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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Erziehungsanstalten; Erziehungskapital; Erz-Imprägnationen; Erzingjān; Erzkämmerer; Erzkanzler

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Erziehungsanstalten – Erzkanzler

elterliche Haus (häusliche E.). Da aber die Eltern oft nicht in der Lage, oder auch nicht fähig sind, die ganze E. des Kindes zu übernehmen, da es ferner auch von großer Wichtigkeit ist, daß das Kind sich schon frühzeitig als Glied einer Gesamtheit fühlen und bewegen lernt, so hat sich die Notwendigkeit geltend gemacht, besondere Veranstaltungen zu treffen, um die häusliche E. zu unterstützen, ja in gewissen Fällen ganz zu ersetzen. Solche Veranstaltungen sind die Schulen, von denen einzelne (Alumnate [s. d.], Pensionate) die Zöglinge ganz bei sich aufnehmen, die Kindergärten (s. d.) und die Kinderbewahranstalten (s. d.). Auch kann die Unterstützung der Eltern bei der E. der Kinder durch eine dazu befähigte, zu diesem Zwecke in das Haus aufgenommene Person, eine Erzieherin (s. d.) oder einen Hauslehrer (s. d.) oder Hofmeister stattfinden. In Sparta wurde nach der Gesetzgebung des Lykurg die E. der Kinder ganz vom Staate übernommen (Staats- oder öffentliche E.); in neuerer Zeit hat Fichte eine Nationalerziehung in ähnlichem Sinne in Vorschlag gebracht, und auch in der jetzigen socialen Bewegung sind Ansichten verwandter Art aufgetaucht, ohne in weitern Kreisen Anklang zu finden. Eine eigentliche Wissenschaft der E. giebt es erst seit dem 16. Jahrh. Besonders seitdem die Idee der Volksschule lebendiger wurde, waren neben den Fragen des bloßen Unterrichts auch die Principien der E. im allgemeinen Gegenstand vielfacher Erörterungen, und zwar beteiligten sich daran nicht bloß die hervorragendsten Schulmänner (Trotzendorf, Johannes Sturm, Michel Neander, Wolfgang Ratich, Amos Comenius, A. H. Francke, Basedow, Campe, Salzmann, von Rochow, Pestalozzi und dessen Schüler), sondern auch Philosophen (M. von Montaigne, John Locke, Rousseau, Kant, Fichte, Krause, Hegel, Rosenkranz, Herbart, Ziller) und Theologen (Schleiermacher) und verschiedentlich auch unsere Klassiker Goethe (in den « Wanderjahren»), Schiller («Über ästhetische E.»), Jean Paul («Levana») u. s. w. Wenn in den aufgestellten Theorien und Systemen auch verschiedene Standpunkte zum Ausdruck kommen und in den Ausführungen ein Schwanken nach verschiedenen Richtungen zu Tage getreten ist, so ist dagegen auch die Kritik thätig gewesen und hat die verschiedenen Ansichten und praktischen Verfahrungsweisen scharf beleuchtet.

