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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fabrikgesetzgebung
und 9 Uhr abends zuließ. Das Gesetz wurde sehr ^
ungenügend ausgeführt, da es an jeder wirksamen !
Kontrolle feblte. Durch ein Dekret von 1868 wur-
den Fabrilinspektoren geschaffen, aber erst durch das
Gesetz vom 19. Mai 1874 erfolgte eine den Bedürf-
nissen etwas mehr entsprechende Regelung der Ver-
hältnisse. Im allgemeinen soll nach diesem Gesetz das
Minimalalter der beschäftigten Kinder 12 Jahre
sein, es kann jedoch durch Dekret für bestimmte
Industriezweige auf 10 Jahre berabgesetzt werden,
und solche Ausnahmen sind in zahlreichen Fällen !
gemacht worden. Die Arbeitsdauer darf alsdann
6 Stunden täglich nicht überschreiten. Dieselbe
Beschränkung gilt bis zum vollendeten 15. Jahre
für diejenigen, welche sich nicht über einen genügen-
den ersten Elementarunterricht ausweisen können. >
Andernfalls ist nach Vollendung des 12. Jab-
res eine tägliche Arbeitsdauer bis zu 12 Stun- !
den zulässig. Nachtarbeit ist bis zum vollendeten !
16. Jahre allgemein und außerdem in Hüttenwerken
und Manufakturen für Mädchen unter 21 Jah-
ren verboten. In Bergwerken dürfen Kinder unter
l 2 Jahren sowie Mädchen und Frauen nicht zu unter-
irdischen Arbeiten verwendet werden. In gewissen
besonders gefährlichen Industriezweigen sowie zu !
gewissen Arbeiten in andern dürfen teils nach dem
Gesetz selbst, teils nach den auf Grund desselben in
der Folgezeit erlassenen Dekreten junge Leute unter ^
16 Jahren überhaupt nicht verwendet werden. Das !
Gesetz enthält weiter noch Bestimmungen über den
Schulunterricht, die Werkstättenpolizei, die Fabrik-
inspettion u. s. w. Das Koalitionsverbot ist in!
Frankreich seit 1864 aufgehoben. Auf dem Papier !
besteht dort nach dem Gesetz vom 9. Sept. 1848 >
auch ein Normalarbeitstag (s. d.) für Erwachsene,
indem dasselbe die Dauer der wirklichen Arbeit in
Hüttenwerken und Fabriken auf höchstens 12 stun-
den festsetzt. Ein neues Gesetz, das in mancken Be-
ziehungen einen erheblichen Fortschritt im Arbeiter-
schutze bedeutet, ist mit dem 1. Jan. 189." in Kraft
getreten. Es erweitert den Geltungsbereich, indem
es nicht nur auf die gewöhnlichen gewerblichen
Unternehmungen, sondern auch auf die zur Anwen-
dung gelangt, die unter dem Deckmantel der Wohl-
thätigkeit oder des gewerblichen Unterrichts Kinder
wie Erwachsene ausbeuten. Das Aufnabmealter der
Uinder wird, wenn sie im Besitz der Unterrichtscertifi-
tate sind, mit 12, sonst mit 13 Jahren angesetzt. Die
Arbeitszeit ist für Kinder auf 10 Stunden täglick,
für Personen von 16 bis 18 Jahren auf 60 Stun-
oen wöchentlich, für alle Mädchen und Frauen von
nder 18 Jahren auf 11 Stunden täglich angesetzt.
Frauen sowie männliche Personen unter 18 Jahren
dürfen nicht in der Nacht, des Sonntags oder an
gesetzlich anerkannten Feiertagen beschäftigt werden.
