminster berufen, wo zur Zeit das Parlament tagte. Bei dem von Simon von Montfort 1265 berufenen Parlamente erscheinen zum erstenmal auch Vertreter der Städte. Das System der Vertretung, das sich in den Versammlungen der Geistlichkeit und der Knights nunmehr ganz eingebürgert hatte, war den engl. Volksgewohnheiten überhaupt nicht fremd; bereits zur angelsächs. Zeit erscheinen in den Grafschaftsversammlungen statt sämtlicher Freisassen der Amtmann (Reeve) jeder Gemeinde (Township) mit vier Männern als Vertreter der Gemeindegenossen. Nach der Magna Charta (Art. 18) soll jede Grafschaftsversammlung vier Männer erwählen, die zusammen mit den reisenden Richtern gewisse Prozesse zu leiten haben. Für die Verteilung der Steuern (z. B. bei der 1188 nach dem Fall von Jerusalem bewilligten Saladin Tithe) und ebenso in der Eigenschaft der für gerichtliche Zwecke bestellten Geschworenen (juratores) fungieren bereits unter Heinrich Ⅱ. erwählte Vertreter der Grafschaft. Da die Berufung der kleinern Kronvasallen zu den steuerbewilligenden Versammlungen nach der Magna Charta durch Vermittelung der jeder Grafschaft vorstehenden Sheriffs zu erfolgen hatte, lag es nahe, das in der Grafschaftsorganisation so vielfach verwendete Repräsentationssystem auch hier anzuwenden, und die Vertreter der Knights of the Shire in den Grafschaftsversammlungen zu erwählen. Die Wahl der Mitglieder des House of Commons, die noch heute vom Sheriff in jeder Grafschaft geleitet wird, ist von diesem Verfahren ausgegangen. Auch bei den Versammlungen der Geistlichen bildet sich das System der Vertretung im 13. Jahrh. aus. Das erste Beispiel findet sich in der 1225 von dem Erzbischof Stephen Langton berufenen Versammlung. 1295 tagen zum erstenmal die drei Reichsstände zusammen in einem Parlamente, dem sog. Model Parliament Eduards Ⅰ. Dieser Monarch vereinigte dauernd die steuerbewilligenden Versammlungen der Kronvasallen und der Geistlichkeit mit den polit. Versammlungen des königl. Rats, indem er zuerst den Grundsatz aussprach, daß was alle berührt, auch von allen gebilligt werden solle. Damit war die Grundlage für die weitere Entwicklung gefunden (über dieselbe s. Commons, House