Litteratur, Schwarz und Curtman, Allgemeine Erziehungslehre (Lehrbuch der E., Bd. 1, Lpz. 1880); Niemeyer, Grundsätze der E. und des Unterrichts (neue Ausg., 3 Bde., Langensalza 1878‒79); Denzel, Einleitung in die Erziehungs- und Unterrichtslehre (3 Tle., zum Teil in 3. Aufl., Stuttg. 1825‒39); Beneke, Erziehungs- und Unterrichtslehre (neu von Dreßler, 4. Aufl., 2 Bde., Berl. 1876); Schleiermacher, Erziehungslehre (Sämtliche Werke, 3. Abteil., 9. Bd., ebd. 1849); Diesterweg, Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer(5. Aufl., 3 Bde., Essen 1874‒77); G. Baur, Grundzüge der Erziehungslehre(4. Aufl., Gießen 1887); Dittes, Schule der Pädagogik (4. Aufl., Lpz. 1892); Waitz, Allgemeine Pädagogik (3. Aufl., von Willmann, Braunschw. 1883); Strümpell, Psychol. Pädagogik (Lpz. 1880); Stoy, Encyklopädie, Methodologie und Litteratur der Pädagogik (2. Aufl., ebd. 1878); Schiller, Handbuch der praktischen Pädagogik (ebd. 1886); Palmer, Evang. Pädagogik (5. Aufl., von Gundert, Stuttg. 1882); K. Richter, Pädagogische Bibliothek (Lpz. 1870 fg.); Mann, Bibliothek pädagogischer Klassiker (Langensalza 1869 fg.); Lindner, Pädagogische Klassiker (Wien 1876 fg.); Monumenta Germaniae paedagogica, hg. von Kehrbach (Bd. 1‒16, Berl. 1886‒94); Pädagogische Zeit- und Streitfragen, hg. von Jhs. Meyer (Heft 1‒38, Gotha 1887‒94); die Geschichten der Pädagogik von Schwarz, K. Schmidt (4. Aufl., 4 Bde., Cöthen 1876‒88), von Raumer, Schiller (2. Aufl., Lpz. 1891), K. A. Schmid, Geschichte der E. (fortgeführt von Georg Schmid, ebd. 1884 fg.); dessen Encyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens (fortgesetzt von Schrader, 2. Aufl., 10 Bde., ebd. 1876‒87) und Pädagogisches Handbuch für Schule und Haus (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1883‒84); Sander, Lexikon der Pädagogik (2. Aufl., Bresl. 1889); Lindner, Encyklopäd. Handbuch der Erziehungskunde (4. Aufl., Wien 1891); Bain, E. als Wissenschaft (Lpz. 1880); die pädagogischen Schriften von Herbart und Ziller (s. d.).

Erziehungsanstalten, s. Zwangserziehung.

Erziehungskapital, die Gesamtheit der Kosten, die aufgewendet werden müssen, um den Menschen von der Geburt durch die unproduktive Kindheits- und Jugendperiode bis zu dem Alter der wirtschaftlichen Selbständigkeit und Erwerbsfähigkeit zu bringen. Das E. ist natürlich um so großer, eine je längere und kostspieligere Vorbereitung und Ausbildung für die von den Einzelnen gewählte Berufsthätigkeit erforderlich ist, und da infolge davon der Wettbewerb in den höhern Berufszweigen verhältnismäßig vermindert wird, so wird man im allgemeinen in dem Ertrag der letztern auch die Verzinsung eines größern Kapitals finden, als bei den leichter zugänglichen Erwerbszweigen. Doch muß auch der gewöhnliche Arbeitslohn ausreichen, um das E. des noch nicht arbeitsfähigen Nachwuchses zu decken; die gegenwärtige Generation erstattet das in ihr angelegte E. stets dadurch zurück, daß jeder Erwerbsfähige eine Familie unterhält und für Ausbildung seiner Kinder Sorge trägt.

Erz-Imprägnationen, s. Erzlagerstätten (S. 342 b).

Erzingjān, Ersingian oder Ersindschan (armenisch Yésinga), Hauptstadt des Sandschaks E. im asiat.-türk. Wilajet Erzerum in Armenien, 140 km im WSW. von Erzerum, in 1160 m Höhe, am rechten Ufer des Kara-su oder westl. Euphrat, über welchen zwei, durch eine Insel voneinander getrennte Brücken führen, hat 30000 E., meist Türken, einige 20 Moscheen, 4 armenische Kirchen, Bazare und mehrere Bäder. Die Ebene von E. bis Kemak (Gamach) ist an Fruchtbarkeit und reicher Kultur in ganz Kleinasien unübertroffen; in ihr stehen zwischen den ausgedehnten Gärten an 100 Dörfer mit 3000 Häusern.

Erzkämmerer, s. Erzämter.

Erzkanzler, eins der Erzämter (s. d.) des alten Deutschen Reichs. Die Ausfertigung der königl. Urkunden und die Aufsicht über die königl. Schreiber lag am fränk. Hofe dem Referendarius ob, der in der nachkaroling. Zeit Kanzler genannt wurde. Da die Schreibkunst fast nur den Geistlichen vertraut war, so waren sowohl die Kanzlisten wie die Vorsteher der Kanzlei (für letztere war die Bezeichnung «Kapelle» gebräuchlich) Kleriker. Otto Ⅰ. schuf eine feste Ordnung. Er ernannte zum Kanzler zuerst seinen Bruder Brun, den spätern Erzbischof von Köln, dann seinen Sohn Wilhelm, Erzbischof von Mainz. Seitdem blieb das Kanzleramt mit dem erzbischöfl. Stuhl von Mainz fast bis zum Ende des Reichs in dauernder Verbindung. Nominell