In Belgien sind die fabrikgesetzlichen Arbeiten
erst kürzlich in Angriff genommen. Eine Verord-
nung vom 28. Mai 1884 hat die Beschäftigung vou
Knaben unter 12, von Mädchen unter 14 Jahren in
den Gruben verboten. Durch königl. Entschließung
vom 18. Aug. 1886 ist eine Kommission ernannt
mit der Aufgabe, die Zustände der gewerblichen
Arbeiter zu studieren. Infolge der Thätigkeit der-
selben sind 1887 drei Gesetze, nämlich über Lohn-
zahlungen, über die Bestellung von Aufsichtsräten
für Industrie und Arbeit und über die Beschrän-
kung der Cedierbarkeit und Beschlagnahme von
Wmen und Besoldungen erlassen worden. Das
Gesetz vom 13. Dez. 1889 regelt die Beschäftigung
und den Schutz der Kinder, der jugendlichen Arbeiter
unter 16 Jahren und der weiblichen Arbeiter unter
21 Jahren. Das geringste Alter bei der Beschäfti-
gung von Kindern ist 12 Jahre; die Dauer der
Arbeitszeit beträgt für Kinder, jugendliche Arbeiter
unter 16 Jahren und weibliche Arbeiter unter
21 Jahren 12 Stunden einschließlich 1^ Stunde
Nubepausen. Nachtarbeit von 9 Uhr abends bis
6 Nhr morgens ist verboten. - In Holland ist
5. Mai 1889 ein Gesetz, betreffend Maßregeln zur
Verbinoerung übermäßiger und gefährlicher Arbeit
von jungen öeuten und Frauen veröffentlicht wor-
den. - In Italien ist wenigstens die Kinderarbeit
durch Gesetz vom 11. Febr. 1886 nebst Ausfüh-
rungsverordnung geregelt. - Von den skandinav.
Staaten hatDänemar k eine F. bereits 1873 erhal-
ten, Schweden 18. Nov. 1881 und 10. Mai 1889,
während in Norwegen die darauf bezüglichen Be-
strebungen noch zu keinem Ergebnis geführt haben.
- In Finland ist ein neues Arbeiterschutzgesetz
1. Jan. 1890 in Kraft getreten. - In Rußland
ist 1. Juni 1882 ein Gesetz erlassen, das die Be-
schäftigung von Kindern unter 12 Jahren allgemein,
die von jugendlichen Arbeitern im Alter von 12 bis
15 Jahren in bestimmten Kategorien von Fabriken
verbietet und deren Arbeitszeit in den zulässigen
Betrieben auf 8 Stunden täglich beschränkt. Das
Gesetz vom 12. Juni 1884 befaßt sich hauptsächlich
mit der Regelung des Schulunterrichts Minder-
jähriger, die in Fabriken arbeiten. Ein drittes Gesetz
vom 3. Juni 1885 betrifft das Verbot der Nacht-
arbeit von jugendlichen Arbeitern bis 17 Jahren
und von Frauen. Ein neues Gesetz vom 24. Febr.
1890, betreffend die Arbeit der Kinder, jugendlicher
und weiblicher Arbeiter, setzt an die Stelle der durch
die vorhergehenden Gesetze nur als zeitweise geltend
geschaffenen dauernde Bestimmnngen. - In Ru-
mänien ist die Vorlage zu einer F. der öffentlichen
Diskussion unterbreitet. - Weiter als irgend ein
anderer Staat, insbesondere in der Regelung der Ar-
beitszeit, ist die Schweiz mit ihrer F. vorgegangen.
Nachdem bereits mehrere Kantonalgesetze in sehr
liberalem Sinne erlassen worden waren, kam
23. März 1877 ein Vundesgesetz zu stände, das
neben vielen andern wichtigen Bestimmungen über
die Einrichtung der Fabriken, die Haftpflicht der
Unternehmer u. s. w. in betreff der Ardeitsdauer
festsetzt, daß dieselbe auch für erwachsene Arbeiter,
abgesehen von besondern Ausnahmefällen, die
Dauer von 11 stunden und an den Vorabenden der
^onn- und Festtage die von 10 Stunden nicht über-
fchreiten soll. Nachtarbeit ist nur ausnahmsweise zu-
lässig, Sonntagsarbeit nur in solchen Betrieben, die
ihrer Natur nach nicht unterbrochen werden können.
Frauen dürfen nachts und Sonntags unter keinen
Umständen beschäftigt werden, Wöchnerinnen sind
vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen wenig-
stens acht Wochen von der Arbeit ausgeschlossen.
Kinder dürfen in Fabriken vor dem zurückgelegten
14. Lebensjahre überbaupt nicht arbeiten und bis
zum vollendeten 16. Jahre mit Arbeit und Schul-
unterricht im ganzen nur 11 Stunden täglich be-
schäftigt werden.
Erwähnung verdient endlich die F. der Ver-
ein i g t c n S t a a t e n v o n A m e r i k a. Die Bundes-
regierung hat noch kein einheitliches Gesetz gegeben,
wohl aber findet man in den Neuenglandstaaten
(Maine, New-Hampshire, Vermont, Massachusetts,
Rhode-Island, Connecticut) eine recht entwickelte